Nicht mit uns –
Oetker schluckt Getränkelieferdienste

Korrespondenz

Bericht in der UZ vom 15.02.2021


Die Kündigungen für die Kolleginnen und Kollegen vom Getränkelieferdienst „Durstexpress“ in Berlin, Bochum und Leipzig kamen nicht per Flaschenpost. Aber das Unternehmen „Flaschenpost“ schluckt seinen Konkurrenten „Durstexpress“, nachdem es zuvor selbst geschluckt wurde, um im Getränkevertrieb flexibler Marktführer zu sein. Das schließt eine Schlankheitskur ein. Beide Unternehmen gehören der Familie Dr. Oetker, „Flaschenpost“ erst seit Ende letzten Jahres. 2019 verbuchte die Familie etwa 7,4 Milliarden Umsatz, 2020 dürfte die Rate pandemiebedingt erheblich größer gewesen sein. Bis gestern galten die Kolleginnen und Kollegen von „Durstexpress“ als Helden, heute sind sie arbeitslos. Gedankt wurde keinem der schwere Job. Diese bittere Erkenntnis macht die Runde unter der Belegschaft. Wirtschaftskrise und Menschenverachtung des Kapitals, selbst wenn es Süßes produziert, sind am eigenen Leib erfahrbar geworden.

In Leipzig sind es 500 Beschäftigte, die nicht übernommen werden sollen oder nur dann, wenn sie eine Probezeit absolvieren und sich neu bewerben, sich unter Wert verkaufen und gesiebt werden können. Man kennt das. Vom Unternehmen „Flaschenpost“ heißt es, dass die Ausbeutungsrate höher ist, der Lohn geringer, die Sozialleistungen unsicherer und bescheidener, die Antreiberei umfassend. Eine Perspektive ist das nicht. Solidarität übende Betriebsräte der Radeberger-Gruppe hoben in einem Offenen Brief an die kapitalistischen Macher des Ganzen hervor, dass „sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft“ sei. Mit dieser Illusion, diesem Appell an die Moral wird den Betroffenen kaum zu helfen sein, denn bei der „Flaschenpost“ sind weder Gewerkschaften noch Betriebsräte beliebt. Zwar hat man auch in Leipzig die Hoffnung nicht ganz aufgegeben, weiß aber, dass dies eine Frage des Kräfteverhältnisses ist und Krupp und Krause keine Partner werden können. Ohne Kampf kein Sieg, das ist allen ziemlich klar. Sie fordern: Betriebsübergang statt Kündigungen (Übernahme zu den jetzigen Bedingungen).

So wählten sie einen Betriebsrat, vernetzten sich mit anderen ihrer Branche, richteten tägliche Mahnwachen ein, richteten Forderungen an die Politik und organisierten sich gewerkschaftlich. Der Motor in der Belegschaft war zunächst die FAU. Sie, die Klartext sprach, dankte der Gewerkschaft NGG für die gesamte Organisation und Unterstützung des bisherigen Kampfes. Die NGG rief zu einer Kundgebung am 28. Januar vor dem Betriebsgelände auf. 130 Teilnehmer konnten gezählt werden, darunter auch Betroffene aus Berlin und Dresden, die sich von der großen Solidarität sehr beeindruckt zeigten. Entschlossenheit, dies war das Hauptmerkmal des Protestes. Aufmerksam wurde einem Kollegen aus Berlin zugehört, der von den Erfahrungen mit der zynischen Taktik der Oetker-Gruppe berichtete. Dass der Generationswechsel in der Oetkerfamilie schuld an allem sei, wie es teilweise aus dem Leipziger Stadtrat verlautete, ist hoffentlich nicht auf fruchtbaren Boden gefallen. Ein gemeinsamer Nenner dürfte gewesen sein, dass die Gewerkschaft zu ihren Wurzeln zurückkehren müsse, per Organisation Kampffähigkeit aufzubauen hat.

Der Kampf ist noch nicht zu Ende. Ein entscheidendes Ergebnis hat er aber schon jetzt gehabt: Gemeinsam und organisiert ist er ein Mutmacher, schweißt zusammen, bringt Gewinn an Erkenntnis und Erfahrung.

Ein Kollege aus Leipzig


 

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