aus Finnland:
Streiks gegen neue Arbeitsgesetzgebung
Beschäftigte solidarisch mit Erwerbslosen

Korrespondenz

Unter dem Titel »Den DGB-Gewerkschaften ins Stammbuch« hatte die ARPO (2/3 2018) über Solidaritätsstreiks von 200.000 finnischen Arbeiter*innen und Angestellten im Februar 2018 für ihre arbeitslosen Kolleg*innen berichtet. Die Mitte-Rechts-Regierung (s. arpo 2/3 2018) wollte Beschäftigte, die länger als drei Monate arbeitslos waren, verpflichten, sachgrundlos befristete Arbeitsverträge zu unterschreiben.

»Es ist wichtig, dass alle Arbeiter und Arbeiterinnen die gleichen Rechte haben«, rief der Vorsitzende des finnischen Gewerkschaftsbundes (SAK) am 2. Februar den 10.000 Kolleg*innen auf der zentralen Kundgebung in Helsinki zu. Unter dem Druck der Gewerkschaften musste die Regierung ihr Vorhaben zurückziehen.

Dann holte die Regierung einen weiteren Entwurf aus dem auch in Deutschland seit der Agenda 2010 bekannten neoliberalen Zauberkasten: die Aufweichung des Kündigungsschutzes in Firmen mit weniger als 20 Beschäftigten. Dieses Gesetzesvorhaben hatte die Regierung verkündet, ohne den Gewerkschaften das in Finnland übliche Recht zur Stellungnahme einzuräumen.

Auch diesmal hielten die Gewerkschaften dagegen. Im September und Oktober veranlassten sie die Verweigerung von Überstunden durch Beschäftigte im Dienstleistungssektor und in der Auto- und Transportbranche und am 3. Oktober 2018 rief der SAK die Mitglieder erneut zu einem eintägigen Solidaritätsstreik auf. Im ganzen Lande legten 30 000 Kolleg*innen die Arbeit nieder: 4.500 der Gewerkschaft der Lebensmittelindustrie (SEL), 1.000 des Verbandes der Elektriker*innen, Mitglieder der Industriearbeitergewerkschaft in ca. 150 Betrieben, darunter Meyer-Werft in Turku, Wärtsila-Schiffsmotoren und ABB-Motoren und Transformatoren, außerdem viele Mitglieder der Gewerkschaft der Diestleistungskräfte (PAM).

Es war eine weitere Kampfansage der Arbeiterklasse zur Verteidigung ihrer Rechte. Und wieder machte die Regierung einen Rückzieher. Erst wollte sie den Kreis der Betroffenen einschränken auf Beschäftigte in Betrieben mit höchstens 10 Beschäftigten, schließlich zog sie das Vorhaben ganz zurück.

Dass sich die Regierung unter dem Druck der Streiks außerdem noch gezwungen sah, zu den Dreierverhandlungen Gewerkschaft / Unternehmerverband / Regierung zurückzukehren, die sie einseitig aufgekündigt hatte, verbuchten die mehrheitlich sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaftsführer als politischen Erfolg. Mag auch der Gedanke mitgespielt haben, durch die Aktionen des Jahres 2018 der oppositionellen Sozialdemokratie etwas Schwung zu verleihen für die im April 2019 anstehenden Reichstagswahlen, so waren die Arbeitskämpfe doch ein recht eindrucksvoller Beleg dafür, dass mutige Gewerkschaften dem neoliberalen Mainstream etwas entgegen zu setzen haben. Welch ärmliches Bild geben dagegen die DGB-Gewerkschaften ab! Aber ohne die Bereitschaft der Belegschaften auch von exportorientierten Großbetrieben, sich für die Belange anderer Kolleg*innen und der Arbeitslosen einzusetzen, wären die Erfolge nicht denkbar. Sie sind Beweis für das in der finnischen Arbeiterklasse lebendige Bewusstsein der Solidarität. Diese Streikmaßnahmen führten erneut zu Diskussionen über die Berechtigung des politischen Streiks. Die Mehrheit der befragten Bürger- und Bürgerinnen halten dieses Recht auch weiterhin für notwendig.

E.B. 1.12.2018


aus Arbeiterpolitik Nr. 5/6 2018

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