Rolf Somann
1. Februar 1936 – 19. April 2023

Im Alter von 87 Jahren ist Rolf Somann, »unser Setzer«, gestorben, ein für seine persönliche Lebensgeschichte hohes Alter.

Schon vor der Schulzeit wurde ihm während des Krieges (1941) eine Niere entfernt. 1952 brachte ihn während eines Fußballspieles ein Tritt in die noch vorhandene Niere in Lebensgefahr. Er musste ein halbes Jahr im Krankenhaus um sein Überleben kämpfen. Mit Willenskraft und Optimismus schaffte er es 1953, die Abschulung vom Gymnasium (Fehlzeiten) zur Realschule zu verkraften.

1954 begann er eine Ausbildung zum Schriftsetzer, ein damals sehr begehrter Ausbildungsberuf in einer Druckerei der GEG, mit rund 400 Beschäftigten. Für den Weg dorthin nahm er einen Weg von rund zweieinhalb Stunden morgens und auch abends in Kauf, dabei musste Rolf einen Stadtteil umgehen, der bis in die 60er Jahre wegen Seuchengefahr nach dem Feuersturm durch Bombenangriffe einfach zugemauert war.

In diesem Betrieb war ein Kollege im Betriebsrat, der weckte Rolfs Interesse, weil er die Probleme, die die Kollegen mit sich rumschleppten, in der betriebsrätlichen Tätigkeit, die er nur halbtags machte, immer wieder ansprach. Durch Pepp Bergmann geriet Rolf in den Zusammenhang einer politischen Gruppe, die in diesem Betrieb eine Rolle spielte, der Gruppe Arbeiterpolitik.

Zum Beispiel war es dieser Gruppe zu verdanken, dass ein Großteil der Belegschaft ihren Unwillen gegen die Wiederbewaffnung – Krieg und Zerstörung waren damals im Leben der Menschen noch sehr präsent – mit einem Marsch vor das Hamburger Rathaus zum Ausdruck brachte, gegen den Willen der Hamburger Gewerkschaftsführung.

Rolf wechselte nach Abschluss der Lehre öfter seinen Arbeitsplatz, das war in den 50er und 60er Jahren durchaus möglich. Er wollte die Welt kennen lernen, kündigte und fuhr mit Rad und Zelt und zwei seiner Lehrkollegen für mindestens 3 Monate in die Türkei, eine solche Reise mit späterer Neueinstellung machte er noch weitere drei Male in andere Länder.

Rolf lernte bis in die 70er Jahre mehrere Hamburger Satz- und Druckbetriebe kennen, dabei auch die technologische Umstellung von Bleisatz auf Fotosatz. Wissbegierig und an Weiterbildung interessiert, war er einer der Ersten, der dann in einem reinen Fotosatzbetrieb, einem Kleinbetrieb, arbeitete. Dauernd war er auf den monatlichen Gewerkschaftstreffen, verfolgte die bundesweiten Tarifdiskussionen. Aber auch konkret an seinem Arbeitsplatz setzte er sich für seine Kolleginnen und Kollegen ein, er hatte immer ein offenes Ohr für deren Fragen und Nöte. Suchte aber nach nicht konformen Wegen, nicht die in der Gewerkschaft vorgeplanten.

Eines Tages wurde vom Inhaber Schichtarbeit verlangt. Rolf war inzwischen der älteste Mitarbeiter und hatte den Job als Betriebsobmann übernommen. Die meisten Kolleginnen und Kollegen wollten die Forderung nach Schichtarbeit nicht mitmachen. Andere erhofften sich mehr Geld durch die Spätschichtzuschläge, die in der Druckindustrie wegen der großen Zeitungsbetriebe relativ hoch waren. Der Inhaber drängte auf eine Entscheidung. Rolf fragte jeden Kollegen, was für Vorteile oder Nachteile er sich erhoffe. Z. B. war einer der Maschinensetzer nicht bereit, eine Spätschicht bis in die Nacht rein zu machen

Andere Kolleginnen, obwohl sie in der Stadt wohnten, wollten ebenfalls nicht nach 20.00 Uhr nach Hause kommen. Rolf teilte dies dem Inhaber mit. Er erwarte von ihm, dass er die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigen würde.

Die Kollegen haben diskutiert, was der Vorteil, den der Chef durch die Schichtarbeit erhält, für uns bedeuten würde. Was wir für uns rausholen könnten. Es war in der Gewerkschaft als allgemeines Fernziel die Forderung nach einer 35-Std-Woche aufgestellt worden. Damit konfrontierte Rolf den Inhaber: Er bot ihm 2 x 7-Std-Schichten (also 35 Wo.-Std.) an, für den Kollegen aus Itzehoe einen späteren Schicht-Beginn, je nach seiner Zugverbindung.

Der Chef druckste rum, vor allem wegen der Bezahlung abends, verhandelte mit Kunden, mit seinem Unternehmerverband, dann stimmte er zu: für die (Maschinensetzer-)Abteilung: 35-Std-Woche, Schichten ab 6.00 Uhr morgens bis mittags 14.00 Uhr, dann ab 13.30 Uhr bis abends 20.00 Uhr. Alle anderen konnten (es gab noch einiges Genörgel) wie bisher arbeiten.

Das Verdienst von Rolf war, die bestehenden Interessen der Kolleginnen und Kollegen aufzugreifen, waren sie auch noch so differenziert. Das hat die Verhandlungen bestimmt. Auch in anderen, späteren Konflikten hat Rolf nach den konkreten Interessen der Beschäftigten gefragt. Waren die zu Beginn eines Konflikte benannt, hat er sie offen, direkt und kompromisslos gegenüber dem Chef benannt.

Und er hat nach Lösungen gesucht, die sich positiv auf das Leben der Kolleginnen und Kollegen .auswirkte, auch wenn sie nicht auf der offiziellen Gewerkschaftslinie lagen. Sie sollten praktisch umsetzbar sein und die Situation verbessern.

Seine Mitarbeit in der Gruppe war genau so kompromisslos und zielgerichtet: Artikel sollten so veröffentlicht werden, dass sie auch ohne Hochschulabschluss verstanden werden. Und seine eigene Aufgabe, das Mitdiskutieren und Korrekturlesen, ließ er sich in den Urlaub nach Finnland oder Norwegen senden.

16.07.2023


 

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