Bremen: „Laut gegen Rechts“ – Zwei Großdemonstrationen

Korrespondenz

Eindrücke von der Kundgebung am 21. Januar 2024

Die Kundgebung war kurzfristig von zwei Privatpersonen initiiert worden, die sich über Instagram kennenlernten – ab 14. Januar, eine Woche vor der Kundgebung. Um diese bildete sich über das Internet schnell eine größere Gruppe, die mitmachten.

Zu den Organisationen, die die Kundgebung unterstützten, gehören neben SPD, Grünen und Linken die Gewerkschaften und Clubverstärker und weitere. Die – gespendete – Bühne sollte aber nicht Politiker*innen oder Funktionär*innen überlassen werden, die überall sonst ihre Positionen öffentlich vertreten können.

So blieb es auch dabei, dass auf der Kundgebung weder Parteien- oder Organisationsvertreter*innen sprachen – sondern nur Einzelpersonen der Zivilgesellschaft.

Demo oder Kundgebung? Die größte Versammlung seit 50 Jahren

Viele Menschen haben statt von Kundgebung von „Demo“ gesprochen. Tatsächlich bewegten sich die Menschen zu Fuß, mit Fahrrädern oder dem ÖPNV von überall her in solchen Massen Richtung Innenstadt, dass von kleinen Demonstrationen oder Sternmärschen gesprochen werden konnte, bis es weit vor dem Kundgebungsort, dem Domshof, kein Weiterkommen mehr gab. Viele schafften es wegen des überfüllten ÖPNV auch nicht bis dorthin.

Es herrschte schon beim Weg zur Innenstadt bei vielen Menschen das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein. Vor Ort – wo immer das auf dem oder in der Nähe des Kundgebungsortes war, stieg dieses Gefühl noch einmal an. Familien mit Kindern auf den Schultern, Kinderwagen und Rollstuhlfahrer waren mitten im Gedränge. Eine 83-jährige Teilnehmerin aus einem entfernteren Stadtteil berichtete nachher stolz in der Nachbarschaft, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben auf einer Demonstration gewesen sei. Es war die größte Anti-AfD Demo in Bremen.

Wer oder was auf der Bühne gesprochen hat, drang zu den allermeisten Teilnehmer*innen der Kundgebung nur durch, wenn sie es bis kurz vor die Bühne geschafft hatten. Aber es gab immer wieder Sprechchöre, an denen sich die Menge lautstark beteiligte. Am häufigsten: „Alle zusammen – gegen den Faschismus“.

Beeindruckend die große Zahl an großen und kleinen – meist selbst gemalten – Plakaten, wobei nur wenige über Anti-AfD Slogans hinausgingen. Gespräche mit einzelnen Menschen während und nach der Kundgebung ergab aber, dass sie sich sehr wohl bewusst waren, dass es die Vielzahl der Krisen und die Politik der Bundesregierung ist, die zum Aufstieg der AfD beiträgt.

Auch aus dem Umland hatten sich viele Menschen auf den Weg gemacht – Bremerhaven hatte auf eine eigene Kundgebung an dem Tag verzichtet. Dort wurde eine Woche später demonstriert ebenso wie in Cuxhaven und anderen kleineren Städten im Nordwesten.

Sozialer Charakter der Demonstration am 04. Februar 2024

Für diese Demonstration hatte ein Bündnis aus Basisinitiativen aufgerufen – darunter Gruppen, die Geflüchtete unterstützen, das Bündnis gegen Teuerung oder die Stadtteil-Initiative Solidarisch in Gröpelingen sowie antifaschistische Gruppen. Diesem Bündnis ging es darum, die Probleme der Menschen in Bremen aufzugreifen, die von den vielfältigen Krisen betroffen sind: Wohnungsnot, Teuerung, Energiekrise, Klima, Kriege. Kaum war der Aufruf bekannt, beeilten sich „buten & binnen“ sowie der „Weser Kurier“ darauf hinzuweisen, dass einige der aufrufenden Gruppen im Bremer Verfassungsschutzbericht auftauchen. Die Basisgruppe Antifaschismus beispielsweise habe eine kommunistische Ausrichtung.

Ob diese Meldungen eine abschreckende Wirkung auf die „Normal“-Bevölkerung haben würden, war bis zum Tag der Demonstration unklar.

Nachdem die Teilnehmerzahl bei der Auftaktkundgebung noch nicht massenhaft erschienen war, schwoll der Demonstrationszug schnell an und führte in einem endlos scheinenden Zug über die Weserbrücke und die Wallanlagen bis zur Bürgerweide. Es waren sichtbar mehr Menschen mit migrantischem Hintergrund dabei als zwei Wochen vorher, aber sonst etwa die gleiche Zusammensetzung aus Einzelpersonen und Familien – die Schilder griffen teilweise die vielfältigen Probleme auf. Auch in den Redebeiträgen drückte sich der Schwerpunkt auf soziale Fragen aus.

Am Ende waren es zwischen 16 000 und 20 000 Menschen, die sich um der Sache willen beteiligten. Und als „buten & binnen“ mehrere ältere und offensichtlich bürgerliche Menschen befragte, ob sie sich von den linken Organisatoren vereinnahmt gefühlt hätten, konnte der Interviewer keine Gegensätze feststellen. Trotzdem fühlte sich der „Weser Kurier“ bemüßigt, noch einmal nachzutreten, indem er die Auseinandersetzung mit einem Teilnehmer wegen eines tendenziell gegen Geflüchtete gerichteten Plakats an den Anfang seines Berichts stellte.

Was aus diesen Protesten folgt und wie es weitergeht, wird davon abhängen, wie die Auseinandersetzung um die Rechtsentwicklung weiter geführt wird. Bedeutsam ist, dass es für viele ganz junge Menschen ein erster Schritt zur Politisierung und für manche bequem gewordene Ältere ein neuer Einstieg ist.

Es könnte wesentlich bedeutsamer sein, dass sich in kleineren Städten und Gemeinden gerade auch in AfD-Hochburgen wie im Osterzgebirge, erstmals Menschen öffentlich in großer Zahl gegen die AfD positioniert und daraus Mut geschöpft haben.


 

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