Zur US-Wahl 2016:
»Make America Great again« –
Welches Amerika?

Mit Donald Trump ist ein Mann Präsident der Vereinigten Staaten geworden, der wie kein zweiter für die soziale und auch die politische Spaltung der US-amerikanischen Gesellschaft steht. Sein Wahlkampf setzte ausdrücklich auf Polarisierung. Die Rivalin, Hillary Clinton, die für die Demokratische Partei antrat, verkörperte das »Weiter-So« in der Politik, was sie bei vielen Wählern verhasst machte.

Bereits im Vorfeld der Wahlen stand bei der Demokratischen Partei Bernie Sanders für soziale Reformen und ein Zugehen auf die lohnabhängigen Klassen, Hillary Clinton dagegen für das Wall Street Establishment, das Große Geld. Bei den Republikanern war die Zahl der Bewerber, die für verschiedene Flügel standen, größer. Während bei den Demokraten neben Hillary Clinton und ihrem Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Kaine ursprünglich fünf weitere Kandidaten um die Nominierung kämpften, waren es bei den Republikanern neben Donald Trump und seinem designierten Vize Mike Pence sechzehn Mitbewerber, die einer nach dem anderen aufgaben und sich zurückzogen.

Dass diese Wahlen international besondere Aufmerksamkeit auf sich zogen, lag insbesondere am Auftreten des republikanischen Bewerbers. Die Auftritte der Kandidaten im Wahlkampf sind in den USA großes Schmierentheater. Hauptdarsteller sind die Bewerber mitsamt ihren engeren Familienangehörigen, Nebenrollen werden durch mehr oder weniger prominente Unterstützer und Geldgeber besetzt, Babies zum Küssen gibt es und den Chor gibt das Publikum mit professionell gefertigten Plakaten und Winkelementen und mit Sprechchören, die allerdings die Lautsprecher des Helden oder der Heldin niemals übertönen können. Dahinter steckt eine riesige organisatorische Leistung, mit Fernsehwerbung, Plakaten, lokalen und regionalen Veranstaltungen und Hausbesuchen in den einzelnen Bundesstaaten, mit Tausenden bezahlter und Zehntausenden unbezahlter Helfer, die geschult und zu den Orten ihres Wirkens transportiert werden müssen. Der finanzielle Aufwand dafür betrug in diesem Jahr allein bei den beiden großen Parteien deutlich über eine Milliarde USD.

Diesen Aspekt des Theatralischen muss man berücksichtigen, wenn man den Hauptprotagonisten gerecht werden will. Sie müssen wohl oder übel Rollen verkörpern.

Hillary Clinton hatte naturgemäß die Frauenrolle. Sie sollte die »gläserne Decke« durchbrechen, die bislang die Frauen von dem höchsten Staatsamt trennte. Sie stand für »political correctness«, also gegen Sexismus, Rassismus, für Umwelt- und Klimaschutz und anfangs auch für internationalen Handel und Handelsabkommen, kurz: für Seriosität und das Ostküsten-Establishment, die »Bessere Gesellschaft«. »So war Clintons Wahlkampf: Eine durch Bürgerrechtsthemen befeuerte Regenbogenkoalition sollte sie ins Weiße Haus tragen«, formulierte der Korrespondent der FAZ (10. 11. 2016) Clinton hatte auch wesentlich mehr Geld für ihren Wahlkampf als Trump. Es gab allerdings einen schwarzen Fleck auf der weißen Folie: Die Dienstpost auf dem privaten Server zu Hause während ihrer Amtszeit als Außenministerin im Weißen Haus und die Ermittlungen des FBI in dieser Angelegenheit.

Ihr Gegenüber war mit Donald Trump eine Gestalt wie aus dem Roman Martin Chuzzlewit von Charles Dickens: Ein Yankee-Bourgeois und Geldprotz von der übelsten Sorte, dazu noch Rassist, Begrapscher von Frauen, scheinbar Isolationist, Gegner von Freihandelsabkommen, Umweltund Klimaschutz.

Dass Trump die Wahlen schließlich gewann, sorgte angesichts der Wahlprognosen, die ihn als Verlierer sahen für Überraschung – lag er doch nach Wählerstimmen mit 46,3 Prozent hinter Clinton (48,2 Prozent). Grund dafür ist das amerikanische föderative Mehrheitswahlsystem. Trump kam auf 290 Wahlmännerstimmen, Clinton nur auf 232, also ein komfortabler Vorsprung für den Sieger, dem bereits 270 Stimmen gereicht hätten. (Datenquelle: cnn.elect.res.)

…es geht weiter nach unten!

»Noch im Jahr 2012 arbeiteten 35.000 Menschen im Bergbau West Virginias, heute sind es 20.000, und der Trend ist eindeutig: Es geht weiter nach unten. Im ganzen Land arbeiten noch 60.000 Kohle-Kumpel, vor 30 Jahren waren es noch 180.000.«

Küstenstaaten wie New York, Oregon und Kalifornien wollen ihre Energieversorgung kohlefrei machen. »…die von wohlhabenden Bürgern gegründete Umweltorganisation Sierra Club (verhindert) mit Hilfe bester Anwälte die Genehmigung neuer Kohle-Kraftwerke. 242 Kohle-Kraftwerke seien seit 2010 geschlossen worden, vermeldet die Organisation stolz auf ihrer Internetseite, weitere 281 müssten dichtgemacht werden.«

(FAZ 28. 10. 2016)

Die Wahrnehmung in den deutschen Medien war deutlich geprägt von dem polarisierenden Wahlkampf in den USA. Clinton wurde wahrgenommen als Vertreterin des außenpolitischen status quo, einer Fortführung der Politik des scheidenden Präsidenten Obama, Trump hingegen als Gefahr für die eingespielten Beziehungen und Bündnisse unter den wichtigen Industriestaaten.

Dass dies nicht nur mediale, also künstliche Aufregung war, machten Äußerungen von hochrangigen europäischen Politikern deutlich, die sich, wie der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, während des Wahlkampfes in Amerika unverhüllt gegen Donald Trump aussprachen. Das waren durchaus Versuche, auf den Verlauf der US-Wahlen von außen Einfluss zu nehmen, aber sie waren fruchtlos.

Präsidentschaftswahlen in den USA erringen unter den herrschenden Klassen in der ganzen Welt zwangsläufig immer hohe Aufmerksamkeit, was der herausragenden wirtschaftlichen und vor allem auch der militärischen Stellung des Landes geschuldet ist. Gleichwohl hielt und hält sich das Entsetzen über den Wahlausgang in Grenzen. In fast allen parlamentarischen Demokratien gibt es institutionelle Verfahren zum Interessenausgleich; in erster Linie zum Ausgleich der Interessen innerhalb der herrschenden Klassen selbst, in gewissem Umfang auch zum Ausgleich der Interessen zwischen den sozialen Klassen. In der Vereinigten Staaten wird dies als System von »checks and balances« bezeichnet, das dem Präsidenten als höchstem Vertreter der Exekutive diktatorisches Regieren auf Dauer verbietet. Die Bundesregierung, der er vorsteht, monopolisiert die Außen- und Militärpolitik, der Präsident ist also in gewisser Weise Herr über Krieg und Frieden. Er muss sich aber über den Bundeshaushalt, über internationale Verträge mit Senat und Kongress verständigen. Die Bundesstaaten selbst haben weitgehende legislative und exekutive Befugnisse; sie verfügen über eigene Steuern, betreiben ihre eigene Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik und kontrollieren Polizei und Milizen.

…nicht nur doppelt so hoch wie…!

»Die acht Obama-Jahre haben die Schwarzen nicht vorangebracht… Ihre Arbeitslosenquote ist nicht nur annähernd doppelt so hoch wie die der Gesamtbevölkerung…, sie liegt deutlich über der Quote der Hispanics und Asiaten…« »Im Regierungsbericht von 2015 heißt es, dass ein schwarzer Mann, der vor 25 Jahren geboren wurde, nur in einem von zwei Fällen einer geregelten Beschäftigung nachgehen kann. Wenn es dagegen schlecht ausgeht, ist er arbeitslos gemeldet, hat die Arbeitssuche komplett aufgegeben, sitzt im Gefängnis oder ist vor dem Erreichen des 25. Lebensjahres gestorben.«

Opfer der Gewaltkriminalität in vielen amerikanischen Großstädten sind vor allem Afroamerikaner. Trump sagt, die Afroamerikaner sollten ihn wählen. Sie hätten schließlich nichts zu verlieren.

(FAZ 07. 11. 2016)

Die diesjährige Wahl bekam in Europa vor allem dadurch besonderes Gewicht, weil das Gespenst des Rechtspopulismus in der Person des Donald Trump auch die USA zu verschlingen drohte. Die so genannten gemäßigten Volksparteien in den industriellen Kernstaaten der Europäischen Union leiden seit geraumer Zeit unter Auszehrung, sie verlieren Mitglieder und Wahlen und an ihrer statt treten so genannte rechtspopulistische Parteien in den Vordergrund, wie die Lega Nord in Italien, der Front National in Frankreich, UKIP in Großbritannien, die AfD in Deutschland, um nur einige Beispiele zu nennen. In den Parteienlandschaften und in den Parlamenten ist das ein Umbruch, dessen weitere Folgen schwer zu ermessen sind. Dass nun die Kernmacht des westlichen Kapitalismus ebenfalls von diesem Phänomen erfasst wird, erhöht die Unruhe unter den herrschenden Klassen und ihren Medien.

Über die Gründe für diese Entwicklungen gibt es allerdings in diesen Medien weitgehende Übereinstimmung. Die Kommentare weisen überwiegend darauf hin, dass breite Schichten der lohnabhängigen Klassen die Zukunft für sich und ihre Angehörigen eher schwarz sehen. Selbst Menschen, die eine feste Anstellung und gutes Gehalt haben, rechnen angesichts ihrer eigenen Erfahrungen mit Rationalisierungen und Arbeitsplatzabbau mit schlechteren Berufschancen für ihre Nachkommen. Es geht auch nicht allein um Arbeitsplätze überhaupt – es mögen an die Stelle der verloren gegangenen Jobs in der Industrie neue im Dienstleistungsbereich getreten sein; aber die verlangen häufig weniger Qualifikationen, sie sind schlechter bezahlt und häufig nur als Teilzeitjobs erhältlich, was Folgen für die spätere Rentenhöhe hat. Noch schlimmer steht es für die Menschen, die in Regionen wohnen, wo der wirtschaftliche Strukturwandel die ursprünglichen Industrien zum Verschwinden brachte, ohne dass Neues an ihre Stelle getreten wäre. Sie alle haben sich von einem »Weiter-So« nichts zu erhoffen und wollen einen Wandel – zum Besseren, wobei nicht immer so recht klar ist, was dieses Bessere sein könnte [1].

Donald Trump stand im Wahlkampf für diesen Wandel mit dem Slogan »Make America Great Again«.

Er brüstete sich ausdrücklich mit seiner Erfahrung als erfolgreicher Unternehmer, als Milliardär, als einer, der weiß, wie man es macht, um zu Geld zu kommen. Um die weißen Arbeiterhaushalte zu gewinnen, versprach er im Falle seiner Wahl die Ausweisung von zehn bis elf Millionen illegaler Immigranten, die Errichtung einer Grenzmauer zu Mexiko, Kündigung oder Neuverhandlung von Freihandelsabkommen und die Rückholung der ausländischen Produktion US-amerikanischer Firmen. Auch sollten die Umweltauflagen gesenkt werden, damit weiterhin amerikanische Kohle gefördert und verstromt werden könne.

Es sieht so aus, als wäre Trump mit seinem Auftreten der Einbruch ins Gewerkschaftslager – jedenfalls zum Teil – gelungen. Zwar hatte auch dieses Mal die Spitze des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO sich für die Demokratische Partei stark gemacht und deren Präsident Richard Trumka sammelte Spenden für Hillary Clinton. Laut Umfragen stimmten 43 Prozent der Gewerkschafter für Trump; Clinton erhielt 51 Prozent. Aber im Vergleich: Obama erhielt 2012 58 Prozent der Gewerkschafts-Stimmen und sein republikanischer Rivale Mitt Romney nur 40 Prozent. Das heißt: Das republikanische Lager hatte diesmal zugelegt, das demokratische verlor Anteile. Unter dem amerikanischen Mehrheitswahlsystem hatte das gravierende Folgen. (FAZ 16. 11. 2016)

Auf der anderen Seite war es den Demokraten nicht gelungen, die Minderheitslager der Schwarzen und der Hispanics ausreichend zu den Wahlurnen zu mobilisieren. Die Wahlbeteiligung lag bei 56,9 Prozent und damit deutlich unter der Obama-Wahl von 2004 mit 63,8 Prozent.

Der wirkliche, das heißt, der Klassencharakter von Trumps Politik erschließt sich deutlicher nach seinem Wahlsieg. Es ist nun nicht mehr von einer Deportation von zehn bis elf Millionen illegaler Einwanderer die Rede, sondern nur noch von der Ausweisung von zwei bis drei Millionen »Kriminellen und Bandenmitgliedern« – eine ähnlich große Zahl wurde auch in der Amtszeit Obamas abgeschoben. Statt einer durchgehenden Mauer zu Mexiko soll nun der bereits existierende Zaun nur an einigen Stellen durch Mauern ersetzt werden. Das wird auch die Unternehmer freuen, die davon leben, dass sie die billige Arbeitskraft der Illegalen ausbeuten. Ein Zugeständnis an seine proletarische Wählerschaft scheint, dass Obamacare, ein von Obama durchgesetztes Krankenversicherungs-Projekt, das etwa 20 Millionen bis dahin nicht versicherten armen Amerikanern Versicherungsschutz brachte, und dessen ersatzlose Streichung Trump im Wahlkampf angekündigt hatte, nicht vollständig abgeschafft werden soll. Zwei Regelungen, die bei seiner Wählerschaft und auch unter Kongress-Republikanern populär sind, sollen beibehalten werden: Versicherer sollen niemanden wegen Vorerkrankungen ausschließen dürfen und Kinder dürfen bis zum 26. Lebensjahr bei ihren Eltern mitversichert sein. Außerdem wolle er Obamacare nicht einfach abschaffen, sondern verändern oder ersetzen.

Wählerstimmanteile und Wahlmännergremium

Das US-Wahlsystem für die Präsidentenwahl sieht vor, dass der Präsident nicht direkt von der Bevölkerung gewählt wird. Die Wahl erfolgt indirekt durch ein Wahlmännergremium, das bei den Präsidentenwahlen bestimmt wird. Jeder Bundesstaat entsendet eine (je nach Größe verschiedene) bestimmte Anzahl von Wahlmännern in dieses Gremium. Bis auf zwei Bundesstaaten (Maine und Nebraska) wird dabei so verfahren, dass der Kandidat oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen in einem Bundesstaat alle Wahlmänner bekommt. In Maine oder Nebraska werden die Wahlmänner entsprechend dem Wahlergebnis verteilt.

Dieses System führt dazu, dass viele Stimmen »verloren« gehen, wenn z.B. in einem bevölkerungsreichen Bundesstaat ein(e) Kandidat(in) hoch gewinnt, z.B. über 70 Prozent der Stimmen gewinnt. Da schon bei 50,1 Prozent der Sieger feststeht, gehen also 20 Prozent der Stimmen quasi verloren.

Bei der Wahl 2016 führte dieses System dazu, dass Clinton ziemlich deutlich die meisten Wählerstimmen bekam: 65,7 Millionen (48,2 Prozent). Sie erhielt damit praktisch genauso viele Stimmen wie Obama 2012 und das dritthöchste Ergebnis in der Geschichte überhaupt. Demgegenüber bekam Trump nur 62,9 Millionen Stimmen (46,3 Prozent).

Trotzdem kam Trump im Wahlmännerkollegium auf 306 Stimmen, Clinton nur auf 232. Das kam daher, dass Trump fast alle Bundesstaaten gewann, in denen das Ergebnis hauchdünn war, in den sogenannten »Swing-States«. Clinton nützte es demgegenüber nichts, dass sie die meisten Stimmen der bevölkerungsreichen Ost- und Westküste bekam.

Rein theoretisch könnten die Wahlmänner das Ergebnis ändern, da in 24 Bundesstaaten es den Wahlmännern frei steht, wen sie letztlich wählen. Diese freie Wahlmöglichkeit wird aber praktisch nie ausgeübt.

Vor allem seine Pläne zur Steuerreform sind ein Geschenk an die eigene Klasse: Entlastungen für Unternehmer und Besserverdienende – Unternehmensgewinne sollen mit nur 15 Prozent besteuert werden, die Einkommenssteuer soll maximal 33 Prozent betragen, die ausländischen Gewinne US-amerikanischer Firmen dürfen mit einer niedrigen zehnprozentigen pauschalen Steuer rückgeführt werden. Ferner will Trump Staatsland an Öl- und Gasfirmen verpachten. Davon verspricht er sich Einnahmen von über 150 Milliarden USD für Infrastruktur-Investitionen.

In seinem am 22. November verkündeten Sofortprogramm für die ersten hundert Tage seiner Amtszeit stehen im Zentrum die Aufkündigung des ausgehandelten aber noch nicht vom Kongress ratifizierten transpazifischen Freihandelsabkommen TPP, das er als »potentielles Desaster« für die Vereinigten Staaten bezeichnet hatte. Es soll durch bilaterale Abkommen ersetzt werden, in denen die Verhandlungsmacht der USA womöglich besser zur Geltung kommen würde. Ferner die Streichung von Auflagen für die Förderung von Öl und Erdgas aus Schiefergestein und für den Kohlebergbau. Das soll angeblich Millionen gut bezahlter Arbeitsplätze schaffen – was nicht sicher ist; sicher ist hingegen, dass es den beteiligten Unternehmern gewaltige Profite bringen würde.

Nichts wird gesagt über die Absicht, »Arbeitsplätze nach Amerika zurück zu holen«. Es ist auch schwer vorstellbar, wie dies geschehen sollte, wie das Beispiel Chinas zeigt: Die größten Einfuhrkontingente von China nach Amerika sind Handies, Tablets, Laptops und Netzwerkelektronik. China steht in diesen Warengruppen für 70 Prozent der weltweiten Produktion. Die USA exportieren nach China vor allem Sojabohnen, Flugzeuge und Autos, die leicht durch Konkurrenzprodukte ersetzt werden könnten. (FAZ 18.11.2016) Statt eines Handelskrieges sei daher eher damit zu rechnen, dass Trump auf ausgewählte Produkte Strafzölle erheben werde, was China dann mit eigenen Strafzöllen auf amerikanische Produkte beantworten werde.

Nicht eindeutig ist auch, was sein Vorstoß bewirken soll, die Spielregeln für den Lobbyismus zu ändern. Spitzenbeamte sollen nach ihren Ausscheiden aus dem Amt in den ersten fünf Jahren keine Lobbyarbeit machen dürfen; für ausländische Regierungen ist es ihnen unbefristet verboten. Das würde am ehesten Personen treffen, die kein eigenes Vermögen haben und die nicht zum engeren Kreis der herrschenden Klassen gehören, weil sie damit aus dem Kreis der Mitspieler herausfielen.

Wer ist Bernie Sanders?

Bernard »Bernie« Sanders, 75 Jahre alt, ist ein parteiloser US-Politiker. Er vertritt seit 2007 als Senator den kleinen US-Bundesstaat Vermont. Während seines Studiums wurde Sanders politisiert und beteiligte sich an Sit-ins gegen die Rassentrennung und wurde aktiv beim Congress of Racial Equality (CORE). Zu Beginn der 70er Jahre war Sanders in der Liberty Union Party (LU) als einem Teil der breiten US-Antikriegsbewegung organisiert. Er kandidierte in 70er Jahren mehrmals vergeblich als Senator von Vermont und scheiterte mit seiner Kandidatur um den Gouverneursposten seines Heimatstaates.

Nach mehreren Wahlschlappen verließ Sanders die LU und kandidierte als unabhängiger Kandidat für das Amt des Bürgermeisters von Burlington, der größten Stadt von Vermont. Er gewann gegen den demokratischen Amtsinhaber mit einer hauchdünnen Mehrheit von zwölf Stimmen und wurde für diesen Posten dreimal wiedergewählt. 1990 kandidierte Sanders erfolgreich für das Repräsentantenhaus. Von 1991 bis 2007 vertrat Sanders den Bundesstaat Vermont. Er war damals der einzige parteilose Abgeordnete sowie derjenige mit der insgesamt längsten Mandatszeit als Unabhängiger. Sanders wurde insgesamt sechsmal wiedergewählt.

Bei den Senatswahlen 2006 kandidierte Sanders als Unabhängiger und gewann nahezu zwei Drittel der Stimmen. Hier schloss er sich erstmals als Parteiloser der Fraktion der Demokraten an. Erst während der Vorwahlen zu den diesjährigen Präsidentschaftswahlen trat Sanders der Demokratischen Partei bei. Während des Parteitags der Demokraten Ende Juli 2016 gab Sanders bekannt, in den Senat wieder als Unabhängiger zurückkehren zu wollen. (1)

Die Kampagne »Bernie for President«

Sanders verzichtete im Gegensatz zu seiner Konkurrentin Hillary Clinton auf Zuwendungen von Großbanken und Großkonzernen. Um sich nicht von »Big Money« und »Big Business« abhängig zu machen und seiner Kritik an den »oligarchischen Zuständen« der Wahlkampffinanzierung Nachdruck zu verleihen, setzte Sanders auf Spenden von Privatpersonen. So finanzierten Millionen von Kleinspendern Sanders Kampagne. 99 Prozent der Spenden belaufen sich auf jeweils weniger als 250 US-Dollar.

Programmatisch knüpfte Sanders Kampagne an Forderungen an, die erstmals 2011 durch die außerparlamentarische Bewegung »Occupy Wall Street« (OWS) in der breiten Öffentlichkeit Gehör fanden. Angesichts der sozialen Ungleichheit und wachsender Prekarisierung forderten Studierende und weitere Gruppen von gutausgebildeten, lohnabhängigen Mittelschichten von der Regierung Obama eine Anti-Krisenpolitik zu forcieren, die die Opfer der Krise unterstützt. Der Protest der OWS-Bewegung speiste sich aus der wachsenden sozialen Ungleichheit, die vielerorts als »Korruption«, »Gier« und »Betrug« begriffen wurde, welche durch die Macht des 1 Prozent, verkörpert durch die Wall Street, begründet ist.

»Sanders Referenz- und Orientierungspunkt im Wahlkampf ist der idealtypische, westeuropäische, vor allem der skandinavische Wohlfahrtsstaat, nicht die schwankende Bolivarische Revolution in Venezuela oder gar die Oktoberrevolution. So fordert Sanders vielmehr als linke Highroad aus der Krise eine Art Social Green Deal und die Abschöpfung von unproduktivem Überschusskapital und Großvermögen zur Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur und erneuerbarer Energien, die Erleichterung des gewerkschaftlichen Organizing durch Stärkung der Tarifverhandlungsmacht der Lohnabhängigen und die Erhöhung eines flächendeckenden Mindestlohns in Höhe von 15 Dollar, Einführung einer kostenlosen öffentlichen Krankenversicherung und eines gebührenfreien Studiums.« 2)

Bedeutend war an Sanders Kampagne die Tatsache, „dass zig Millionen AmerikanerInnen (…) mittlerweile die Botschaft vernommen haben, dass nur eine soziale Massenbewegung – Sanders spricht von einer »politischen Revolution« – in der Lage wäre, einen politischen Kurswechsel im Interesse der Lohnabhängigen-Mehrheit auch durchzusetzen. Wählen alleine reiche nicht.« 2)

Quellen:

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Bernie_Sanders
  2. Ingar Solty: Warum gibt es in den USA Sozialismus?, Sozialismus, 3/2016, S.2-6

Eine außenpolitische Strategie ist nicht erkennbar – wahrscheinlich auch für Donald Trump selbst. Seine Äußerungen waren offenbar von den Erfordernissen des Wahlkampfes bestimmt und zum Teil so verstörend, dass sie in seiner Partei Gegenkräfte auf den Plan riefen. »Der größte Teil der republikanischen Außen- und Sicherheitspolitiker hatte eine Trump-Präsidentschaft offen für gefährlich erklärt… Eliot Cohen, ein Vertrauter der früheren (republikanischen) Außenministerin Condoleeza Rice, hatte im Frühling 122 Republikaner dazu bewegt, in einem offenen Brief anzukündigen, in einer Trump-Regierung nicht mitzuwirken. Jetzt fordert Cohen die Unterzeichner auf, doch ihre Arbeit zu tun.« (FAZ 14. 11. 2016) So ist nun damit zu rechnen, dass Trumps Regierungsmannschaft ein außenpolitisches Konzept erarbeitet, das er in den kommenden Monaten vorstellen wird.

Was sagen die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl?

Der Vergleich von Trump und seinem Wahlkampf mit der Situation in europäischen Industriestaaten zeigt vor allem große Unterschiede. Trump trat nicht auf als Mann der Prinzipien, als Ideologe, er ist Pragmatiker, das unterscheidet ihn von den klassischen europäischen Rechtspopulisten. Die Gemeinsamkeit liegt in der nationalistischen Phrase, die allerdings in den USA eine andere Tradition hat als in Europa. Während der Nationalismus nach zwei Weltkriegen in der alten Welt, und vor allem in Deutschland, lange Zeit diskreditiert war, gab es diesen Bruch mit dem Nationalstolz in den Vereinigten Staaten nicht. Bei Wahlen spielen Politiker aller Lager dort die nationale Karte und erklären Amerika und die Amerikaner zum Geschenk Gottes an die Menschheit.

Trump trat vor allem auf als Verkörperung des amerikanischen Traums, in seinem speziellen Falle allerdings nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern vom Multimillionär zum Milliardär. Deshalb haben ihm Spott und Häme aus seinen eigenen Kreisen nicht geschadet, als zum Beispiel Warren Buffet ihn provozierte, er werde seine eigene Einkommenssteuererklärung veröffentlichen, wenn Trump dies auch täte. Hillary Clinton hatte bekanntlich ihre Steuererklärung bereits frühzeitig veröffentlich.

Seine persönlichen Angriffe auf Clinton, die in der Ankündigung gipfelten, sie im Falle seiner Wahl ins Gefängnis zu stecken, wurden von vielen sicherlich nicht ernst genommen. Aber auch das schadete ihm nicht. Die Abneigung, ja der Hass vieler seiner Wähler auf das so genannte New Yorker Establishment, also auf einen sichtbaren, identifizierbaren Teil der herrschenden Klassen verband Donald Trump mit seinen Anhängern, weshalb er sich solche Ausfälle leisten konnte.

Manches ist bereits heute klar: Es wird keinen Umstieg der amerikanischen Industrie in das Kohle- und Stahlzeitalter geben. Rationalisierung und Automatisierung in Industrie und Dienstleistungsbereich werden nicht rückgängig gemacht werden. Der technische Fortschritt, z.B. in Gestalt der Elektroautos, wird weiterhin massenhaft Arbeitsplätze vernichten. Falls Trump bestehende Handelsabkommen neu verhandeln und für die USA günstiger abschließen würde, was keinesfalls feststeht, würde das den US-Unternehmern nützen; ob davon auch die lohnabhängigen Klassen profitieren würden, ist dagegen völlig unklar. »Make America Great Again« meint in den Augen seiner proletarischen Wähler, dass sie wieder gut bezahlte Arbeitsplätze haben werden. In den Augen der bürgerlichen Klassen bedeutet die Parole, dass sie die Vorherrschaft gegen Länder wie Russland und China bewahren können, dass sie ihre Konkurrenten aus dem Feld schlagen können. Das heißt aber unter kapitalistischem Vorzeichen, den Druck auf die Arbeiterklasse weiter zu erhöhen, die Produktivität schneller zu steigern als die Konkurrenz. Selbst wenn er sein Versprechen für die bürgerlichen Klassen einlösen könnte – woran man durchaus zweifeln kann –, würde das nicht automatisch bedeuten, dass auch die Wünsche und Hoffnungen der lohnabhängigen Klassen erfüllt würden.

Die Gemeinsamkeiten zwischen der Trump-Wahl, dem Brexit und dem Aufstieg des so genannten Rechtspopulismus in Europa wurzeln in dem anhaltenden Druck auf die lohnabhängigen Klassen infolge der dramatischen Produktivitätssteigerung durch Automation und Rationalisierung, der nicht oder nur teilweise durch wachsende Absatzmärkte gemildert werden kann. Selbst in Ländern wie Deutschland, wo die Arbeitslosigkeit nominal niedrig ist, und wo es wie in der Baubranche ohne ausländische Arbeitskräfte Produktionsengpässe gäbe, sind in den vergangenen Jahren viele annehmbar bezahlte Arbeitsplätze durch Teilzeitjobs und niedriger vergütete Stellen im Handel und der Logistik ersetzt worden. Zudem wird der Druck mächtiger Handelspartner, wie China und USA, auf die europäischen Exporteure nicht nachlassen, Produktionsstätten auf ihrem Territorium zu errichten, auch um die sozialen Probleme in ihren Ländern abzumildern.

Die Ergebnisse der Meinungsumfragen zu und nach den Wahlen sind sicherlich mit Vorsicht zu genießen und nicht penibel genau zu nehmen. Doch ist es plausibel, dass der Protest gegen »die Politik«, das politische Establishment oder wie immer man die Repräsentanten der parlamentarischen Demokratie bezeichnen will, nicht in erster Linie von den untersten Schichten der lohnabhängigen Klassen ausgeht. In vielen Fällen sind es Menschen, die durchaus noch gute und sichere Jobs haben, die aber ahnen, dass es ihren Kindern und Enkeln in Zukunft eher schlechter gehen wird. Diejenigen, die sich ganz abgehängt fühlen, beteiligen sich schon lange nicht mehr an Wahlen, weil sie sich davon nichts versprechen. Das Wählen und mehr noch die Beteiligung am Wahlkampf ist aktives Eingreifen und setzt in der Regel – selbst bei Protestwählern – die Hoffnung auf eine Wirkung des eigenen Handelns voraus.

Regierungen von großen, wirtschaftlich starken Staaten haben einen gewissen Einfluss auf Wirtschaft und Konjunktur, dafür sind die USA und in neuerer Zeit China herausragende Beispiele. Aber sie können nicht auf Dauer die Folgen der Profitwirtschaft und der daraus resultierenden Überproduktion im Kapitalismus abwenden, weil die Weltwirtschaft zu groß ist, um von einem sei es noch so mächtigen Mitspieler bestimmt zu werden. Eine Folge davon ist, dass es auch Donald Trump nicht in der Hand hat, die Hoffnungen seiner lohnabhängigen Wähler zu erfüllen. Wir wissen heute nicht, welche Reaktionen das in der Zukunft bei seiner heutigen Wählerschaft auslösen wird. Wir können auch nicht wissen, ob die Menschen, die mit Bernie Sanders eine »sozialistische«, wir würden sagen: sozialdemokratische, Alternative zum Präsidentschaftskandidaten küren wollten, sich politisch weiter nach links, in unsere Richtung bewegen werden und ob es möglich ist, dass sie ehemalige Trump-Wähler zu sich ziehen können. Aber es steht für uns außer Frage, dass das Entstehen einer aktiven Arbeiterbewegung in den USA große Ausstrahlungskraft nach Europa haben würde.

18.12.2016


[1] Die offizielle Schätzung der Arbeitslosenquote für 2016 in den USA liegt bei 4,9 Prozent. Allerdings tauchen viele Erwerbslose im Alter zwischen 25 und 56 Jahren nicht mehr in der Statistik auf, weil sie sich nicht mehr arbeitssuchend melden. Die Beschäftigungsquote aller Amerikaner im erwerbsfähigen Alter (16 Jahre und älter) betrug im Oktober 2016 62,8 Prozent (zum Vergleich Deutschland rd. 75 Prozent)

2) Was mit Nafta, dem Freihandelsabkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko, geschehen soll, bleibt einstweilen unklar. Nafta war ursprünglich ein republikanisches Projekt, das unter Präsident George Bush sen. in Kraft trat, allerdings auch von seinem demokratischen Nachfolger Bill Clinton unterstützt wurde.


aus Arbeiterpolitik Nr. 4 / 2016

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