So geht’s – Streik bei der finnischen Post

Korrespondenz

Ein weiteres Beispiel gewerkschaftlicher Solidarität

Am 11. November legten ca. 10.000 Beschäftigte der staatlichen finnischen Post ihre Arbeit nieder. Der Streik ist für den Zeitraum von vier Wochen geplant. Grund dieser Arbeitsniederlegung ist die geplante Senkung der Löhne durch den Übergang in eine neue Tarifgemeinschaft, von der Post- und Logistikunion (PAU) in die der Industriegewerkschaft. Dieser Übergang ist mit einem Lohnverlust von 30 bis zu 50 Prozent verbunden. Beide Gewerkschaften sind Mitglied des finnischen Gewerkschaftsbundes SAK. Die Post begründet diesen Schritt mit der notwendigen Einsparung von 60 Millionen Euro, da die Verluste durch die Digitalisierung – geringere Papierpost, bei Aufrechterhaltung der Pflicht auch weit auseinander liegende Orte zu beliefern, enorm seien.

Bereits Anfang September legten an neun Orten Finnlands Beschäftigte für einige Tage die Arbeit nieder. Auslöser dieser Streiks war die Ankündigung, 700 Beschäftigte aus der Postsortierung in eine neue Gesellschaft zu überführen, die Postdienste, die dann den Tarifen der Industriegewerkschaft unterworfen waren. Statt 2.100 Euro sollten sie dann, wie oben schon angemerkt, dreißig bis fünfzig Prozent weniger Lohn erhalten. Nicht nur die 700 Betroffenen gingen in den Streik, sondern auch ihre Kolle-gen aus dem weiteren Postbereich. Zeitgleich wurde bekannt, dass sich der Vorstandsvorsitzende der Post innerhalb kurzer Zeit den Lohn um vierzig Prozent erhöht hatte; er verdient im Monat über 80.000 Euro. Die Veröffentlichung dieser Dreistheit brachte die Regierung mit dem Ministerpräsidenten Antti Rinne und der zuständigen Ministerin Sirpa Paatero in Verlegenheit. Sie mussten das Verhalten des Postvorstandes kritisieren. Noch während der Diskussion um die Gehälter des Vorstandes wurde bekannt, dass nicht nur 700 Postbeschäftigte der Sortierung, sondern 8.000 der insgesamt 20.000 Beschäftigten von der Verschlechterung durch den Übergang in den Tarifvertrag mit der Industriegewerkschaft betroffen sein sollten.

Es kam zu einem »Timeout«, einer Unterbrechung des Streiks, der nun, wie einleitend beschrieben, am 11. September durch neue, das ganze Land umfassende Streikmaßnahmen wieder aufgenommen wurde. Mit der Ausrufung des Streiks, der für vier Wochen geplant ist, erklärten die Gewerkschaften der Transportarbeiter AKT, die mit dem Gütertransport beschäftigten Eisenbahner der Gewerkschaft des Öffentlichen Sektors JHL und der RAU, die Gewerkschafter der Luftfahrtsunion IAU, das sie mit Streiks ihrerseits, den Transport von Post verhindern wollen. Die Mitglieder der Seemannsunion MMU wollen mit einer schrittweisen Steigerung der Aktivitäten in den Arbeitskampf eingreifen:

  • Ab dem 18. November 6 Uhr wird keine Post mehr verladen; das betrifft Last- und Passagierfahrzeuge mit Postsendungen im Auslandsverkehr.
  • Am 21. November wurden die Unterstützungsstreiks ausgeweitet. Lediglich Autos und Busse (Personenverkehr) werden an Deck von Passagier- und Ropax-Schiffen gelassen, Lastwagen, Tankfahrzeuge und Anhänger müssen an Land bleiben.
  • Die gewerkschaftlich Organisierten (das ist die überwiegende Mehrheit) der Eisbrecherbesatzungen werden ebenfalls Solidaritätsstreiks unternehmen.
  • Ab Montag, dem 25. November sollen bei Fortdauer des Streiks alle Schiffe unter finnischer Flagge im Hafen verbleiben.

Die Unterstützung endet nach Aussage der Seemannunion erst mit einem Abkommen zwischen der Postgewerkschaft PAU und der Post. Nachdem am 15. und 17. November die ersten Schlichtungsgespräche scheiterten, erklärte die Führung der Gewerkschaft PAM (Servicegewerkschaft im Privaten Sektor), dass ihre Mitglieder ab Montag dem 25.11. für den Fall, dass es bis dahin zu keiner erfolgreichen Schlichtung kommt, keine Servicestationen der Post mehr aufrechterhalten werden. Die Bevölkerung steht nach Aussage der Gewerkschaf-ter mehrheitlich hinter dieser Maßnahme. Die Transportarbeitergewerkschaft AKT hat die organisierten Mitglieder aufgefordert, ab dem 25. November den öffentlichen Busverkehr im südfinnischen Landesteil Uusimaa (Region Helsinki) zu bestreiken.

Dieser Streik ist ein politischer Streik, der in die Regierungszeit einer sozialdemokratisch geführten Regierung (Sozialdemokraten, Zentrumspartei, Linksverband, Grüne, Schwedische Volkspartei) fällt, geführt von Gewerkschaften eines durchaus sozialdemokratischen Gewerkschaftsbundes, des SAK. Der Streik wird erneut zu einer Diskussion über die Legitimität von Solidaritätsstreiks führen. Die letzten politischen Solidaritätsstreiks richteten sich gegen die Massnahmen zur Disziplinierung von Arbeitslosen der bis zum März 2019 amtierenden konservativen Regierung unter Führung des Zentrumspolitikers Sipilä (siehe arpo 5/6 2018). Deren Legitimität wurde von einer knappen Mehrheit der Bevölkerung befürwortet. (1)

18.11.2019


  1. Politische Streiks sind im Gegensatz zur deutschen Rechtssprechung in Finnland zulässig. Lediglich Arbeitskämpfe für Tarifforderungen, die in die Laufzeit von Tarifverträgen fallen, sind untersagt.

aus: Arbeiterpolitik Nr. 3/4 2019

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