Kraftvolle Demonstration gegen Rechts
und den III. Weg in Siegen

Korrespondenz

Demo gegen den III.Weg am 10.07.2020 in Siegen mit über 1.200 Teilnehmer*innen
Quelle: Irina Mirja Fotowelt

Am 10.07.2020 fand in Siegen eine Demonstration mit Kundgebungen (zu Beginn und am Ende der Veranstaltung) gegen die Eröffnung des Parteibüros des III. Weges statt. Aufgerufen hatte das „Siegener Bündnis für Demokratie“, unterzeichnet vom DGB-Regionsgeschäftsführer Ingo Degenhardt und vom Dezernenten der Stadt Siegen (Soziales usw.) André Schmidt (CDU), sowie das (neu gegründete, linke) Bündnis „Siegen gegen Rechts“.

Das neueröffnete Parteibüro der rechtsextremen Organisation in Siegen ist nach Plauen das zweite Parteibüro in Deutschland und soll als Keimzelle der weiteren Ausbreitung im Westen dienen. Seit ca. 2 Jahren hat sich diese Neo-Nazi-Organisation in Siegen mit „Info“-Ständen und etwas kläglichen Demo-Versuchen provozierend bemerkbar gemacht. Die Organisation gilt als Sammlungsbewegung verschiedener Nazi-Organisationen bis ins NSU-Umfeld.

Trotz Corona-Bedingungen und etlicher Auflagen (u.a. Verlegung wegen Größe der Teilnehmerzahl von der Innenstadt mehr an den Stadtrand, Demo-Teilnehmerzahl nicht größer als 400, namentliche Erfassung durch den Organisator) kamen am Versammlungs- und Kundgebungsort ca. 1.200 Leute zusammen (Polizei und Siegener Zeitung meldeten 1000). Es überwogen deutlich jüngere Jahrgänge. In der Studentenstadt Siegen gibt es unter 100.000 Einwohner*innen ca. 16.000 Studierende. Gruppen von Studenten und aus der Bewegung Fridays For Future waren hör- und sichtbar, die linke Siegener Szene war gekommen, Gewerkschafter*innen, aber auch viele Unorganisierte und Kirchen-Aktive waren anwesend. Zudem sollen einige Linke aus Bremen, Augsburg und anderen Städten teilgenommen haben. Auch Siegener Politiker-Prominenz aus Grünen, SPD und FDP waren vereinzelt zu sichten. Aufgrund der großen Teilnehmerzahl wurde die namentliche Erfassung als freiwillig bezeichnet, trotzdem trugen sich viele in eine Liste ein.

Obwohl die Größe der Demo-Schilder und Transparente begrenzt sein sollte, wurden doch auch Transparente mit Übergröße entfaltet, u.a. eines der IG-Metall. Viele Banner und Pappschilder hatten einen dezidiert linken Inhalt (u.a. von VVN, Studenten, FAU u.a.), aber auch viele andere zeigten ihren Ärger und Meinung zum III.Weg (Siegen bleibt bunt u.a.). Für besonderes Aufsehen sorgte ein Slogan: „Der III.Weg endet in Stalingrad“. Die erste Hälfte der ca. 10 Redner*innen machte sich Luft zu den Umtrieben der Rechten, betonte die Vielfältigkeit der Siegener Bevölkerung und rief zu größerer Aktivität gegen Rechts auf. Bemerkenswert waren ein Linken-Beitrag zu den örtlichen Verquickungen von regionaler Nazi-Szene zum III.Weg und eine kämpferische Rede einer FAU-Kollegin.

Danach sollte sich der Demo-Zug formieren. Hierbei wurde von den Veranstaltern nochmals die Begrenzung auf 400 Teilnehmer*innen betont; dies würde durch die Polizei kontrolliert. Deshalb sollten sich die Organisationen mit Transparenten und Blockbildung an der Spitze des Zuges formieren. Es kam zu einer etwa 30-minütigen Abmarsch-Verzögerung, weil deutlich mehr Teilnehmer*innen sich im Zug befanden und weil die Polizei im Schwarzen Block mit ca.30 Personen eine verbotene Vermummung festgestellt hatte (Gelächter bei den Versammelten). Schließlich setze sich der Demo-Zug in Bewegung, wobei dann doch ca. 800 Menschen mitmarschierten. Der Rest von ca. 400 harrte etwa eine Stunde bis zur Rückkehr des Demo-Zuges auf dem Kundgebungsplatz aus; nur wenige verloren die Geduld und verließen den Ort.

Die Demo-Strecke war von der Polizei aus Infektionsschutzgründen (!) auf ca. zwei Kilometer gekürzt worden. Sie führte durch die Innenstadt mit weiteren kurzen Kundgebungen am Bahnhof und am Einkaufszentrum und streifte auf einer Länge von ca. 500 Metern das Stadtteil-Carré, in dem sich auch das neu eröffnete III.Weg-„Büro“ befindet, zurück zum Kundgebungsplatz. Das Quartier war mittlerweile von der Polizei hermetisch abgeriegelt worden – mehrere Polizei-Wannen und Polizisten an jeder Straßenzufahrt und an jedem Zugang – damit das provozierende Propaganda-Haus unbeschädigt bleiben würde.

Die Demonstration verlief insgesamt sehr friedlich, war laut und in einer geradezu fröhlichen Atmosphäre. Antikapitalistische Sprüche, Antinazi-Slogans und Aufrufe zur internationalen Solidarität wurden hauptsächlich skandiert. Lediglich ein Flaschen-Wurf aus dem Schwarzen Block führte zu etwas Aufruhr und zur hektischen Geschäftigkeit des Polizei-Kamera-Teams (6er-Gruppe).

Auf dem Kundgebungsplatz wurden dann noch weitere Reden zu Toleranz und zum Zusammenhalt der Bürger gehalten; es wurde dazu aufgerufen, an weiteren Aktionen gegen den III.Weg teilzunehmen. Nach etwa zweieinhalb Stunden war die gesamte Veranstaltung gegen 20 Uhr beendet.

Erwähnenswert ist noch, dass der gesamte Kundgebungsplatz von Polizeieinheiten weiträumig umringt blieb und ein Kamerawagen mit hoher Teleskop-Kamera die Menge insgesamt immer wieder abfilmte. Auch die Absperrung des Stadtteil-Carrés wurde aufrechterhalten. Die Polizeieinheiten (mindestens zwei Hundertschaften) blieben noch bis spät in die Nacht vor Ort und hielten vor dem „Büro“-Gebäude des III.Weges Wache.

Das verrammelte Parteibüro des rechtsextremen III.Weges

Die Koalition von CDU und Grünen im Stadtrat hat sich deutlich gegen die Existenz des „Büros“ der Nazis gestellt. Eine Resolution im Stadtrat, die den Vermieter auffordert, den Mietvertrag wieder zu kündigen, wurde von allen Fraktionen bis auf die AfD mitgetragen. Alle rechtlichen Möglichkeiten sollen in die Wege geleitet werden, um diese Nazi-Partei wieder zu vertreiben.

Für Siegener Verhältnisse waren die Demonstration und die Kundgebungen eine kraftvolle Stellungnahme gegen Rechts und insbesondere die Präsenz des III.Weges in Siegen. Trotz Corona-Einschränkungen und polizeilichen „Schutz“maßnahmen haben Linke und kritische Bürger*innen gezeigt, dass sie sich den Rechten in den Weg stellen wollen.

Was davon an Stärke sich wird stabilisieren können, hängt nicht zuletzt von den örtlichen Gewerkschaftsorganisationen ab. Das Siegener IG-Metall-Verwaltungsgebäude befindet sich in dem selben Quartier, wie das III.Weg-„Büro“ (150m Luftlinie). Die IG-Metall-Jugend war mit großem Transparent („Wir für mehr Menschlichkeit“) vertreten, verdi hat seine Mitglieder per Mail mehrfach zur Teilnahme aufgerufen, der DGB-Regionsgeschäftsführer in Siegen ist Hauptunterzeichner des Aufrufs zur Demonstration. Andererseits hat kein Gewerkschaftsvertreter einen Wortbeitrag zustande gebracht, es waren insgesamt nur wenige gewerkschaftliche Plakate und Transparente sichtbar, zu wenige Kolleg*innen aus Büros und Betrieben waren organisiert anwesend. Auch hier wird sich zeigen, ob die Kraft der gewerkschaftlich Aktiven ausreicht, um mehr Präsenz und Kampfbereitschaft gegen Rechts zu mobilisieren und die Gewerkschaftsführung aus ihrer Deckung zu zwingen.

Eine gute Nagelprobe hierfür wird es am 8.August im nahegelegenen Olpe geben, wo ein weiterer Aufmarsch des III.Weges geplant ist.

SI, Juli 2020


Eine Fotostrecke der Demo findet Ihr hier.


aus Arbeiterpolitik Nr. 3/4 2020

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