Kurze Darstellung und Wertung der Tarifverhandlung und des Ergebnisses im Öffentlichen Dienst

Der Tarifvertrag für die ca. 2,3 Millionen betroffenen Beschäftigten lief zum 31.8.2020 aus.
ver.di und dbb legten eine Forderung von 4,8 % (mindestens 150 €) mit einer Laufzeit von 12 Monaten auf den Tisch. Erst nach der 2. Verhandlungsrunde legte die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ein „Angebot“ nach von 3,5 % (im 1. Jahr mindestens 30 €) auf 36 Monate verteilt. Dies konnte bei den Beschäftigten nur als Provokation gewertet werden.

Warnstreik – Quelle: Wikimedia

Seit dem 1.9.2020 haben verschiedene Aktionen stattgefunden: Info-Stände, Vertrauensleute-Zusammenkünfte, Ausbau „neuer“ Kommunikationsverfahren, sowie Warnstreiks ab dem 29.9. zunächst lokal für einzelne Betriebs- und Verwaltungsteile, dann für komplette Stadtverwaltungen und Krankenhäuser, letztlich auf Bezirks- und Landesebene in allen Bezirken. Die Beteiligung an den Streikaktionen war je nach Verwaltungen unterschiedlich – teilweise recht enttäuschend, an Krankenhäusern jedoch aktiver als zuvor.

Die 3. Verhandlungsrunde (3 Verhandlungstage) am 25.10.2020 brachte dann eine Einigung zustande. Damit wurde ein unbefristeter Durchsetzungsstreik abgewendet, der zwangsläufig bei Nichteinigung in der Abfolge immer näher gerückt ist.

Es wurden im Wesentlichen vereinbart: zum 1.4.2021 eine Steigerung von 1,4 % (mindestens 50 €), zum 1.4.2022 weitere 1,8 %, eine gestaffelte Corona-Prämie von 600,-€ für die niedrigsten Eingruppierungen, bzw. 400,- oder 300,-€ in 2020. Einzig im Bereich Pflege werden weitere Zulagen gezahlt, die zu einer deutlich höheren Entgeltsteigerung führen. Sie betreffen aber nur die wenigen Mitarbeiter der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in kommunaler Trägerschaft. Die Kolleg*innen bei den Sparkassen erhalten die Erhöhungen mit dreimonatiger Verzögerung. Die Laufzeit beträgt 28 Monate, also bis zum 31.12.2022.

Rechnet man das Ergebnis auf ein Jahr um, macht dies (trotz der vielen Differenzierungen) ca. 1,4 % aus. Damit wird in etwa die Inflationsrate getroffen. Im Vergleich zum ursprünglichen, als „Provokation“ bezeichneten AG-Angebot von 3,5 % über 36 Monate = 1,2 % pro Jahr konnte keine bemerkenswerte Steigerung erreicht werden.

Die Gewerkschaft wertet das Ergebnis als respektablen Abschluss. Viele Kolleg*innen werden dem wahrscheinlich zustimmen. Andererseits kann man durchaus den Eindruck bekommen, dass der Abschluss durch die Gewerkschaft etwas vorschnell getätigt worden ist. Seehofer steht wegen der Pandemie stark unter Druck, und ein Streik von längerer Dauer hätte (gerade im Krankenhausbereich, selbst mit geringerer Beteiligung) durchaus Durchsetzungschancen gehabt. Bei der Streikleitung und der Gewerkschaftsführung war die Angst wohl zu groß, nicht genügend Streikbeteiligung mobilisieren zu können.

Die Gewerkschaften waren in keiner Weise an einer massiven Auseinandersetzung interessiert. Sie wollten ursprünglich die Tarifrunde auf das nächste Jahr verschieben, weil sie befürchteten, unter den Bedingungen der Pandemie nicht handlungsfähig zu sein. Zudem konnte man sich mit einem moderaten Abschluss wieder einmal als eine besonders in Krisenzeiten staatsverantwortliche Institution beweisen.

Die Diskussion des Verhandlungsergebnisses hat innerhalb von ver.di über online-Kanäle stattgefunden. Angeblich kam kein größerer Widerspruch. Somit ist das Ergebnis von der BTK mit 86 ja-Stimmen, einer Enthaltung und einer Gegenstimme angenommen worden.

g. 03.11.2020


aus Arbeiterpolitik Nr. 1/2 2021

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