Reaktionen auf den Ukraine-Krieg in Griechenland

Korrespondenz

Große Teile der griechischen Bevölkerung stehen der NATO weitaus kritischer gegenüber, als dies in Deutschland der Fall ist. Dies hat seine Gründe in der Unterstützung der Militärjunta (1967-1974) durch die USA und die CIA. Alljährlich am 17. November wird in Massendemonstrationen zur amerikanischen Botschaft und Gedenkveranstaltungen am Polytechnikum des Aufstandes gegen die Militärdiktatur im Jahr 1973 gedacht.

Es fällt deshalb der griechischen Regierung und der ihr wohlgesonnenen Presse schwerer als der Bundesregierung und unseren Massenmedien, die Beteiligung der NATO am Entstehen des Ukraine-Kriegs zu verschleiern oder zu verschweigen. Wer die Osterweiterung der Nato und deren massive Rüstungsexporte an die Ukraine kritisiert, der relativiere oder rechtfertige die russische Aggression; diese Unterstellung findet in Griechenland kein so großes Gehör.

Beschäftigte der griechischen Bahn (TRAINOSE) boykottieren den Transport von Rüstungsgütern in die Ukraine

„Wir fordern, dass das rollende Material der Eisenbahn unseres Landes nicht für den Transport von US-NATO-Arsenalen in die Nachbarländer verwendet wird. Wir verurteilen die Drohungen des Arbeitgebers gegenüber den TRAINOSE-Beschäftigten, die sich geweigert haben, sich an der technischen Sicherung der Lokomotiven zu beteiligen, die in diesen Tagen NATO-Panzer aus dem Hafen von Alexandroupolis transportieren.“

Dies berichtete die „Rizospasis“, Zeitung der KKE (Kommunistische Partei Griechenlands) Anfang April über den seit 14 Tagen andauernden Konflikt. Die Gewerkschaften der Arbeiter der chemischen Industrie Nordgriechenlands, der Privatangestellten des Verwaltungsbezirks Thessaloniki, der Angestellten der „Speedex“, der Bauarbeiter von Thessaloniki, der Arbeiter der Aufzugswartung, der Arbeiter der Telekommunikationsinformatik von Thessaloniki und der Arbeiter der Lebensmittel- und Getränkeindustrie von Zentralmazedonien, Metall- und Schiffbauindustrie von Zentralmazedonien fordern in einer Resolution:

„Keine Verwicklung unseres Landes in die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine, die für die Profite einiger weniger auf Kosten der Völker ausgetragen werden. Wir prangern die Drohungen der Arbeitgeber gegen TRAINOSE-Arbeiter an, die sich weigerten, an der technischen Sicherung der Lokomotiven teilzunehmen, die in diesen Tagen NATO-Panzer aus dem Hafen von Alexandroupolis transportieren, und wir fordern, dass das rollende Material unseres Landes nicht für den Transport von US-NATO-Arsenal in die Nachbarländer verwendet wird. … Die Eisenbahner arbeiten für billige, qualitativ hochwertige Transporte für die Menschen und für Waren, die zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse genutzt werden, NICHT um Teil der Beteiligung des Landes an Plänen zu sein, die für die Menschen gefährlich sind, indem sie NATO-Kriegsmaterial in die Außenbezirke der Ukraine transportieren. Wir werden uns nicht mitschuldig machen, wenn die Kriegsmaschinerie durch die Gebiete unseres Landes rollt. …“

„Selenskyj schleust Rechtsextremisten ins griechische Parlament“

 Unter dieser Überschrift berichtete Wasssilis Aestopoulos am 8. April über den Auftritt des ukrainischen Präsidenten im griechischen Parlament. Er schreibt u.a.: Zwar bekennen sich alle relevanten politischen Akteure weiterhin zur Solidarität mit den leidenden Ukrainern. Selenskyjs Ruf als Vorkämpfer für Freiheit, Solidarität und demokratische Werte aber hat in Griechenland und Zypern erheblichen Schaden erlitten.“ Was war geschehen? Nach kurzer Ansprache durch den Parlamentspräsidenten Tasoulas wurde Selenskyj mit Applaus begrüßt. Er hielt eine Rede in dem Stil, den er auch in den anderen Parlamenten seiner Alliierten gewählt hat, wo er historische Parallelen zog. … Mariupol und Odessa waren einst mit griechischer Beteiligung und Präsenz gegründet worden und beherbergten lange die größten Auslandsgemeinden der Welt. Selenskyj zog Parallelen zum Widerstand der 300 Kämpfer des Spartanerkönigs Leonidas gegen die Perser. Er übernahm die Parole der griechischen Revolutionäre von 1821, ‚Freiheit oder Tod!‘ – und übergab überraschend das Wort an zwei der Verteidiger von Mariupol. Beide gehören der griechischen Minderheit an und kämpfen, wie sie selbst bekanntenfür das Asow-Regiment. Das Asow-Regiment gilt in Griechenland wegen seiner Symbolik, der umgekehrten Wolfsangel und, in früheren Abzeichen, der schwarzen Sonne, aber auch aufgrund von Berichten von Geflüchteten der griechischen Minderheit als Synonym für Nazis.“

Video-Ansprache von Wladimir Selenskyj vor dem griechische Parlament am 08. April 2022
Kämpfer des Azow-Regiments Leont Mikhail in der Video-Ansprache

Der Auftritt löste Empörung auf der Linken des Parlaments aus. Die KKE hatte beschlossen die parlamentarische Sondersitzung zu boykottieren wegen des Verbots der Kommunistischen Partei in der Ukraine und weil zwei Fraktionsmitglieder dort zu unerwünschten Personen erklärt worden waren. Der Generalsekretär der KKE bekräftigte am Donnerstagmorgen noch einmal seine Kritik an dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, den er als ‚reaktionären Imperialisten‘ einstufte. Er betonte, dass er und seine Partei solidarisch mit der Widerstand leistenden Bevölkerung der Ukraine seien.“ Die Partei Mera25 von Yannis Varoufakis war nur durch ihren Fraktionssprecher anwesend. Der Vertreter der Mera25 sowie zahlreiche Parlamentarier von SYRIZA verließen während der Rede aus Protest den Saal. Stehende Ovationen gab es nur von den Abgeordneten der Regierungspartei Nea Demokratia (ND) und der KINAL, ehemals die sozialdemokratische PASOK. Aber auch innerhalb von ND und KINAL gab es kritische Äußerungen zu diesem Auftritt von Selenskyj.


aus Arbeiterpolitik Nr. 3 / 2022

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