Nuklearkrieg – Na und?

Kommentar

Atomexplosion – Quelle: Wikipedia

»Wir sind in einem Krieg«, sagte die grüne Außenministerin Baerbock am 18. September. Dafür war zehn Tage zuvor Sahra Wagenknecht von der Linken beschimpft und diffamiert worden. Wagenknecht hatte in ihrer Bundestagsrede gewagt, das Offensichtliche auszusprechen, dass Deutschland einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Russland führe. Sie meinte damit die Wirtschaftssanktionen, u. a. den Stopp von Nordstream 2, das Erdölembargo, die seit dem Angriff Russlands gegen die Ukraine verhängt wurden. Baerbock hatte schon am 25. Februar das Ziel genannt: »Das wird Russland ruinieren.«

Baerbocks Äußerung bei Anne Will am 18. September erfolgte nach der Ankündigung Putins einer Teilmobilmachung der russischen Armee. Diese war eine Reaktion auf die empfindlichen Niederlagen der russischen Armee in den Wochen zuvor. Die ukrainische Armee befindet sich auf dem Vormarsch, der ihr ermöglicht wird durch die enormen Mengen an westlichen Waffen und der Unterstützung durch die satellitengestützte Aufklärung vornehmlich der USA. Dementsprechend begründete Putin die Teilmobilmachung damit, dass Russland der geballten Militärmacht des Westens gegenüber stehe. Außerdem fügte er an, dass eine existentielle Bedrohung der russischen Souveränität den Einsatz von Atomwaffen bedeuten würde.

Baerbock und Putin sind sich also einig: Der Westen führt in der Ukraine einen Krieg gegen Russland mit ukrainischen Soldaten und westlichen Waffen und westlichem Geld. Auch wenn es keine offizielle Erklärung des Kriegszustandes gibt, so ist er doch faktisch da und wir müssen uns darauf einstellen.

In einem Interview mit der FAZ (23.9.) wird die Russland-Expertin Sarah Pagung zu der russischen Teilmobilmachung und des möglichen Einsatzes von Atomwaffen befragt: »Eine nukleare Eskalation ist nicht auszuschließen, aber ich lese Putins Drohung als Zeichen seiner militärischen Schwäche.« Sie sieht das Offensichtliche: Die Eskalation folgt den Niederlagen auf dem Schlachtfeld. Deshalb sei ein Einsatz von Atombomben nicht auszuschließen. Wer das liest, könnte auf den Gedanken kommen: »Hoppla, das könnte gefährlich werden! Vielleicht sollte man jetzt mal schauen, wie man zu Verhandlungen kommt.«

Doch weit gefehlt. Pagun weiter: »Ich halte Putins Drohung für einen Bluff. (…) Wir sollten also nicht auf Putins Bluff eingehen, denn das hieße, dass wir uns von autoritären Systemen mit nuklearer Bewaffnung schachmatt setzen lassen.«

Logik: Wenn der Gegner Schwäche zeigt, muss man nachsetzen. »Rufe nach Panzerlieferungen werden lauter«, titelt der WDR am 12.9. . Die Stimmen kommen unter anderem aus der FDP, den Grünen, der CDU. Bundeskanzler Scholz zögert noch etwas, da er einen direkten Konflikt mit Russland befürchtet. Zunehmend beherrscht die Logik des Krieges das Denken und die Diskussionen: Der WDR zitiert den russischen Botschafter in Berlin, Deutschland habe mit der Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine eine rote Linie überschritten. Dann mache »eine intensivere Unterstützung der Ukraine (…) auch keinen Unterschied mehr«, so Thorsten Benner von einer Berliner Denkfabrik daraufhin. Und der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter bedient dieselbe Logik: »Indem er von ‚nuklearer Eskalation‘ spreche, bediene Putin eine ‚typisch-deutsche Angst‘ (…) Dieser ‚Schimäre‘ dürfe man nicht aufsitzen. ‚Es gilt, dem Treiben Russlands Einhalt zu gebieten.‘« („Anne Will“: Annalena Baerbock äußert sich zu Panzerlieferungen – t-online.de)

Anscheinend müssen die Deutschen mal zum Psychotherapeuten, um ihre »typisch-deutsche Angst« vor einem Atomkrieg behandeln zu lassen.

Oder auf die Straße.

(29.9.2022)


 

1 Kommentar

  1. 1.»Wir sind in einem Krieg«, sagte die grüne Außenministerin Baerbock.
    2. Baerbock und Putin sind sich also einig: Der Westen führt in der Ukraine einen Krieg gegen Russland mit ukrainischen Soldaten und westlichen Waffen und westlichem Geld.

    Mit diesen beiden Sätzen wird suggeriert, dass Baerbock sich mit Putin auch über den/die Verursacher dieses Krieges einig sei. Naja, das sehe ich nicht so.

    Ansonsten: Schönen Dank für all diese Zitate, die ich noch nicht kannte.

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