Nach der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl in Berlin

Korrespondenz

Stolperstein für die Koalitionsverhandlungen: die erfolgreiche Volksabstimmung zur Enteignung großer Immobilienkonzerne

Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen den Parteien, Konflikte in der SPD und weitere Anpassung der Linkspartei

Die Unfähigkeit vor allem der Berliner Bezirksämter die Wahlen im September 2021 ordnungsgemäß durchzuführen, machte deren Wiederholung notwendig. Damals schrieben wir: „Schon im Wahlkampf für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin machte Franziska Giffey deutlich, dass sie kein Interesse an der Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition hatte. Inhaltlich machte sie Wahlkampf mit Positionen, wie sie auch von den beiden bürgerlichen Oppositionsparteien (CDU und FDP) vertreten werden. Erstens mit dem Thema innere Sicherheit, das sie in den Vordergrund ihrer Wahlkampfauftritte stellte. Zweitens mit der strikten Ablehnung der Umsetzung der Volksabstimmung zur Enteignung von Deutsche Wohnen & Co sowie stärkerer staatlicher Eingriffe zur Deckelung der Mieten.

Von ihrem Wahlkampfkurs rückte die SPD-Spitzenriege um Franziska Giffey und Ralf Saleh auch in diesjährigen Wahlkampf nicht ab – mit verheerenden Ergebnissen für die Sozialdemokratie. Wurde die SPD im Jahre 2021 mit 21,4 Prozent noch die stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus, so sackte sie um weitere 3 Prozent ab. Auch die Grünen und die Linkspartei hatten leichte Verluste zu verzeichnen. Kometenhaft war der Aufstieg der CDU um 10 Punkte auf über 28 Prozent. Die FDP scheiterte an der 5-Prozent-Hürde. Die Absicht der SPD-Führung mit den Themen „Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit“ (Giffey in einem rbb-Interview) konservative Wählergruppen anzusprechen und zu gewinnen, war nach hinten losgegangen. Die Berliner Wähler*innen, die Unordnung und Chaos bei den Bezirksämtern mehrheitlich der SPD anlasteten, wählten lieber das für diese Fragen zuständige Original, die CDU. Die medial aufgeblasenen Silvester-Ereignisse verschafften den Vertretern von Sicherheit und Ordnung noch kurz vor der Wahl den nötigen Rückenwind.

Schon auf dem letzten Berliner SPD-Parteitag, der vor den Wahlen stattfand, hatte sich der Unmut über die eigene Führung Luft verschafft. Bei der Abstimmung setzte sich der Parteitag mit dem Beschluss, das Volksbegehren zur Enteignung großer Immobilienkonzerne umsetzen zu wollen, gegen die Empfehlungen des Vorstandes durch. Franziska Giffey wurde mit nur mageren 57 % zur Spitzenkandidatin gekürt. Nach der Wahlschlappe hielt die Berliner SPD-Spitze an ihrem Kurs in der Mietenpolitik fest, der von höchster Stelle, von Bundeskanzler Scholz, im Wahlkampf unterstützt wurde. Und die SPD-Führung setzte noch einen drauf. Angesichts des Wahlergebnisses entledigte sie sich der ungeliebten Koalitionspartner. Der SPD-Vorstand billigte die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU gegen erhebliche Vorbehalte und Kritik aus den Bezirksorganisationen. Diese befürchten weitere Stimmenverluste als Juniorpartner der Union. Einstellige Wahlergebnisse in ostdeutschen Bundesländern signalisieren, wohin die Reise gehen könnte. Damit dem Vorstand nicht die Parteigremien einen Strich durch die Rechnung machen können, soll erst die Mitgliedschaft nach einem Koalitionsvertrag befragt werden. Dort erhoffen sich Giffey und Saleh, nicht zu Unrecht, die notwendige Zustimmung nach der Präsentation vollendeter Tatsachen.

Zurück ließ die Berliner Sozialdemokratie fassungslose, ehemalige Koalitionspartner. Sowohl die Grünen als auch die Linkspartei hatten sich für eine Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition ausgesprochen, die auch nach den Wahlen über eine stabile parlamentarische Mehrheit verfügt hätte. Die öffentlich vorgetragene Empörung und Kritik ist wohl in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass beiden Parteien nun der Zugang zu den lukrativen Fleischtöpfen in der Verwaltung der Hauptstadt verbaut ist. Aufmerksamen Beobachtern der politischen Zustände in Berlin bleibt sowieso schleierhaft, wie insbesondere die Linkspartei ihre mietenpolitischen Vorstellungen unter einer regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey hätte durchsetzen können.

Aber die Fraktion der Berliner Linkspartei hat sich über die Regierungsbeteiligungen der letzten beiden Jahrzehnte zu einem festen, angepassten Bestandteil des parlamentarischen Betriebes entwickelt. Das Streben nach Regierungsbeteiligung – woraus sich nach ihrem Verständnis politische Gestaltungsmöglichkeiten ergeben – ist zum Selbstzweck geworden. Sie würden wohl jede sozialdemokratische Kröte schlucken, wenn sie am von Giffey gedeckten Regierungstisch hätten Platz nehmen dürfen. Katina Schubert, die Vorsitzende der Linkspartei in Berlin, und Klaus Lederer, der bisherige Kultursenator, verorten sich auf dem äußerst rechten Flügel der Partei. Sie befürworten deshalb auch die Waffenlieferungen für den Krieg in der Ukraine. Die Linkspartei soll – nicht nur in Berlin, sondern bundesweit – ihre Bereitschaft und Koalitionsfähigkeit unter Beweis stellen. Grenzen des Anbiederns scheint es für die beiden kaum zu geben, auch wenn die Berliner SPD davon keinen Gebrauch gemacht hat.

Franziska Giffey wollte diesmal keinen reich gedeckten Tisch anbieten. Zur Fortsetzung des aktuellen Senatsbündnisses hätte sie sich mit den Grünen und den Linken einigen müssen. Bis auf wenige Stimme waren die Grünen an die SPD herangekommen. Die Grünen wollten die Grundsatzentscheidungen des Senates zukünftig noch stärker als bisher beeinflussen. Hinsichtlich der Linken war für Giffey das Hauptproblem, dass die von der SPD ein klares Votum, zugunsten eines Gesetzentwurfes zur Enteignung von größeren Immobilienkonzernen einforderten, falls die 2021 eingesetzte Kommission Enteignungen gesetzlich und verfassungsrechtlich für möglich halten würde. Als dies im Detail an einem Wochenende diskutiert werden sollte, brach Giffey die Sondierungsgespräche mit Linken und Grünen ab. Giffey wollte die Kröte Enteignungsgesetz nicht schlucken. Nach dem Abbruch der Sondierungsgespräche erklärte die Linke, dass es auch bei Scheitern der Koalitionsverhandlungen von SPD und CDU Gespräche mit Frau Giffey über eine Neuauflage der rot-rot-grünen Senatskoalition nicht geben solle.


 

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