Landtagswahlen in Hessen. Eine Schlappe für die Ampel

Die Landtagswahlen in Hessen am 8. Oktober bestätigen den bundesweiten Trend, wie er in diversen Meinungsumfragen auch für den Bund selbst zum Ausdruck kommt. Es war eine krachende Niederlage für die Parteien der Regierungskoalition auf Bundesebene. Hier zeigt sich eine tiefe Unzufriedenheit mit der Bundesregierung. Diese kam CDU und AfD zugute.

Landesspezifische Themen spielten im Wahlkampf so gut wie keine Rolle. Stattdessen gab es zuhauf völlig sinnentleerte Wahlkampfsprüche. So warb die FDP mit „Feuer und Flamme für Hessen“ und diese Flamme scheint bei den Wahlkreiskandidaten der Grünen gezündet zu haben. Auf ihren Plakaten stand „Ich brenne für Hessen“. Die SPD versuchte mit einigen Inhalten zu punkten und forderte z.B. mehr Lehr- und Pflegekräfte. Dies hatte eher den Charakter einer Pflichtübung. Denn es dürfte allen klar sein, dass der Mangel in diesem Bereich nicht auf Hessen begrenzt ist, sondern auch in SPD-regierten Ländern existiert. Auch blieb unklar, woher diese Kräfte genommen werden sollten.

Auch die viel diskutierten Themen Energiepolitik und Migration wurden offensiv nur von der AfD vertreten, deren Wahlkampf in Hessen aber kaum wahrgenommen werden konnte. Die hessische CDU verzichtete aus Rücksicht auf den grünen Koalitionspartner bewusst darauf, in diesen Fragen zu polarisieren. Allerdings konnte sie davon ausgehen, dass die Tiraden von Merz und Söder auch in Hessen gehört werden und der CDU Stimmen bringen.

Die Parteien im Einzelnen:

Die SPD verlor nahezu ein Viertel ihrer Stimmen und hat in ihrer früheren Hochburg nur noch 15 Prozent. Ihre Verluste waren bei Arbeiterinnen und Arbeitern sowie bei Rentenbeziehenden besonders gravierend. Bitter sind diese Verluste auch für die nordhessische SPD, die immer als starke Bastion galt und früher in Kassel und Umgebung viele Direktmandate gewinnen konnte. Die SPD konnte 2023 kein einziges Direktmandat erringen. Die Hoffnungen auf einen Politikwechsel bei einem Teil der Wählenden wurden enttäuscht und die SPD kann bei den Diskussionen innerhalb der Ampelkoalition kein Profil entwickeln. Hinzu kam die klägliche Rolle der Spitzenkandidatin Nancy Faeser. Für sie war der hessische Wahlkampf eine reine Pflichtübung und da sie wahrscheinlich von vornherein nicht an einen Sieg glaubte, trat sie unter der Voraussetzung an, im Falle einer Niederlage als Bundesinnenministerin in Berlin zu bleiben.

Die Partei der Grünen verlor etwa im selben Umfang wie die SPD. Die Verluste verteilten sich etwa gleichmäßig auf alle soziale Schichten. In Dörfern und kleineren Städten waren sie überdurchschnittlich groß, während sie in Großstädten trotz Verlusten immerhin noch um die zwanzig Prozent halten konnte. So konnte sie in Darmstadt, Frankfurt und Kassel noch drei Direktmandate holen. Die Querelen um Habecks Heizungsgesetz dürften auch an manchen Wählerinnen und Wählern der Grünen nicht spurlos vorbeigegangen sein. Wie konservativ die Wählerschaft der Grünen mittlerweile ist, zeigt sich daran, dass die Partei die meisten Abgänge in Richtung CDU zu verzeichnen hat (im Saldo minus 67.000). In geringerem Umfang dürfte aber auch die Unzufriedenheit mit den Kompromissen bei der Einwanderung und mit der mangelnden Umsetzung von klimapolitischen Maßnahmen dazu geführt haben, den Grünen keine Stimme mehr zu geben.

CDU + AfD

CDU und AfD sind die eindeutigen Wahlgewinner. Sie konnten Stimmen von allen Parteien hinzugewinnen. Die AfD konnte bei Arbeiterinnen und Arbeitern sechzehn Prozentpunkte zulegen und liegt in dieser Gruppe weit vor der SPD. Obwohl die AfD in Hessen kaum über erkennbare Parteistrukturen verfügt, ist sie damit im Landtag stärkste Oppositionspartei; erstmals in einem westdeutschen Bundesland. Das Auftreten der AfD im Bundestag und ihre Erfolge in Ostdeutschland verliehen ihr auch in Hessen den Ruf, die Probleme radikaler anzupacken als andere Parteien.

CDU und AfD profitierten von der Einwanderung, der Angst vor steigenden Energiepreisen und vor hohen Kosten einer energetischen Gebäudesanierung. Unterstützt wurden sie dabei von rechten Medien (BILD, Welt TV u.a.) und von polarisierenden Äußerungen aus dem rechtskoservativen Lager (Merz, Söder). Ihnen gelang es damit, den innenpolitischen Diskurs deutlich nach rechts zu verschieben.

Die Grünen wurden von der rechten Opposition regelrecht zum Buhmann aufgebaut und vom bayrischen Ministerpräsidenten gar zum Hauptfeind erklärt. Sie wurden nicht nur für Migration und hohe Energiepreise verantwortlich gemacht. Ihnen wurde auch immer wieder vorgeworfen, sie wollten den Menschen vorschreiben, wie sie heizen, wie sie sich fortbewegen, was sie essen und wie sie schreiben sollen. Das verfängt bei Menschen, die Angst vor der Zukunft haben und möglichst keine Veränderungen wollen. Der Aufbau eines solchen Feindbildes kann zu einer Lagerbildung der Wählerschaft rechts der Ampel beitragen.

Wir haben nicht die geringste Veranlassung, die Politik der Grünen zu verteidigen. Sie gehören zu den entschiedensten Kräften für eine Aufrüstung der Ukraine und für die Konfrontation mit Russland. Beim Versuch, die durch den Boykott russischen Gases entstandene Lücke zu schließen, bringt Wirtschaftsminister Habeck weitaus umweltschädlichere und teurere Alternativen zum Einsatz. Der ärmere Teil der Bevölkerung ist davon besonders hart betroffen. Insofern ist die Wut über diese Politik durchaus berechtigt.

Bei der Rhetorik des rechten Lagers geht es aber um mehr. Nach der Zeitenwende in der Militär- und Außenpolitik sollen auch auf anderen Gebieten Reste einer Politik geschleift werden, die von ihnen als irgendwie links begriffen wird. In der Kritik an der Energiepolitik der Ampelregierung werden die mit der Klimakrise verbundenen Probleme kleingeredet oder gar geleugnet. Mit der Kritik am „Gendern“ wird implizit auch die Förderung der Gleichstellung von Frauen in Betrieb und Gesellschaft in Frage gestellt. Und das wird auch so wahrgenommen. Schließlich wird die AfD von wesentlich mehr Männern als Frauen gewählt.

Wenn es um Einwanderung geht, werden die Flüchtenden als Sündenböcke für die gesellschaftlichen Probleme präsentiert. Ein Nachdenken über ökonomische und politische Ursachen soll so verhindert werden. Natürlich bringt eine massenhafte Zuwanderung für viele Menschen Probleme auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt mit sich. Aber die Rechten können hier nur Scheinlösungen bieten, die Fluchtursachen wie Krieg, Hunger und Umweltkatastrophen ignorieren. Die propagierten Abschiebungen und Asylzentren sind nicht nur unmenschlich, sie bedürfen auch der Mitwirkung anderer Staaten. Daran ist es bisher schon immer gescheitert.

Sonderfall Linkspartei

Die Linkspartei ist die einzige Oppositionspartei im Bund, die aus der Unzufriedenheit mit der Ampelregierung keine Gewinne verbuchen konnte. Im Gegenteil: Ihr Stimmenanteil wurde halbiert (von 6,3 auf 3,1 Prozent) und sie ist damit in keinem Parlament eines westdeutschen Flächenstaates mehr vertreten. In Universitätsstädten konnte sie trotz Verlusten immerhin noch sechs bis sieben Prozent erzielen. In diesen Städten ist die Linke da stark, wo auch die Grünen ihre guten Ergebnisse haben. Wählerschaft wie die Mitglieder setzen sich mittlerweile zu einem großen Teil aus einer akademisch gebildeten Mittelschicht zusammen.

Diese Strömungen werden von den Lohnabhängigen nicht als Kraft angesehen, die ihre Probleme lösen könnte. Und umgekehrt kümmern sich viele aus diesem Spektrum nicht um die soziale Frage. So verlor die Partei überdurchschnittlich bei Arbeiterinnen und Arbeitern (von neun auf drei Prozent). 28.000 derjenigen, die bei der letzten Wahl links gewählt hatten, gingen dieses mal nicht zur Wahl und 15.000 sollen jetzt für die AfD gestimmt haben. Sie dachten wohl, so ihren Protest besser ausdrücken zu können.

Janine Wissler war für viele Jahre die prägende Persönlichkeit der Linke in Hessen mit hohem Ansehen auch außerhalb des linken Spektrums. Nach ihrem Abgang konnte die Partei keine gleichwertige Identifikationsfigur aufbauen. Die Niederlage bei den Wahlen dürfte aber hauptsächlich mit dem Erscheinungsbild der Linkspartei insgesamt zusammenhängen. Auf der Führungsebene ist sie in sich zerstritten und die Mehrheit der Parteiführung macht einen sehr zaghaften Eindruck, hat Angst irgendwo anzuecken oder mit der AfD in einen Topf geworfen zu werden. Somit ist sie als oppositionelle Kraft kaum mehr wahrnehmbar und für Viele nicht mehr attraktiv.

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