GEW Hamburg: „Rechtsoffen“ als Kampfbegriff

Korrespondenz

Im letzten Jahr entzog der GEW-Vorstand zwei Gruppen, die bisher im Curiohaus, dem Gewerkschaftshaus der Hamburger GEW, tagen konnten, die Raumnutzung. Konkret: Zukünftig müssten diese Gruppen einen Antrag auf eine kostenpflichtige Nutzung stellen, was bei einem Preis von 100,-€ pro Stunde einem Raumverbot gleichkommt. Es geht einmal um das „Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V.“, das seit den 80er Jahren als Organ der Friedensbewegung aktiv ist. Zum anderen geht es um das „Jourfixe Gewerkschaftslinke Hamburg “, das seit 2005 versucht, gewerkschaftliche und betriebliche Kämpfe zu unterstützen und politische Bildungsarbeit zu leisten, die in den Gewerkschaften immer mehr brachliegt.

Die Begründung lautete in beiden Fällen, dass beide Gruppen sich nicht genügend nach rechts abgrenzten und deshalb „rechtsoffen“ seien. Beim Jourfixe  ging es konkret um den Kontakt zu den sogenannten Kunsthallendemos während der Corona-Pandemie, bei denen Tausende wöchentlich gegen die Impfpflicht und weitere staatliche Maßnahmen demonstrierten. Diese Demos seien aber rechts unterwandert oder sogar von rechts gesteuert gewesen. Dem Hamburger Forum wurde u.a. vorgeworfen, dass der Historiker Peter Brandt als Redner auf dem Ostermarsch 2023 auftrat und dass in Forum-Publikationen dem Brigadegeneral a.D. Erich Vad Raum gegeben wurde. Beide veröffentlichten aber auch in rechten Publikationen, seien also selber Rechte. Da Vertreter beider Gruppen diese Vorwürfe vor dem Landesvorstand nicht in dessen Sinne widerlegen konnten, wurden ihnen die Raumnutzung entzogen.

Der Landesvorstand stützte sich in seinen Anschuldigungen auf Informationen, die vom ‚Hamburger Bündnis gegen rechts‘ an sie herangetragen wurden, aber auch auf  Antifa- und Antira-Twitterbotschaften, die namentlich nicht gekennzeichnet waren.

Auffallend ist zum einen der Zeitpunkt der Vorwürfe bzw. des Raumentzugs, zum anderen fällt auf, dass beide Gruppen eindeutig einem linken Spektrum angehören.

Zum Zeitpunkt

Die Vorwürfe gegen das Jourfixe fingen 2022 an, also noch mitten in der Coronapandemie. Die Kunsthallendemos richteten sich gegen die Regierungspolitik, insbesondere die Impfpflicht im Gesundheitswesen und die Schulschließungen.  Unzweifelhaft ist, dass diese Demos klassische besorgte Bürgerdemos waren, es dominierten Anthroposophen, Pflegeberufe, Eltern. Das Organisationskomitee schloss ausdrücklich Vertreter rechtsradikaler Parteien aus, die sich dann trotzdem unter die DemonstrantInnen mischten. Die Bezeichnung dieser Demos als „rechts“ hatte also das Ziel, die Kritik an der Coronapolitik der Regierung zu diffamieren. Diese Diffamierung griff der GEW-Vorstand auf, indem er nicht die Kritik an der Impfpflicht und den Schulschließungen als falsch bezeichnete, sondern den Kontakt zu den Regierungskritikern als „rechts“ abstempelte.

Beim Hamburger Forum kam die Kritik nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine auf. In seinen Veröffentlichungen bezeichnete das Hamburger Forum den russischen Angriff als völkerrechtswidrig, ging aber auf die Vorgeschichte des Angriffs und auf die Rolle der NATO als Eskalationstreiber ein. Dies rief zum ersten Mal beim Ostermarsch 2022 KritikerInnen aus der Linken, Grünen und SPD auf den Plan, die sich vom Aufruf des Hamburger Forums distanzierten und zu einer eigenen Kundgebung aufriefen. Wenig später griff diese Kritik der GEW-Vorstand auf, kritisierte aber nicht die Haltung zum Krieg, sondern bezeichnete die Gruppe als „rechtsoffen“, weil sie Stimmen Raum gebe, die sich auch in rechten Organen äußerten. Auch hier wieder dieselbe Methode: Mit der Kritik an der Regierungspolitik setzt man sich nicht inhaltlich auseinander, sondern diffamiert die Kritiker als rechtsoffen.

Der jeweilige Zeitpunkt ist bezeichnend: Es geht um Kritik an der Regierungspolitik, die mit dem Label „rechts“ versehen wird. Unterstellt wird dabei, die Regierung aus SPD, Grünen und FDP sei eine linke Regierung. Dann muss die Kritik daran logischerweise rechts sein. Friedenspolitische und linke, klassenkämpferische Aktivitäten sind dann eben auch rechts. Anstatt politischer Praxis mit und für die KollegInnen gegen die massiven Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen, die überhaupt nur das Abwandern nach rechts verhindern kann, werden Grenzziehungen und Bekenntnisse verlangt.

Auf einer Veranstaltung am 10 Januar im Curio-Haus zu diesem Thema erinnerte ein Diskutant an die „Burgfriedens-Politik“ von SPD und Gewerkschaften im 1. Weltkrieg. Als Gegenleistung für die Anerkennung der Gewerkschaften hatten diese die Kriegspolitik der Reichsregierung unterstützt. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs lud Scholz die Gewerkschaften ins Kanzleramt ein und vereinbarte dort den Deal: Ihr unterstützt den Kriegskurs, ich sorge dafür, dass es keinen Sozialabbau gibt. Diesem modernen Burgfriedenskurs scheint die Hamburger GEW zu folgen.

Reaktionen

Widerspruch gegen diese Politik des Vorstands äußerte sich bisher fast ausschließlich aus dem Kreis der RuheständlerInnen, also den schon aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen KollegInnen. Das spießt auch die Redaktion der hlz, der Zeitschrift der GEW-Hamburg, in einer hämischen Bemerkung auf: „Diese Auseinandersetzung wird seit einiger Zeit zum Konflikt innerhalb der GEW dadurch, dass -gegenüber 10.000 Mitgliedern – zwei, drei Handvoll Personen mit Mitgliedschaft auch in diesen Gruppen aktiv sind oder mit ihnen sympathisieren“ und der Konflikt dann „in Gremien, auf Gewerkschaftstagen, in der Betriebsgruppe Ruheständler*innen – an die Oberfläche kommt.“ (hlz 11-12/2023) Tenor:  Es geht um einige hochbetagte Querulanten, die Mitglieder stehen abseits. Tatsächlich stehen die Mitglieder auch abseits, aber nicht weil sie aktiv sind, sondern weil sie passiv sind, unpolitisch, ängstlich, weil alle Betriebsgruppen, die es noch vor 20 Jahren zahlreich gab, eingeschlafen sind. Statt also die Mitglieder in einer politischen Auseinandersetzung zu schulen, werden die noch politisch Bewussten diffamiert.

Allerdings gibt es gerade innerhalb der ‚Jungen GEW‘ einige aktive Kolleginnen und Kollegen, die den ‚Kampf gegen rechts‘ mit großer moralischer Betroffenheit führen. Es gibt Wochenendworkshops, wo Aktionen gegen rechts (Stammtischkämpfer:Innen-Ausbildung) geplant werden. Auch im ‚Hamburger Bündnis gegen rechts‘ arbeiten eine Menge GEWler mit. Der Stammsitz der GEW-Hamburg, das Curio-Haus, müsse ein Ort bleiben, wo für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kein Raum sei. Auf diese Gruppen scheint sich der Landesvorstand mit seinen Raumverboten zu stützen.

Bei den Ruheständlern hingegen ist noch die Erinnerung an die Berufsverbote in den 70er Jahren wach, weshalb es dort ein Gespür für Zensur und Gesinnungsprüfung gibt. Damals folgten die Gewerkschaften den Berufsverboten gegen die studentischen Linken mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen. Mit den Beschlüssen des Hamburger GEW-Vorstands gehen möglicherweise die Unvereinbarkeitsbeschlüsse staatlichen Repressionen voraus.


 

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