So überschrieb die FAZ, die Lieblingspostille der bundesdeutschen Industrie- und Arbeitgeberverbände, ihren Kommentar zum Ergebnis der diesjährigen Tarifrunde. Weiter führte Heike Göbel am 13.11.24 darin aus:
„Ohne übliche Hinhaltetaktik der Arbeitgeber oder Missbrauch der Warnstreiks durch die Gewerkschaften haben die Tarifparteien der Metall- und Elektroindustrie einen Pilotabschluss hingelegt, der den wirtschaftlichen Sorgen vieler Unternehmen der Branche einigermaßen Rechnung trägt. […] Die nun ausgehandelten 5,1 Prozent Lohnplus – in zwei Stufen und gestreckt auf 25 Monate – sind deutlich näher an der nicht nur durch die Konjunktur getrübten Lage. […] Aus dem verantwortbaren Ergebnis spricht auch Rücksichtnahme auf die Regierungskrise. Ein Streik in der wichtigen Branche hätte den Wahlkampf belastet und zusätzlich polarisiert. Daran sollten sich die konfliktbereiten Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ein Beispiel nehmen. […] Verdi & Co. lassen leider schon lange die Einsicht vermissen, dass mit der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie auch Pflichten für das Gemeinwohl einhergehen.“
Das Lob aus „berufenem Mund“ hat sich die IG Metall-Spitze verdient. Seit der vom Bundeskanzler Scholz verkündeten Zeitenwende hat sie alles unternommen, um nicht in Widerspruch zur Außen- und Kriegspolitik der Bundesregierung zu geraten. Offensive Lohnforderungen und Arbeitskämpfe gehörten nicht zu ihren Überlegungen geschweige denn zur tariflichen Praxis. Zaghafte Ansätze und Initiativen von unten, gewerkschaftliche Arbeitskämpfe mit der Friedensfrage zu verbinden, blieben auf den Raum Hanau begrenzt und sollten nach dem Willen der Führungsetagen in den Gewerkschaften nicht Schule machen. Dabei offenbaren sich die Zusammenhänge für alle Betrachter eindeutig. Das Geld, das in die verstärkte Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit gesteckt wird, fehlt in allen anderen Bereichen: bei der Bildung, im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, im Gesundheitswesen – die Liste lässt sich beliebig lange fortsetzen. Auch der Zusammenhang zwischen den Wirtschaftssanktionen gegen Russland und steigenden Energiepreisen sowie der galoppierenden Inflation ist erkennbar und wurde auch in Hanau angesprochen.
Wenn die große Mehrheit der Beschäftigten die Regelung ihrer Arbeits- und Lohnbedingungen passiv akzeptiert und höchstens dann eingreift, wenn sie von den zuständigen Gremien, von den Tarifkommissionen und Vorstandsetagen zu ihrer Unterstützung durch Warnstreikaktionen gerufen werden, wird sich an der gewerkschaftlichen Ein- und Unterordnung unter den Kriegskurs nichts Wesentliches ändern. Und solange die arbeitenden Menschen lediglich bei den Parlamentswahlen ihrem Unmut Ausdruck verleihen, werden die AfD und in geringeren Ausmaß eventuell das BSW davon parlamentarisch profitieren. Beide versuchen im gleichen Milieu auf Stimmenfang zu gehen, indem sie die Ängste und Befürchtungen z.B. vor „Überfremdung“ oder vor „Überforderung der Kommunen bei der Aufnahme von Geflüchteten“ Ausdruck verleihen und dadurch zugleich verstärken.
Der FAZ-Kommentar enthält am Ende eine Drohung gegenüber Verdi & Co. Verweigern sie sich weiterhin den „Pflichten für das Gemeinwohl“ dann könnte auch die „grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie“ eingeschränkt oder abgeschafft werden. An entsprechenden Vorschlägen und Forderungen aus dem Unternehmerlager und ihren politischen Repräsentanten fehlt es nicht. Aber wie wir die Spitzen unserer DGB-Gewerkschaften kennen, werden sie alles unterlassen, was den Wahlkampf belasten und polarisieren könnte.
Sie haben die Drohung vernommen und werden sich dementsprechend verhalten.
A./B. 14. November 2024
Tarifauseinandersetzung und Ergebnis in Metallindustrie
Ausgangspunkt der Metall-Tarifrunde war sicherlich, dass derzeit in dieser Branche oft über Entlassungen zumindest aber über Kurzarbeit.geredet wird. Die Produktionsverlagerung in Länder mit geringeren Löhnen scheint immer häufiger im Raum zu stehen. Vom schlimmsten Auftragseinbruch seit der Finanzkrise ist die Rede. Die Schlagzeilen der Automobilindustrie klingen dramatisch.
Deshalb hatte die IG Metall nur eine Lohnsteigerung von sieben Prozent gefordert bei einer Laufzeit von einem Jahr. Schlussendlich werden die Kollegen ab Februar einmalig 600 Euro bekommen. Dann ab April 2025 zwei Prozent; im April 2026 kommen noch mal 3,1 Prozent obendrauf. Die Auszubildenden erhalten monatlich 140 Euro mehr.
Die IG-Metall Chefin Christiane Benner erklärte nachher: „Es ist gelungen, trotz schwieriger Rahmenbedingungen ein solides Ergebnis für die Beschäftigten zu erzielen.“ Eine andere Äußerung aus den Reihen der IG-Metall-Funktionäre lautete: „Mit diesem Abschluss stützen wir in schwierigen Zeiten die Kaufkraft und die Konjunktur.“ Bedeutsamer dürfte allerdings sein, wie das Ergebnis von einem unteren Funktionär zusammengefasst wurde: Man habe mit „dem Tarifabschluss eine Insel der Stabilität geschaffen.„
Der Abschluss hat eigentlich gerade mal einen Pluspunkt, aber eine Reihe von Pferdefüßen:
Verbessert hat sich die Lage beim „tariflichen Zusatzgeld“ – bei einem Teil davon. Hierbei handelt es sich um eine einmalige Sonderzahlung, welche von den Betrieben zum 31. Juli ausgezahlt wird. Erstmals geschehen 2019. Sie besteht aus zwei Teilen: Einem Plus von 27,5 Prozent des Monatslohnes sowie noch mal 18,5 Prozent des Eck-Entgeltes. Wer in Schicht arbeitet, andere betreut, kann diese Zahlung auch in weitere acht freie Tage umwandeln. Jener zweite Wert – das Tarifzusatzgeld B – wurde nun von 18,5 Prozent auf 26,5 Prozent erhöht. Damit hat es sich aber auch schon. Betriebe, die auf „wirtschaftliche Schwierigkeiten“ verweisen können, dürfen auch weiterhin noch weniger zahlen, als jetzt im Tarifvertrag vereinbart.
Der Tarifvertrag fällt mit 25 Monaten doppelt so lange aus, wie von der IG Metall gefordert war. Zudem bedeutet er pro Jahr nur etwa 2,5 Prozent plus. Im Oktober lag die Inflationsrate bei 2,0 Prozent. Im Durchschnitt der kommenden zwei Jahre wird eine um die 2,4 Prozent erwartet. Allein zahlenmäßig ist damit also bestenfalls der Erhalt des Real-Niveaus erreicht worden. Vom Ausgleich für die Reallohnverluste seit 2018 braucht man erst gar nicht zu reden. Die 140 Euro für die Azubis bedeuten aufs Jahr gesehen auch nur ein Plus von 70 Euro. Dabei ist doch die Lage nicht für alle Metallbetriebe problematisch. Hohe Gewinne gibt es in den Bereichen Medizintechnologie, Luftfahrt, Rüstung.
Dieser Tarifabschluss bringt also für die Unternehmen eindeutig mehr als für die Beschäftigten. Erneut haben sich die Kolleginnen und Kollegen als gute Sozialpartner erwiesen. Unabhängig davon wollte die IG Metall wohl keine Tarifauseinandersetzung während des Wahlkampfes führen.
Bei aller Kritik am Abschluss muss man allerdings im Hinterkopf haben, wirklich kämpferisch war die Stimmung angesichts der wirtschaftlichen Großwetterlage nicht. Es gab keinen Unmut, als die IG Metall in Berlin/Brandenburg/Sachsen nur 22.000 Kollegen zu den Warnstreiks aufrief respektive sich in der ersten Warnstreik-Runde bundesweit zunächst gerade mal 30.000 Kollegen beteiligen sollten. Dies war kennzeichnend; hier ist die IGM nur mit angezogener Handbremse in die Tarifrunde gegangen. Aus dem gegnerischen, dem Unternehmerlager gab es Lob: Dieses Mal sei das Mittel der Warnstreiks nicht „missbraucht“ worden.
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