Metallerwarnstreik in Hanau – in diesem Jahr ohne friedenspolitische Aussage

Korrespondenz

Warnstreik-Impressionen – Fotos: Reiner Kunze

Vor zwei Jahren hatte die Kundgebung zum damaligen Warnstreik der IG Metall in Hanau am 17. November 2022 bundesweites Aufsehen erregt. Das Besondere war die Verbindung von tarifpolitischen mit sozial- und friedenspolitischen Forderungen. Das führte zu empörten Diskussionen, ob solche politische „Überfrachtung“ nach den restriktiven Bestimmungen des deutschen Tarifrechts (wenn man es etwa mit französischen Verhältnissen vergleicht) erlaubt sein kann. Dieses Vorgehen war die Konsequenz eines Bündnisses „Frieden und soziale Gerechtigkeit“ zwischen Hanauer lokalen Organisationen von IG Metall, ver.di und DGB und den örtlichen Friedensinitiativen. Es führte im weiteren Prozess zu der ebenso mit friedenspolitischen Forderungen verknüpften Warnstreikkundgebung von ver.di Main-Kinzig/Osthessen am 23. März 2023 sowie dann zur Gewerkschaftlichen Friedenskonferenz der IG Metall Hanau/Fulda zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Juni 2023. Eine Nachfolgekonferenz fand dann im Juni 2024 in Stuttgart statt, von gewerkschaftlicher Seite diesmal von dem örtlichen ver.di-Bezirk organisiert.

Angesichts der Haltung der Gewerkschaftsvorstände, die die Politik der Bundesregierung zur bedingungslosen Unterstützung der Ukraine und des Kurses von USA und NATO übernahmen, war die Organisierung einer Konferenz von unten, in einer mittelgroßen Stadt mit sehr begrenzter bundespolitischen Bedeutung eine der wenigen Gelegenheiten, friedenspolitische Debatten in den Gewerkschaften anzufangen und zu führen. Solidaritätsadressen zu diesem „Hanauer Weg“ gab es daher aus dem ganzen Bundesgebiet. Aber man muss auch sagen: leider nur sehr wenige. Und die mittleren und oberen Gewerkschaftsebenen reagierten teils gar nicht, teils -vor allem in den für Hessen regional zuständigen Vorständen – mit Repression, mindestens mit Rügen für die Hanauer Funktionär:innen, Aktivist:innen und Gremien. Zum Teil gingen Hauptamtliche, die führende Rollen gespielt hatten, auch von sich aus weg, um ihre Karriere auf der mittleren Ebene fortzusetzen.

Festzustellen war auch ein wesentlicher Mangel darin, dass die friedenspolitischen Aktivitäten in den großen Metallbetrieben in Hanau zwar durchaus auf freundliches Interesse stießen, aber eher als von offizieller Seite gegebene Marschrichtung empfunden wurden denn als ein aus den Bedürfnissen der Kolleg:innen spontan entwickeltes Vorgehen. Zwar gab es Beschlüsse der Delegiertenversammlung der IG Metall Hanau/Fulda, die mit deutlichen Zwei-Drittel-Mehrheiten diesen Kurs unterstützten, etwa noch im März 2024 gegen die Ausrichtung Deutschlands auf „Kriegstüchtigkeit“. Doch der weitere Verlauf nach dem Ausscheiden des damaligen Ersten Bevollmächtigen Robert Weißenbrunner kam aus diesen Gründen an seine Grenzen und sein vorläufiges Ende, wie der Warnstreik vom 11. November 2024 in Hanau zeigte.

Warnstreik-Impressionen – Fotos: Reiner Kunze

Es waren nur wenige hundert Kolleg:innen, die am Tag vor dem Pilotabschluss in Hamburg in Hanau demonstrierten. Sie kamen aus den Betrieben Vacuumschmelze (dort ging der Zug los), Putzmeister (von der Schließung des Werkes in Gründau bedroht; die Betriebsschließung konnte nicht abgewendet werden, aber mit einem 13-tägigen Streik wurden nach Auskunft der IG Metall Hanau/Fulda am 20.11.2024 gute Konditionen bei den Abfindungen und eine Transfergesellschaft durchgesetzt) und Thermo-Fisher, also drei als kämpferisch bekannten Belegschaften im Hanauer Umfeld. Eine Koppelung der tarif- mit friedenspolitischen Forderungen sowie einen Redebeitrag der Hanauer Friedensplattform hatte die neue örtliche IGM-Führung aber untersagt. Es hatte zwar im Oktober ein Gespräch zwischen Aktivist:innen der Initiative und dem neuen IGM-Geschäftsführer gegeben. Dennoch kam die Absage an eine Beteiligung, die zudem noch mit der unzutreffenden Behauptung begründet wurde, die IG Metall-Mitglieder der Hanauer Betriebe seien dagegen. So blieb der Initiative nichts übrig als einen „Gruß an die IGM-Kolleg:innen“ in Form eines Flugblattes zu verteilen.

Nachfolgend bringen wir einen Auszug daraus:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Hanauer Friedensplattform unterstützt Euren Kampf um 7 % mehr Lohn. Eure Forderungen sind vollkommen berechtigt: Energie, Wohnen und Lebensmittel sind enorm teuer geworden und ziehen alles andere nach sich. In unserer Gesellschaft findet ein Kampf statt um die Verteilung des Reichtums. Ihr leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Unternehmer nicht alles für sich behalten können, was Ihr erarbeitet habt.

Euer Kampf ist auch deswegen wichtig, weil noch mehr auf uns zukommt. Die Bundesregierung hat politische Entscheidungen getroffen, die uns alle hart treffen:

Ihre unbedingte Bündnistreue zu den USA führt soweit, dass sie unsere Energieversorgung mit günstigem russischem Erdgas kurzfristig gegen teures und umweltschädliches Fracking-Gas aus den USA eingetauscht hat. Viele Unternehmen wollen daher ihre Produktion in die USA verlagern. Außerdem führt Washington einen offenen Wirtschaftskrieg gegen Europa in Form von Einfuhrzöllen und Subventionen für die Produktion in den USA. Das wirkt sich auf die Arbeitsplätze bei uns aus.

Warnstreik-Impressionen – Fotos: Reiner Kunze

2022 hat der Bundestag ohne Diskussion einen 100-Milliarden-Aufrüstungskredit beschlossen. Zusätzlich ist der Verteidigungshaushalt von 32,4 Milliarden(2014) auf 52 Milliarden 2024 gestiegen, mit dem ‚Sondervermögen‘ sind es mindestens 72 Milliarden Euro. Diese Rechnung bezahlen wir als arbeitende Menschen. Krankenhäuser, Schulen und Pflegeeinrichtungen sind am Limit, weil sie zu wenig Geld und Personal haben. Auch das Klinikum Hanau kämpft um seine Existenz. Nach dem Aus der Ampel ist verschärfter Sozialabbau zu erwarten. Das geht uns alle an!

Über die Ursachen des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine gibt es verschiedene Auffassungen. Aber eins ist klar: Wenn der Konflikt sich weiter zuspitzt, stehen wir im Krieg gegen Russland. Verteidigungsminister Pistorius möchte Deutschland ‚kriegstüchtig machen‘. Wollt Ihr das auch? Wir denken: Wenn wir Frieden in Europa wollen, muss eine Verhandlungslösung her.“

Die Hanauer Friedensplattform ist dennoch überzeugt davon, dass es zu dem 2022 eingeschlagenen Kurs auf Verbindung der Friedensbewegung mit den Gewerkschaften keine Alternative gibt. Es bedeutet eben, dass man die Auseinandersetzung weiter suchen und führen muss.

F/HU, 24.11.2024


 

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