Wir dokumentieren im Folgenden einen Artikel von Erhard Korn. Er schildert in kurzer und prägnanter Form, wie und unter welchem Umständen in der Bundesrepublik die Remilitarisierung. der Aufbau der Bundeswehr und die Aufnahme der BRD in das westliche Verteidigungsbündnis, die NATO, durchgesetzt werden konnte. Wir danken dem Autor und der Redaktion für die Erlaubnis der Wiedergabe. Der Aufsatz erschien in der Zeitschrift Sozialismus.
In der Arbeiterpolitik Nr. 6 aus 1954 findet ihr einen Artikel zu dem Thema: „Die Wehrpflicht im Grundgesetz“
Erhard Korn
Jein zu den Waffen
Kalter Krieg, Remilitarisierung und Friedensbewegung
„Das deutsche Volk wollte vom Krieg nichts mehr wissen. Die Ohne-mich-Stimmung war weit verbreitet“, so beschreibt Carlo Schmid die Nachkriegszeit. In Wolfgang Borcherts Gedichten und seinem Drama „Draußen vor der Tür“ fand diese Stimmung ihren Ausdruck. „Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“ schrieb der Todkranke 1947. Doch schon wenige Jahre später begann die Wiederbewaffnung. Vor 70 Jahren, im Dezember 1954 wurden die die Beitrittsgesetze zur NATO in den Bundestag eingebracht und im Februar 1955 mit 314 gegen 157 Stimmen beschlossen. In schneller Folge schuf die Regierung Adenauer nun die Voraussetzungen für die Schaffung der Bundeswehr.
Sicherheitsgürtel und Eindämmung
Nach den unvorstellbaren Zerstörungen und Opfern in der Sowjetunion durch den Angriff Hitlerdeutschlands sah Stalin sein wichtigste Aufgabe in der Schaffung eines Sicherheitsgürtels gegen Deutschland und den „dynamischen Imperialismus“ der USA, für den er seine Machtposition in Osteuropa nutzte. (Loth 2008: 37) Die Westmächte zeigten sich bei den Konferenzen von Jalta und Potsdam zunächst einverstanden mit der Bildung von Einflusszonen (Yergin: 61), stellten die sowjetische Position in der Nachkriegszeit aber zunehmend in Frage. Als sich Churchill und Truman im April 1945 über die Regierungsbildung in Polen beklagten, antwortete Stalin, er habe sich „in Griechenland und Belgien der Einmischung in die Regierungsbildung enthalten, unbeachtlich der Frage, ob die Regierungen das Volk repräsentierten“, und habe auch „das Recht auf die Bildung einer freundschaftlichen Regierung in Polen“. (Militärgeschichtliches Forschungsamt: 24) Als Gegenleistung für Kredite verlangte Truman im Sinne der Open-Door-Politik eine „maßgebliche Rolle“ der USA bei Regierungsbildungen und „im Hinblick auf die allgemeinen Wirtschaftsbeziehungen“ auch im sowjetischen Einflussbereich. (ebd.: 26) Auf die Verweigerung solcher Zugeständnisse reagierte die angloamerikanische Führung im März 1947 mit der „Truman-Doktrin“, einer Politik der Eindämmung und des Kampfes gegen (angeblich) prokommunistischen Bewegungen. Offensichtliche Signale von Kompromissbereitschaft Moskaus wurden dagegen als Betrugsmanöver abgetan. (Yergin: 265)
Eine solche Eindämmung setzte allerdings eine ökonomische Stabilisierung voraus, wie sich in Griechenland und bald in Korea zeigen sollte. Nach einem von der SU unterstützten Friedensschluss zwischen der Befreiungsbewegung und monarchistischen Kräften 1945 hatte eine katastrophalen Wirtschaftssituation, verbunden mit einer terroristischen Machtpolitik gegen die Kommunisten den griechischen Bürgerkrieg 1947-1949 und eine angloamerikanische Intervention ausgelöst (Yergin: 274), in Korea einen Bürgerkrieg, der 1950 in einem offenen Krieg eskalierte.
Das nach Außenminister Marshall benannte „Europäische Wiederaufbauprogramm“, dessen Schwerpunkt in Westdeutschland lag, sollte gegen den Kommunismus „immunisieren“ und die Westzonen im Sinne einer „doppelte Eindämmung“ integrieren: die Sowjetunion abwehren, Westdeutschland kontrollieren. (Steininger: 30, 76)
Für Deutschland strebte der im Grunde defensiv agierende Stalin keineswegs die soziale Revolution an, wie die inzwischen zugänglichen Archive belegen, sondern die Schaffung einer neutralen Pufferzone zwischen dem sowjetischen und westlichen Einflussbereich, wie das auch in Österreich gelang. (Loth 2007: 37)
Der Verzicht auf eine gemeinsame Verwaltungsstruktur führte in der Praxis allerdings zu einer Auseinanderentwicklung und Anpassung der Besatzungszonen an die Systeme der Besatzungsmächte. Sie mündete in die ökonomische Vereinigung der britischen und amerikanischen Besatzungsgebiete zur Bi-Zone und führte faktisch zur Gründung eines westdeutschen Staates. Die Blockade Berlins, gedacht als Mittel, um Verhandlungen über die in der Londoner Konferenz beschlossene westdeutsche Staatsgründung doch noch zu erzwingen, erschien allerdings „als Griff nach Berlin, das dem sowjetischen Machtbereich einverleibt werden sollte“. (Benz: 78) Tief verankerte Angstgefühle vor dem „Erbfeind im Osten“ konnten mobilisiert werden.
Mit der „Stalin-Note“ signalisierte Stalin sogar im März 1952 noch die Bereitschaft zur Aufgabe der DDR. Er hoffte vergeblich darauf, in der deutschen Bevölkerung Zustimmung zu erreichen für eine Einheit Deutschlands unter der Bedingung, kein Militärbündnis gegen einen der ehemaligen Kriegsgegner einzugehen. (Loth 2007: 97)
Doch die sowjetischen Vorschläge für eine Wiedervereinigung lehnte Adenauer strikt ab, indem er die daran gekoppelte Bedingung einer militärischen Neutralität zurückwies und auf die volle Entscheidungsfreiheit pochte – also auf die Einbeziehung ganz Deutschlands und seines militärischen Potentials in das Westbündnis. Erst jetzt, nach der Ablehnung der Stalin-Note 1952, sah Stalin die DDR „nicht mehr als Provisorium“. (ebd.: 99)
Koreakrieg und Remilitarisierung
Bis 1948 bestimmten die „Potsdamer Beschlüsse“ der Alliierten eine „völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands“ auch die offizielle Politik der Westmächte. Die spätestens seit Anfang 1948 ins Auge gefasste und von den „Joint Chiefs of Staff“ als dringlich geforderte Nutzung des Potentials der deutschen Westzonen für die 1949 gegründete NATO galt zunächst als der kriegsmüden Bevölkerung nicht vermittelbar. (Loth 1980: 271)
Der Koreakrieg erwies sich 1950 als „unverhoffter Glücksfall“ für Adenauer, lieferte ihm die Blaupause für ein von ihm und den Sicherheitsbehörden selbst nicht geglaubtes, aber in der Propaganda ständig wiederholtes Bedrohungsszenario. Man habe gewusst, dass es keine militärische Bedrohung gab und es der SU nur um die Behauptung ihres „Satellitenbereichs“ ging, bekannte der BND-Chef Gehlen in seinen Erinnerungen. (Posser: 58)
In der „Öffentlichkeitsarbeit“ der Union aber diente das Vordringen nordkoreanischer Truppen über den 48. Breitengrad als „Lehrfilm“ für das Vordringens von Einheiten der DDR-Volkspolizei über die „Zonengrenze“. Der verbreiteten Stimmung des „Ohne mich“ müsse nun „Wehrfreudigkeit“ entgegengesetzt werden.
Zunächst geheim gehalten vor der Öffentlichkeit, dann unter der Vorspiegelung, es gehe nur um eine Polizeitruppe, trieb Adenauer seine Pläne zur Remilitarisierung voran. Dem völlig überraschten Bundeskabinett teilte der häufig autoritär agierende Adenauer im August 1950 mit, dass er dem amerikanischen Hochkommissar McCloy die Bereitschaft erklärt habe, sich mit 150.000 Soldaten an der geplanten westeuropäischen Streitmacht zu beteiligen. Innenminister Heinemann trat deshalb sofort zurück. Im Mai 1952 unterzeichnete Adenauer den Beitritt zur „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“. Der Bundestag durfte am 19.3.1953 nur noch zustimmen.
Bei den Bundestagswahlen am 6.9.1953 bestätigten die Wählerinnen und Wähler Adenauers Kurs und damit indirekt die Wiederbewaffnung. „Im Bewusstsein der Bevölkerung (war) der Stellenwert der Wehrfrage gesunken“ und wahlentscheidend das „Wirtschaftswunder“ geworden. (Rupp: 49) Das Projekt einer übernationalen Europaarmee allerdings scheiterte im August 1954 in der französischen Nationalversammlung, was Adenauer und der amerikanische Außenminister Dulles nutzten, um der Bundesrepublik in die NATO zu führen. Mit den am 23.Oktober 1954 unterzeichneten und im Februar 1955 ratifizierten „Pariser Verträgen“ erreichte Adenauer die Aufhebung des Besatzungsstatus, verbunden mit dem Beitritt in die Westeuropäischen Union und die NATO. Nur auf die Herstellung von ABC-Waffen, Bombern, großen Kriegsschiffen und Fernlenkgeschossen musste die Bundesrepublik (vorerst) verzichten. (Loth 1980: 319)
Antikommunismus als Kampfmittel
Dass mit dem NATO-Beitritt auch die deutsche Teilung besiegelt wurde, nahm Adenauer in Kauf. Dagegen stemmte sich Gustav Heinemann, Innenminister und Präses der Evangelischen Kirche, der sich nun friedenspolitisch engagierte, und mit der überparteilichen „Notgemeinschaft für den Frieden“ eine Petitionskampagne an den Bundestag startete. Die „Notgemeinschaft“ wurde, trotz ihrer Bekundungen, an kommunistische gesteuerten Aktionen nicht teilzunehmen, als kommunistische Tarnorganisation verdächtigt. Nicht anders erging es der „Gesamtdeutschen Volkspartei“, die auch deshalb bei den Bundestagswahlen 1953 nur ca. 1% der Stimmen erhielt. Die evangelischen Kirche hatte sich beim Kirchentag im August 1950 noch gegen die Remilitarisierung positioniert, weichte aber ihre Ablehnung unter dem Einfluss der C-Partei bald auf.
Wolfgang Benz hat darauf verwiesen, dass die antikommunistische Propaganda deshalb so wirkungsvoll war, weil sie an Propagandamuster der NS-Zeit anknüpfen konnte. (Benz: 24) Der Antikommunismus wurde aber auch, wie Abendroth beklagte, durch die stalinistischen Methoden immer wieder „mit Munition beliefert“, etwa durch die Schauprozesse in Budapest 1949 und in Prag, wo der Spanienkämpfer und Generalsekretär Rudolf Slansky 1952 zusammen mit zehn anderen führenden Funktionären der KP hingerichtet wurde.
Die Behörden der DDR gingen 1952 gegen evangelische Jugendgruppen als „Terrorgruppen“ vor um die FDJ zu stärken, verbunden mit der Relegation von Studierenden und der Verhaftung von Jugendpfarrern, während sich im Westen evangelische Studierendengruppen an Aktionen wie der von den Behörden verbotenen Friedenskarawane nach Essen beteiligten, bei der das FDJ-Mitglied Philipp Müller am 11. Mai 1952 von der Polizei erschossen wurde.
Der deutsche Wehrbeitrag
Den Vorsitzenden der IG Bergbau und CDU-Abgeordneten Theodor Blank ernannte Adenauer 27.10.1950 zum Chef der „Dienststelle Blank“, die den Aufbau der Bundeswehr vorbereitete, und 1955 zum Verteidigungsminister – ein geschickter Schachzug, um Warnungen des DGB vor einem „militaristischen Obrigkeitsstaat“ entgegenzutreten. Als erste Soldaten vereidigte er am 10. Oktober 1955 die Wehrmachtsgenerale Speidel und Hausinger. Der erste Generalinspekteur Adolf Hausinger war als Chef der Operationsabteilung des Generalstabes 1941 an der „systematische[n] Reduzierung des Slawen- und Judentums“ beteiligt gewesen, aber von den USA schon in der „Organisation Gehlen“ eingesetzt worden. 1956 rückten „Lehrkompagnien“ aus Freiwilligen in die Kasernen ein, der Bundestag beschloss das „Wehrpflichtgesetz“ und verankerte die Bundeswehr im Grundgesetz.
Die halbe Opposition …
Bei der Gründung der SPD in Südwürttemberg habe er erklärt, „wir Deutschen wollten unsere Kinder nicht mehr in die Kasernen schicken“, berichtet Carlo Schmid in seinen Erinnerungen. (Schmid: 491) Die SPD änderte schrittweise ihre Haltung. Deutsche Truppen, so der die Partei autoritär dominierende Vorsitzende Kurt Schumacher 1950, dürften allerdings nur dann aufgestellt werden, wenn die Amerikaner sich so stark engagierten, dass der Krieg östlich der deutschen Gebiete „zwischen Weichsel und Njemen“ geführt werde, da sonst die Zerstörung Deutschlands drohe. (Löwke: 61-64)
Schumacher glaubte, vor einem Einmarsch Russlands und der „Versklavung des deutschen Volkes“ warnen zu müssen. Heinemanns Initiativen für eine Volksbefragung lehnte er ab, „da eine Abgrenzung gegenüber der KP nicht möglich sei.“ Friedensparolen, sagte er 1950 in Stuttgart, seien heute „ein Stück Kriegsvorbereitung der Sowjetmacht“, Diskussionen über eine Neutralisierung Bestandteil der psychologischen Taktik der SU zur Schwächung der demokratischen Kräfte, zu denen sich Schumacher zählte. (Merseburger: 446, 498)
„Nur eine demokratisierte Wirtschaftsverfassung könne vor dem Kommunismus schützen“, warnte der DGB-Vorsitzende Böckler nach Ausbruch des Koreakriegs am 28.August 1950 den Kanzler in einem Gespräch. Die Gewerkschaften müssten die Wiederbewaffnung zwar „grundsätzlich“ ablehnen, würden ihr aber nichts in den Weg legen. Als „Gegengabe“ erwarte man Zugeständnisse bei der Mitbestimmung, die dann auch im Januar 1951 erfolgten. (Barig: 67) Als Böcklers Nachfolger Christian Fette sich beim DGB-Kongress 1951 sogar öffentlich dazu bekannte, „für die Erhaltung unserer Freiheit (…) unseren Beitrag zur Verteidigung zu leisten“. (ebd.: 71), löste er einen Proteststurm aus. Angesichts der Stimmung in der Mitgliedschaft müsse man zunächst „den politisch aussichtslosen „Ohne-Mich-Standpunkt zurückdrängen“, so Ludwig Rosenberg als zuständiger Referent im Bundesausschuss. (Andresen: 57)
Hunderte Aufforderungen zu mehr Aktivitäten der Gewerkschaften kamen nicht nur aus der Gewerkschaftsjugend, die zusammen mit Jusos, Falken und Naturfreundejugend gegen die drohende Wehrpflicht mobilisierte. Der DGB akzeptierte dies nur unter der Voraussetzung, dass die Kampagne nicht gegen die Wiederbewaffnung selbst gerichtet werden dürfe. Trotzdem sprach sich der DGB-Bundesjugendkongress 1954 gegen die Wiederbewaffnung aus und verwies darauf, dass die Rüstungslasten von den Beschäftigten getragen werden müssten. Auch beim DGB-Bundeskongress 1954 unterzeichnete eine Mehrheit einen Antrag gegen die Remilitarisierung, den Otto Brenner umbog – sie solle erst möglich sein, wenn Verhandlungen zur Wiedervereinigung ausgeschöpft wären. (ebd.: 63) Der DGB beteiligte sich nun an einer Initiative der SPD für eine „Paulskirchenbewegung“, die in Frankfurt ein Manifest verabschiedete unter dem Motto „Rettet Einheit, Frieden und Freiheit! Gegen Kommunismus und Nationalismus“. Die linkssozialistische Opposition in Gewerkschaften und SPD mobilisierte für den Einsatz außerparlamentarischer Kampfmittel bis hin zum politischen Streik. Der Ortsausschuss Hamburg forderte „eine große Kundgebung gegen die Wiederaufrüstung“. Durch eine große Funktionärsversammlung am 17.2.1955 sollten diese Forderungen „kanalisiert“ werden, wenn sie sich schon nicht vermeiden ließen.
Am gleichen Abend versicherte der neue DGB-Vorsitzende Freitag dem Bundeskanzler im Gespräch, dass der DGB an dem von Böckler versprochenen Stillhalten festhalten werde. (ebd.: 66) Gleichzeitig gaben die Gewerkschaften im Aktionsprogramm von 1955 den Anspruch einer grundlegenden Neugestaltung der Gesellschaft auf. Repräsentanten der linken Opposition wie Theo Pirker und Viktor Agartz verloren in den nächsten Jahren ihre Positionen in den Gewerkschaften.
Der Bundestag ratifizierte am 27.2.1955 die Pariser Verträge. Da SPD wie DGB eine außerparlamentarische Mobilisierung gegen eine Parlamentsentscheidung „nie ernsthaft erwogen“ hatten, ebbte die Bewegung ab. (ebd.: 69) Es blieb allerdings ein in den Strukturen und Häusern der Arbeiterbewegung verankertes informelles „Kommunikationsnetzwerk“, das in den nächsten Jahren fortwirkte, etwa in der Bewegung gegen den Atomtod oder bei den Ostermärschen.
… und die verbotene Opposition
1951 leitete die Bundesregierung ein Verbotsverfahren gegen die KPD ein. Da die KPD die einzige Partei war, die ohne Konzessionen die Wiederbewaffnung ablehnte, schränkte das Verbot den Bereich des Sagbaren ein, so Wolfgang Abendroth. Eine Meinung galt als verfassungswidrig, wenn sie auch nur in einem Teilaspekt mit kommunistischen Positionen übereinstimmte.
Trotzdem gelang es den Kommunisten, mit einer an Vorschläge Heinemanns anknüpfenden „Volksbefragungsbewegung“ über 9 Millionen Unterschriften gegen die Remilitarisierung zu sammeln. Die Volksbefragung wurde als verfassungsfeindlich verboten, über 7.000 Helfer verhaftet. Das Strafrechtsänderungsgesetz 1951 schuf ein Instrumentarium, mit dem Aktivisten der Volksbefragung als Rädelsführer zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden: sie hätten beabsichtigt, die Bevölkerung gegen die verfassungsmäßigen Staatsorgane „auszuspielen“. (Kramer: 53)
Auch die Gewerkschaften gingen gegen kommunistische Funktionäre vor. Anlass war der Vorwurf der KPD, der DGB stelle, die „Gewerkschaftsorganisation in den Dienst der Kriegsvorbereitung“. Als Eugen Eberle, der kommunistische BR-Vorsitzende von Bosch-Feuerbach eine Distanzierung verweigerte, wurde aus dem Bundesvorstand des DGB und bald aus der IGM ausgeschlossen. Weil er in der Betriebsversammlung eine Resolution gegen die Remilitarisierung begründet hatte, konnte ihn die Firmenleitung im Februar 1952 fristlos entlassen. Die Resolution war mit „überwältigender Mehrheit“ angenommen worden, doch zu Solidaritätsaktionen für Eberle war die Belegschaft nicht bereit.
Sozialistische Außenpolitik?
Der Weg zur Widerbewaffnung, die Politik des Krieges, die die Welt an den Rand des Abgrund führte, war nicht alternativlos, doch spielten die Akteure nicht mit offenen Karten. Handfeste Interessen an offenen Märkten verkaufte Truman als „Freiheit“, und Stalin errichtete „Volksdemokratien“ über dem Willen dieser Völker. Doch auch Adenauer hatte „kein Vertrauen zum deutschen Volk“ und wollte eine Neutralität nicht, weil er von einer solchen Wiedervereinigung eine Linkswendung befürchtete, wie er dem britischen Hochkommissar anvertraute. (Stöver: 29) Umgekehrt galt das für Kommunisten wie Walter Ulbricht, der in der SBZ vollendete Tatsachen schaffen wollte. Ihr rigoroses Vorgehen allerdings musste auch eine gesamtdeutsche Friedensbewegung desavouieren, auf die doch Stalin setzte. Hinzu kam ein irrationaler Antikommunismus auch der SPD und der Gewerkschaften, welcher der zersplitterten Friedensbewegung die Möglichkeit nahm, sich auf Minimalziele wie die Volksbefragung zu einigen und der „Zeitenwende“ erfolgreich begegnen zu können.
Nur durch eine eigenständige Analyse der Klassenkräfte und ohne Anlehnung an die Großmächte, forderte Wolfgang Abendroth 1954 für eine „sozialistische Außenpolitik“, nur „durch ein klares Nein zur Wiederaufrüstung“ könne die Linke „eine echte Alternative“ entwickeln und einen Weg zur „sozialen Demokratie“ öffnen. (Abendroth 1954: 497f.)
Literatur
Abendroth, Wolfgang (1954): Eine klare Linie finden. Sozialistische Außenpolitik in der Bundesrepublik, Links Nr. 26, November, In: Gesammelte Schriften, Band 2, Hannover 2008
Abendroth, Wolfgang (1964): Aufstieg und Krise der deutschen Sozialdemokratie, Frankfurt a.M.
Andresen, Knud (2008): Zwischen Protest und Mitarbeit. Die widersprüchlichen Potentiale gewerkschaftlicher Friedenspolitik 1950-1955, in: Bald/Wette (Hrsg.): Alternativen zur Wiederbewaffnung, Essen
Baring, Arnulf (1971): Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, Bd. 2, München
Benz, Wolfgang (1996): Feindbild und Vorurteil, München
Kramer, Helmut: Die justizielle Verfolgung der westdeutschen Friedensbewegung in der frühen BRD, in: Detlef Bald, Wolfram Wette (2010): Friedensinitiativen in der Frühzeit des Kalten Krieges 1945-1955, Hamburg
Loth, Wilfried (1980): Die Teilung der Welt 1941-1955, München
Loth, Wilfried (2007): Die Sowjetunion und die deutsche Frage, Göttingen
Löwke, Udo F. (1969): Für den Fall, dass… SPD und Wehrfrage 1949-1955, Hannover
Merseburger, Peter (1997): Der schwierige Deutsche Kurt Schumacher, Berlin
Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, München 1982
Posser, Diether (1991): Anwalt im Kalten Krieg, München
Rupp, Hans Karl (1970): Außerparlamentarische Opposition in der Ära Adenauer, Köln
Schmid, Carlo (1979): Erinnerungen, München
Steininger, Rolf (Hrsg.): Die Doppelte Eindämmung, München 1973
Stöver, Bernd (2010): Deutschland im frühen kalten Krieg, in: Bald/Wette (Hrsg.): Friedensinitiativen in der Frühzeit des Kalten Krieges 1945-1955, Hamburg
Yergin, Daniel (1979); Der zerbrochene Frieden. Der Ursprung des Kalten Krieges und die Teilung Europas, Frankfurt
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