thyssenkrupp Steel Europe entledigt sich seiner Belegschaft

Demo in Kreuztal am 11.12.2024
Quelle: privat

Die Beschäftigten der thyssenkrupp Steel Europe (tkSE) führen in der aktuellen Klassenauseinandersetzung einen Abwehrkampf gegen die geplanten Maßnahmen der thyssenkrupp AG (tkAG) und ihrer Tochtergesellschaft der tkSE. Der Konzern plant im Kern 5.000 Arbeitsplätze bis 2030 zu vernichten und weitere 6.000 auszugliedern. Die Maßnahmen zielen darauf ab, die Konkurrenzfähigkeit in der Stahlbranche wieder herzustellen und auszubauen, den Profit für die Anleger zu erhöhen, die Belegschaften dafür zahlen zu lassen und diese inklusive ihrer Vertretungsorgane dauerhaft zu schwächen.

Die Fakten, die in der Fortführung des Artikels dargestellt werden, lassen sich wie folgt zusammenfassen und gewichten:

tkSE hat auf eine deutliche härtere Gangart zur Gewinnoptimierung geschaltet. Mit allen Mitteln soll die Stahlsparte abgestoßen werden. Hierfür hat der Vorstand im Unterschied zur bisherigen Vorgehensweise die Mitbestimmung, wie sie bisher schiedlich-friedlich gehandhabt wurde, mehr oder weniger aufgekündigt. Dies haben auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat so gesehen und sind zurückgetreten. Aber anstatt die Belegschaften über die Vorgänge genauer zu informieren, in die Betriebe zu gehen, zur Gegenwehr zu mobilisieren, haben sich die „Kollegen“ Gabriel und Wetzel (beide auch SPD-Mitglieder, S. Gabriel macht ja anderswo mittlerweile den lukrativen Mitbestimmer) ihrem Schweigegelübde unterworfen.

Immer wieder wurde sowohl in den Belegschaften als auch von verschiedenen Organisationen (z.B. NRW-Linke) die Forderung nach Vergesellschaftung/Verstaatlichung in die Diskussion gebracht. Dabei wurde nicht konkret ausgeführt, was man denn verstaatlichen wollte: lediglich tkSE, ganz tkAG oder gar die komplette dt. Stahlindustrie. Allein tkSE zu verstaatlichen macht wenig Sinn (ohne die Gewinnsparten) und wäre ein bleibendes Zuschussgeschäft (hier ist das Beispiel im Saarland eben kein Modell für tkSE). Die Eigentumsfrage an den Produktionsmitteln ist damit noch lange nicht gestellt.

Die Forderung war vor allem als Druckmittel gegen tkSE gedacht. Kapital-Eigner und Kapital-Funktionäre mussten diese „Drohung“ auch gar nicht ernst nehmen. Denn richtig wuchtig wurde dies nirgends formuliert. Zudem ist natürlich auch klar, dass es hierfür mobilisierte und kampfbereite Belegschaften erfordern würde. Doch genau dies scheut die IGM. So wichtig die Mahnwachen, Demonstration und Kundgebung für die Belegschaft in Eichen-Kreuztal waren, die bisherige Mobilisierung bei der tkAG jagt den tk-Funktionären keinen Schrecken ein.

Auch der Wahlkampf für den Bundestag im Februar wird in diesem Konflikt sichtbar. Es war natürlich zu erwarten, dass die jeweiligen Parteienvertreter jeglicher Couleur ihre Solidarität mit den bedrohten Noch-Beschäftigten in Eichen und überhaupt mit dem Siegerland (weil ja infolge 1800 weitere Arbeitsplätze mit den 600 in Eichen verloren gingen) bekunden würden. Aber Hubertus Heil als SPD-Noch-Arbeitsminister stach doch besonders hervor. Bei der Kundgebung auf dem Kreuztaler „Roten Platz“ (s.u.) machte er deutlich, wie (ja, auch perfide) die SPD sich hier positioniert: kein Wort, wie die „geschenkten“ bisherigen Milliarden an die tkAG wieder zurückgeholt werden könnten, dafür aber die Konnotation von Sicherung der Arbeitsplätze, nationalem Interesse bei der Stahlproduktion und der notwendigen Ausweitung der Rüstungsproduktion im Angesicht des Ukraine-Krieges. Nach dieser Redesequenz mischte sich in den Beifall auch etwas verhaltener Unmut bei den Kundgebungsteilnehmer:Innen.

Welche Auswirkungen auf Psyche und materielles Leben die Folgen dieser Drohkulisse auf die direkt Betroffenen haben, lässt sich geradezu mit Händen greifen. Die Gewinne, die die tkAG durch die Arbeit der Beschäftigten gemacht hat, wurden gerne genommen. Die Zugeständnisse bei Lohn und „Zuschüssen“, die die IGM in der Vergangenheit bereits getätigt hat, zählen nichts mehr. Weder Landes- noch Bundesregierung wollen tatsächlich klare Sicherungszusagen geben. Arbeitslosenzahlen steigen wieder gerade auch in Südwestfalen an. Vermochte der Arbeitsmarkt in den letzten 3 Jahren die auf die Strasse gesetzten Kolleg:Innen (Benteler, Dometic u.a.) noch aufzusaugen, so hat sich die Lage deutlich verschlechtert. Lediglich die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes – wieder auf Kosten der Allgemeinheit – wurde beschlossen.

Die große IGM erweist sich mit ihrer gescheiterten Mitbestimmung als zahnloser Tiger, der verzweifet einen Auswg für die tkAG mitsucht, aber wirkliche Kraft und Kampfsignale für die Kolleg:Innen nicht ausstrahlt.

Dadurch, dass tatsächlicher Schutz vor materiellem Absturz nicht wirklich zu sehen ist, wachsen Angst, Verzweiflung und Wut in den Belegschaften. Linke Organisationen bieten für die große Masse die Beschäftigten und Unbeschäftigten offensichtlich keine besondere Attraktivität. Die SPD taugt dafür seit langem nicht mehr. Die Linke hat den Focus mehr auf sich selbst und alternative Lebensformen gerichtet, das BSW betreibt Spiegelfechterei, das kleinere linke Spektrum bleibt weithin unsichtbar. Solange sich in der Arbeiter:innenschaft nicht selbst Kräfte entwickeln, die auch Stärke und Richtung vorgeben können, ist eher zu vermuten, dass populistische Kräfte zumindest bei Parlamentswahlen weiterhin an Zulauf erfahren werden.

Was hat im Einzelenen bei thyssenkrupp zu dieser Zuspitzung geführt?

Bei der tkAG waren am 30.09.2024 weltweit 98.120 Mitarbeitende beschäftigt, davon über 54.000 in Deutschland. Der Konzern ist in fünf Segmente aufgeteilt, von denen die tkSE mit weltweit mehr als 27.000 Beschäftigten das größte ist. tkSE ist ein integriertes Hüttenwerk, in dem auf Basis von Eisenerz Stahl produziert und in Stahl- und Walzwerken weiterverarbeitet wird.

tkSE hat in der Bundesrepublik mehrere Produktionsstandorte. Auf Deutschland bezogen sind lt. Wikipedia gut 23.000 Beschäftigte zu verzeichnen. Davon arbeiten knapp 1.000 in den Werken im Siegerland. Hier geht es um die Weiterverarbeitungswerke in Kreuztal-Eichen und in Kreuztal-Ferndorf. Auf das Werk Eichen entfallen gut 600 Beschäftigte, auf Ferndorf weniger als 400. In Eichen werden vor allem beschichtete Bleche für Kühlschränke und Waschmaschinen produziert.

Demo in Kreuztal am 11.12.2024
Quelle: privat

Demonstration gegen die geplanten Maßnahmen des Konzernes – Für den Erhalt des Werkes in Kreuztal-Eichen

Über die Presse erfuhren die Beschäftigten am Montagnachmittag, dem 25.11.2024, von dem geplanten massiven Arbeitsplatzabbau bei der tkSE. Geplant ist u.a., das Werk in Eichen zu schließen. Mit Einschnitten, bedingt durch die geplanten Veränderungen bei tkSE, hätten sie, so ein Betriebsrat, schon gerechnet, aber nicht in diesem Ausmaß. Aus der Belegschaft, so der WDR[1], war zu erfahren, dass das Werk keine roten Zahlen schreibt. Nach Auffassung des Betriebsratsvorsitzenden, Helmut Renk, macht die Schließung betriebswirtschaftlich keinen Sinn. Andree Jorgella, Bevollmächtigter der IG Metall Siegen, kündigte an, dass „wir…um den Standort kämpfen (werden).“[2] Nach Detlef Wetzel, ehemals Chef der IG Metall und bis Ende August 2024 stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats bei tkSE, war von der Schließung schon öfter die Rede. Bisher konnte dies jedoch verhindert werden. Seiner Kenntnis nach schrieb das Werk Eichen zuletzt sogar positive Zahlen. An der am Dienstag stattgefundenen Betriebsversammlung nahmen fast alle 600 Mitarbeiter des Werkes teil. Unterstützt wurden sie von Kollegen aus dem thyssenkrupp Werk im nahegelegenen Finnentrop. Der Vorstand war nicht dazu bereit oder in der Lage, die drängenden Fragen – etwa wie es jetzt weitergeht oder wann das Werk geschlossen werden soll – zu beantworten. Am Mittwoch trafen sich in Duisburg alle Betriebsräte des Konzernes, um gemeinsam mit dem Vorstand über die geplanten Maßnahmen zu sprechen und erhielten auf „drängende Fragen … wie genau der geplante Abbau von 5.000 Stellen bis 2030 sozialverträglich erfolgen könne, welche Werke wie stark betroffen sind und wo genau 6.000 Mitarbeiter zu externen Dienstleistern wechseln sollen“[3] letztliche keine klaren Antworten.

IG Metall und Gesamtbetriebsrat kündigten an, sich mit dem Vorstand erst wieder an einen Tisch zu setzen, „wenn der Konzern verbindliche Zusagen gebe, beim Stellenabbau auf Kündigungen zu verzichten und … die angekündigte Werksschließung in Kreuztal im Siegerland zurücknimmt.“[4] Angekündigt wurde auch die schon seit längerem für den 11.12.2024 geplante Solidaritätsaktion mit einer Demonstration für den Erhalt der Arbeitsplätze zu nutzen.

Die Demonstration am 11.12.2024 führte vom Werk in Eichen zum 4 Kilometer entfernten Roten Platz (benannt nach der roten Pflasterung ohne Bezug zur Arbeiterbewegung) in Kreuztal. Demonstration und Kundgebung waren u.a. begleitet von Rufen wie „López Raus!“ oder „Stahl muss fließen, Eichen darf nicht schließen“. Miguel López, den noch relativ neuen Chef der tkAG, machen die Beschäftigten verantwortlich für den geplanten Kahlschlag.

Die Angaben über die Beteiligung sind unterschiedlich. Nach Recherche des WDR nahmen 2.000 bis 2.500, laut Polizei rund 2.000 Menschen an der Demonstration teil. Angereist waren Delegationen aus anderen Standorten der tkSE. Nach Darstellung der Siegener Zeitung starteten in Eichen zunächst 700 Menschen. „Von Meter zu Meter schlossen sich mehr Menschen an, sodass zu Beginn der Kundgebung auf dem Roten Platz laut Polizei 2.000 Menschen ein Zeichen der Solidarität setzten.“[5] Die Demonstranten wurden von den schon auf dem Platz versammelten Menschen mit Beifall begrüßt. Der Sprecher der IG Metall sprach von mehr als 2.500 Menschen, die sich nun auf dem Platz versammelt haben.

Kolleg*innen aus anderen lokalen Betrieben, etwa der Deutschen Edelstahlwerke (Siegen-Geiweid), zollten ihre Solidarität. Der BR-Vorsitzende Helmut Renk hätte noch nie so planlose, ideenlose Vorstände erlebt. Er kritisiert, dass Menschen, die vom Stahl keine Ahnung haben, die Entscheidungen fällen können. Er forderte einen Plan für die Menschen, nicht gegen sie und betonte, dass die Belegschaft sich das nicht gefallen ließe. Andreas Müller (SPD, Landrat des Kreises Siegen Wittgenstein) ging mit der Konzernzentrale für seine Verhältnisse hart ins Gericht. Für die Schließung sehe er keinen plausiblen Grund außer Missmanagement und planloses Vorgehen. „Nicht nur für ihn sehe das gewaltig nach einem ‚Bauernopfer‘ aus, weit weg von der Konzernzentrale, ‚ohne Sinn und Verstand irgendwas zu machen‘, um Aktivität vorzutäuschen, die Börsen zu beruhigen.“ Seiner Auffassung nach sind Fehlentscheidungen zu einem Markenzeichen des thyssenkrupp-Vorstandes geworden.

Nach Auffassung von Hubertus Heil (SPD) hat die Entscheidung der tkAG Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft und zählt auf, dass es ohne Stahl keine Windenergie, keine Autos, keine Elektromobilität, keine Aufrüstung für die Bundeswehr gebe. Für diese Aufzählung bekam er Beifall. Er machte auch darauf aufmerksam, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass woanders Stahl produziert werde. „Es gehe nicht nur um Arbeitsplätze, sondern um Demokratie“[6]. Er erinnerte an die Sozialpartnerschaft und dass es einen gemeinsamen Interessenausgleich geben müsse. Er kündigte an, zur Überwindung des konjunkturellen Tales die Kurzarbeiter-Regelungen zu verändern.

Was sind die Ursachen für die Entwicklung bei tkSE

Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass die rohstahlproduzierende Industrie in Deutschland sich in harter Konkurrenz mit europäischen und insbesondere mit chinesischen Stahlproduzenten befindet. Eine weitere wesentliche Rolle spielt der weltweite Rückgang der Produktion in der Autoindustrie, die einer der Hauptabnehmer von Stahlprodukten ist. Eine Trendwende ist hier nicht in Sicht. Im Geschäftsbericht 2023/2024 geht die tkAG davon aus, dass die für sie wesentlichen flachstahlverarbeitenden Industrien wie bspw. die Automobilindustrie, Maschinenbau und Bauindustrie, weiterhin geringe Auftragseingänge verzeichnen und eine Belebung der Nachfrage in der EU frühestens im kommenden Jahr zu erwarten ist. Die Aussichten auf eine Erholung der Nachfrage sind jedoch unsicher.[7]

Von den Milliardenschweren Fehlinvestitionen in das Stahlwerk in Brasilien (2006 – 2017) und das Stahl- und Weiterverarbeitungswerk in den USA im Bundesstaat Alabama (2007 – 2013), die die tkAG fast in den Ruin getrieben hatten, ist aber nicht mehr die Rede. Der ehemalige tkAG-Chef Ekkehard Schulz wollte gemeinsam mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme die beiden Stahlwerke bauen, um mit deren Betrieb zum international dominierenden Anbieter zu werden. „Die Idee: Im Niedriglohnland Brasilien billig produzierte Brammen…werden in die USA und nach Europa gebracht und dann dort weiterverarbeitet. Es sollte das große Geschäft für Thyssen-Krupp werden…Insgesamt haben die beiden Werke Thyssen-Krupp zwölf Milliarden Euro gekostet. …Rund vier Milliarden brachte der Verkauf der Standorte…Unter dem Strich bleibt ein Minus von acht Milliarden Euro. ‚Das ist in unserer Bilanz auch heute noch spürbar. Die Aufarbeitung dieses Kapitels wird noch Jahre dauern‘, sagte Hiesinger am Mittwoch (22.02.2017).“[8] Noch Anfang 2020 konstatierte die neue Vorstandschefin Martina März, dass der Konzern heute noch unter den Folgen der Fehlinvestitionen in Brasilien und den USA leidet.[9] Und das dauert vermutlich heute noch an.

Die Krisenlösung der Konzernspitze

Für die Lösung der finanziellen Probleme des Mutterkonzerns tkAG müssen die Weichen gestellt werden. Eine wesentliche Maßnahme ist die Trennung der Tochterfirma tkSE vom Mutterkonzern tkAG. Die Vorstellung, die Stahlsparte aus dem Konzern zu lösen, ist nicht neu, scheiterte aber schon mehrmals. Noch unter dem Vorsitz der tkAG-Chefin Martina Merz wurde mit Unterstützung der Aktionäre in der Hauptversammlung im Februar 2023 der Prozess eingeleitet, den Konzern zu einer „Group of Companies“ umzubauen, damit die jeweiligen Geschäfte der Segmente selbstständiger geführt werden können.

Ende März ´23 stellte die tkAG-Chefin in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung ihre Vision vor. Die Aufsichtsratsmitglieder der IG Metall erklärten die Idee für gescheitert, da seit Monaten ein Gesamtkonzept fehle. Nach Jürgen Kerner, Vorstandsmitglied der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der tkAG, liegen die Probleme auf dem Tisch, und es wird Zeit zu handeln. Jedes Konzept werde die IG Metall an der Perspektive für die Geschäfte und die Beschäftigten messen.[10] Ursula Gather, die Kuratoriumsvorsitzende des größten Aktionärs der tkAG, die Essener Krupp-Stiftung, sorgt sich um den Profit des Unternehmens und stellt sich hinter Martina Merz, da sie davon überzeugt ist, „dass Thyssenkrupp mit dem … eingeschlagenen Kurs nachhaltig wettbewerbs- und langfristig dividendenfähig werden kann“.[11] Der Nachfolger für Martina Merz, Miguel López, stand zum Zeitpunkt des Rücktritts schon fest und wurde von dem Aufsichtsratsvorsitzenden, Siegfried Russwurm, dem damaligen Präsidenten des (BDI), lobend erwähnt. Miguel López ist seit 01.06.2023 Vorsitzender der tkAG und setzt die Arbeit seiner Vorgängerin fort.

Aus der Presse erfuhren Belegschaft, Betriebsräte und die IG Metall Anfang Oktober 2023, dass der tschechische milliardenschwere Unternehmer Daniel Kretinsky, Besitzer des Energieunternehmens EP Corporate Group (EPCG) mit einem Anteil von 50 Prozent an tkSE beteiligt werden soll und die tkAG den Verkauf noch im selben Monat über die Bühne bringen will. tkSE hofft, mit der Beteiligung des Energieunternehmens niedrigere Kosten für Energie zu haben und somit auch billiger und profitabler produzieren zu können.

Demo in Kreuztal am 11.12.2024
Quelle: privat

Reaktion des BR und der IG Metall

IG Metall und Betriebsräte fühlen sich völlig unzureichend informiert, „kritisierten das intransparente Verhalten der Konzernspitze aufs Schärfste…und verurteilen, wie der Deal an der Mitbestimmung vorbei eingestielt werden soll. Die Beschäftigten sollen – ohne wirklich gefragt zu werden – verschoben werden.“[12] In Info-Gesprächen mit dem Vorstand wurden sie über Verhandlungen der tkAG mit Daniel Kretinsky über seinen Einstieg in die tkSE informiert. Dabei wurde für die IG Metall und Betriebsräte deutlich, dass die Verhandlungen ohne Kenntnis der technischen Notwendigkeiten und auf Grundlage veralteter Zahlen geführt wurden.

IG Metall und Betriebsräte lehnen die Beteiligung mit 50 Prozent von Daniel Kretinsky an tkSE nicht grundsätzlich ab. Sie fordern jedoch klare Zusagen.

Auf einer Betriebsrätekonferenz Ende Oktober 2023, an der 200 Betriebsräte aus allen 13 Standorten teilgenommen hatten, blieb Miguel López Antworten schuldig. So konnte er nichts darüber sagen, wie er die Transformation über die Bühne bringen will und konnte die IG Metall und die Betriebsräte nicht von seinem Vorhaben überzeugen.

IG Metall und Betriebsräte stellen die Forderungen

  • „Nach einem tragfähigen industriellen Konzept unter Einbeziehung von HKM,
  • Eine mehrjährige Standort-, Beschäftigungs- und Anlagensicherung für tkSE und HKM,
  • Zusagen über ausgebliebene Investitionen,
  • Sicherheiten für die Finanzierung von tkSE und eine Finanzausstattung, die uns auf Höhe der Wettbewerber bringt,
  • Ein unabhängiges Fortführungsgutachten,
  • Kenntnis über die zukünftige Gesellschaftsstruktur,
  • Abschluss einer Fair-Owner-Vereinbarung mit der IG Metall.“[13]

Antworten darauf bekamen sie jedoch nicht. Die Beschäftigten stehen praktisch seit Jahresbeginn 2024 zum wiederholten Male vor der Ungewissheit, wohin sich der Konzern bewegt und wie sich die unbekannten geplanten Maßnahmen des Vorstandes zur Schaffung der profitablen Konkurrenzfähigkeit der tkAG auf ihre Löhne und insbesondere Arbeitsplätze auswirken. Nach Monaten der Aktivitäten der IG Metall und Belegschaften durch Mahnwachen, verschiedenen Demonstrationen u.a. in Duisburg und Essen, die die Befürchtungen um die Löhne und Arbeitsplätze zum Ausdruck brachten und bei denen sie ihren Forderungen, vornehmlich nach Erhalt der Standorte und Arbeitsplätze, gegenüber der Konzernspitze Nachdruck verliehen, ließ tkSE die Katze aus dem Sack und stellte das Zukunftskonzept vor.

Die aktuelle Konkretisierung der Krisenlösung

Die tkAG und tkSE stellten am 25.11.2024 „wesentliche Eckpunkte für industrielles Zukunftskonzept vor

  • Absenkung des Betriebspunktes auf ein Versandniveau von 8,7 bis 9,0 Millionen Tonnen.
  • Weiterverarbeitungsstandort in Kreuztal-Eichen soll geschlossen werden.
  • Ziel ist ein Abbau von ca. 5.000 Stellen durch Anpassungen in Produktion und Verwaltung bis 2030. Zudem sollen weitere 6.000 Arbeitsplätze durch Ausgliederungen auf externe Dienstleister oder den Verkauf von Geschäftstätigkeiten überführt werden.
  • Senkung der Personalkosten in den kommenden Jahren im Durchschnitt um zehn Prozent auf ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau.
  • Zukunftskonzept ist Grundlage für Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern, die Ausarbeitung des Business Plans und des IDW S6-Gutachtens.

Ein wesentliches Element zur notwendigen Kapazitätsreduzierung bleibt weiterhin die Trennung von den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM). Das vorrangige Ziel ist es dabei, die Unternehmensanteile an der HKM zu verkaufen. Sollte ein Verkauf nicht möglich sein, wird thyssenkrupp Steel mit den weiteren Gesellschaftern Gespräche über einvernehmliche Schließungsszenarien führen.“[14]

An den Hüttenwerken Krupp Mannesmann sind zu 50 % die tkSE, zu 30 % die Salzgitter Mannesmann GmbH und zu 20 % der französische Röhrenkonzern Vallourec beteiligt. Bei HKM sind rund 3.000 Beschäftigte zu verzeichnen. Davon fallen 1.500 in den Bereich, den tkSE ausgliedern will.[15]

Der neue tkSE-Chef Dennis Grimm[16] macht klar: „Es geht uns nicht darum, vorhandene Gewinne weiter zu maximieren. Wir befinden uns in einer ernsten wirtschaftlichen Lage und müssen überhaupt erst einmal dahin kommen, genügend Geld zu verdienen, um uns selbst zu finanzieren. Daher haben wir nicht viel Spielraum – und auch nicht viel Zeit.“ Seiner Auffassung nach sind die Personalkosten im Vergleich mit den Wettbewerbern auch in Europa zu hoch. Zudem sind die Anlagen nicht so effizient ausgelastet. Die Roheisenproduktion soll reduziert werden. So sei es sinnvoll, die Hochöfen 8 und 9 in Duisburg-Hamborn zu schließen und die beiden sehr wettbewerbsfähigen Hochöfen im Werksbereich Schwelgern vorerst weiterzubetreiben. Aktuell wird davon ausgegangen, dass der Hochofen 2 in Schwelgern durch einen Elektro-Ofen ersetzt wird. Die Hochöfen in Duisburg-Hamborn sollen stillgelegt werden, wenn die Direktreduktionsanlage läuft. Die für 2030 geplante Schließung des Standorts Castroper Straße in Bochum soll auf 2027 vorgezogen werden.

Zu der geplanten Schließung des Werkes in Eichen: „Wir haben uns sehr genau angesehen, wie profitabel und ausgelastet unsere jeweiligen Standorte sind. Dabei hat eine ausführliche Analyse unseres gesamten Produktionsnetzes ergeben, dass eine Schließung von Eichen betriebswirtschaftlich notwendig ist. Wir verlieren dort Geld ohne Aussicht auf nachhaltige Besserung. Hinzu kommt, dass wir die Produkte, die in diesem Werk hergestellt werden, größtenteils an andere Standorte verlagern können. Das hat nichts mit dem Einsatz der Mitarbeitenden und der Qualität ihrer Arbeit vor Ort zu tun.“[17]

Die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit wird für den montanmitbestimmten Konzern mit einer ungewöhnlichen Härte seitens der Eigentümer geführt.

Die tkAG ist eine Aktiengesellschaft. Ein Teil des Profits wird Anfang des Jahres an die Aktionäre ausgeschüttet. Soweit den Geschäftsberichten der tkAG zu entnehmen ist, wurden für die Geschäftsjahre 2017/18, 2018/19 und 2019/20 keine Ausschüttungen vorgenommen. Erst seit 2020/21 lag die Dividende pro Stückaktie bei 0,15 €. Ausgeschüttet wurden für die Geschäftsjahre 2020/21 und 2021/22 jeweils immerhin 93 Millionen Euro. Auch für das zurückliegende Geschäftsjahr 2023/24 sollen pro Stückaktie 0,15 €, insgesamt 93 Millionen Euro ausgezahlt werden.

Miguel López wandte sich im Februar 2024 auf der ordentlichen Hauptversammlung der tkAG an die Aktionäre und sicherte ihnen seine Unterstützung zu. „Gerade in den Gesprächen mit dem Kapitalmarkt war deutlich zu spüren, dass Sie als Aktionärinnen und Aktionäre unseres Unternehmens zuletzt über viele Jahre nicht zufrieden waren mit den Ergebnissen Ihres Unternehmens, mit der Rendite auf Ihr eingesetztes Kapital und mit der Entwicklung des Aktienkurses von thyssenkrupp. De facto konnten Sie damit auch nicht zufrieden sein.

Die Botschaft ist klar angekommen. Ich habe das in den vergangenen … Monaten auch zum Thema in meinen Gesprächen mit den Führungskräften und allen Mitarbeitenden im Unternehmen gemacht und es auch in Interviews öffentlich angesprochen: Wer sein Geld in Aktien von thyssenkrupp angelegt hat und dann feststellen muss, dass es weniger geworden ist und die Verzinsung nicht stimmt, kann das nicht gut finden.“[18]

Der Profit muss stimmen. Er machte allerdings keine Anstalten zu verraten, wie dies bewerkstelligt werden soll.

Anfang April `24 stellte der Vorstand[19] Grundzüge der Neuausrichtung vor, die im Wesentlichen darin bestehen, die heutige Produktionskapazität von rund 11,5 Millionen auf einen Zielkorridor von 9 bis 9,5 Millionen Tonnen zu reduzieren und damit der tatsächlichen Produktionstätigkeit der letzten drei Jahre anzupassen.

Der Vorstand verwies auch darauf, dass dies zu einem Abbau von Stellen in unbekanntem Ausmaß führen kann. Betriebsbedingte Kündigungen will der Konzern eigenen Angaben zufolge weiterhin vermeiden. Der Konzern will also seine Konkurrenzfähigkeit auf den Weltmarkt optimieren und zwingt seine Belegschaft dazu, zu seinen Gunsten auf Teile ihrer Lohneinkommen oder gar ihre Jobs zu verzichten.

Bis März 2026 gilt bei dem Unternehmen eine Beschäftigungsgarantie. Hierbei handelt es sich um den „Tarifvertrag 20-30“, abgeschlossen zwischen IG Metall und tkSE im März 2020 zur Sicherung der Arbeitsplätze.

Der Aufsichtsrat von der tk AG stimmte am 23.05.2024 „der Beteiligung des Energieunternehmens EP Corporate Group (EPCG) am Stahlgeschäft von thyssenkrupp“ (zu). Die Entscheidung wurde mit dem Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden getroffen gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter.“ Aufsichtsratsvorsitzender ist Siegfried Russwurm, ehemaliger Präsident des BDI.

Die Beteiligung der EPCG mit 20 Prozent am Stahlgeschäft von thyssenkrupp erfolgte Ende Juli. Mit der Beteiligung „hat thyssenkrupp einen weiteren wichtigen Fortschritt im Prozess der Neuausrichtung von thyssenkrupp Steel Europe und der vollständigen unternehmerischen Eigenständigkeit erreicht.[20]

„Der erfolgreiche Vollzug der 20-prozentigen Beteiligung von EPCG am Stahlgeschäft von thyssenkrupp ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zur unternehmerischen Eigenständigkeit des Stahlbereichs und einer resilienten, kosteneffizienten und klimaschonenden Stahlproduktion“, sagte Miguel López, Vorstandsvorsitzender der tkAG.

Die Geschäftspartner „sprechen bereits über den Erwerb weiterer 30 Prozent der Anteile am Stahlgeschäft von thyssenkrupp durch EPCG. Ziel ist die Bildung eines gleichberechtigten 50/50-Joint Ventures.“ Mit der Bildung des Jointventures ist tkSE nicht mehr Bestandteil der tkAG, sondern ein eigenständiges Unternehmen. Durch die Trennung der tkSE vom Mutterkonzern wird dieser keine Finanzlöcher bei tkSE mehr ausgleichen.

Mit Einstieg der EPCG lief der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV)[21] zwischen tkSE und tkAG zum Ende des Geschäftsjahres 2023/24 aus. Dieser Vertrag besagt, dass die Muttergesellschaft das Recht verliert, direkte Weisungen zu erteilen und die Gewinne der Tochtergesellschaft vollständig abzuführen. Dadurch entstand die Sorge um die Zahlungsfähigkeit der tkSE. Zu diesem Zeitpunkt war offen, wie die tkAG die tkSE finanziell ausstattet. In einem Gutachten kamen unabhängige Wirtschaftsprüfer zu einer sogenannten Fortführungsprognose für einen Zeitraum von 24 Monaten. Danach hat die tkAG eine Finanzierungszusage für die tkSE getroffen.

Die unterschiedlichen Interessen über den Trennungsprozess der Stahlsparte vom Mutterkonzern und der Finanzierung der ehemaligen Tochtergesellschaft führten zwischen dem Vorstand der tkAG und dem Vorstand von tkSE zu erheblichen Auseinandersetzungen. Über die Finanzierung wurde insofern eine Einigung erzielt, dass das Gutachten über mögliche Finanzierung nach Auslauf des BGAV in Auftrag gegeben und wie oben beschrieben positiv beschieden wurde.

In den anderen Fragen bekam der Konzernchef Miguel López Rückendeckung von den Anteilseignern und von dem Aufsichtsratsvorsitzenden Russwurm. Miguel López zerriss den Businessplan des Vorstandes von tkSE in der Luft. „Mit der darin vorgesehenen Reduzierung der Stahlproduktion von elf auf 9,5 Millionen Tonnen hätte die Weiterverarbeitung in Kreuztal leben können,“ sagt stellvertretender Betriebsratsvorsitzender Taylan Ronaesin, „damit wäre kein Standort von der Schließung bedroht gewesen.“[22]

Allerdings hatte Sigmar Gabriel als Aufsichtsratsvorsitzender der tkSE die Belegschaft über einen schmerzhaften Stellenabbau bedingt durch den neuen Businessplan in Kenntnis gesetzt. „Wie viele Arbeitsplätze betroffen sind, hängt unter anderem davon ab, ob es gelingt, das zweitgrößte Stahlwerk Deutschlands, das auch in Duisburg steht, die HKM, durch einen Verkauf weiterzubetreiben“, sagte Gabriel der Rheinischen Post. „Daran arbeiten wir mit Hochdruck.“

Zugleich bekräftigte er, dass es dabei keine betriebsbedingten Kündigungen geben solle.[23]

Sigmar Gabriel wurde seinen Worten nach vor mehr als zwei Jahren von Martina Merz darum gebeten, dem Aufsichtsrat der tkSE als Vorsitzender beizutreten. Ziel von Frau Merz sei gewesen, dem bis dahin vollständig aus leitenden Angestellten der tkAG bestehenden Aufsichtsrat der tkSE eine stärkere Unabhängigkeit zu ermöglichen. So sollte ein eigenverantwortlicher Aufsichtsrat von tkSE sicherstellen, „ dass der geplante Prozess der Trennung der thyssenkrupp Steel Europe AG vom Mutterkonzern fair und nicht zu Lasten der thyssenkrupp Steel Europe AG verlaufen würde.“[24]

Diese Auseinandersetzungen führten dazu, dass „Bernhard Osburg (Stahl-Chef), Markus Grolms und … Heike Denecke-Arnold …drei Vorstandsmitglieder gehen (mussten). Und am Abend [Datum?] erklären nach der Sitzung vier Aufsichtsräte ihren Rücktritt. Darunter Chefkontrolleur Gabriel und sein Stellvertreter, der frühere IG Metall-Chef Wetzel.“[25]

Damit war nun auch der „Schutzschirm“ auf Seite der Tochtergesellschaft gegenüber den Interessen der Muttergesellschaft zerstört.

Die IG Metall und die Betriebsräte lehnen die Umorganisation von tkSE vom Grundsatz her nicht ab. Den bisherigen Änderungen – Beteiligung von EPCG an der Stahlsparte – haben sie nicht zugestimmt. Die IG Metall und auch die BR-Vorsitzenden haben sich dahingehend geäußert, dass sie diesem Geschäftsmodell zustimmen können.

Sie sind erst dazu bereit, über diesen Prozess zu verhandeln, wenn sie die Garantie bekommen haben, dass es keine Betriebsschließungen gibt und auch keine betriebsbedingten Kündigungen. In der sogenannten Duisburger Erklärung des Gesamtbetriebsrates und der Betriebsrätearbeitsgemeinschaft vom 25.11.2024 (als PDF zum Download) wird auf die Eckpunkte ablehnend eingegangen. Hier nur einige Punkte:

Mitbestimmung:

„Zur Zusammenarbeit des Vorstands der thyssenkrupp AG mit der Mitbestimmung haben wir eine andere Wahrnehmung als der CEO der thyssenkrupp AG, der auf der Bilanzpressekonferenz von „gewohnter, vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Mitbestimmung“ gesprochen hat. Es gibt keine Sozialpartnerschaft mehr bei thyssenkrupp.

Zusammenfassende Beurteilung der Eckpunkte:

„Wir stellen fest, dass es bei den vorgestellten Eckpunkten um einen brutalen Kahlschlagsplan handelt, den wir so noch nie gesehen haben. Es gibt keine Zusagen zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen über März 2026 – so lange gilt der aktuelle Tarifvertrag Zukunft – hinaus. Solange es diese nicht gibt und der Erhalt der Standorte nicht garantiert wird bzw. der Standort Eichen im Siegerland von der Streichliste verschwindet, wird es keine Verhandlungen mit der Mitbestimmung geben.

Die Betriebsratsvorsitzenden der thyssenkrupp Steel Europe AG sowie der Tochtergesellschaften.“

r&g, si, 02.02.2025


[1]vgl. Thyssenkrupp schließt Standort Kreutal, Lokalzeit Südwesfalen, 25.11.2024)
[2]Entsetzen in Kreuztal: Thyssenkrupp Steel gibt Werk in Eichen auf, Westfälische Rundschau vom 26.11.2024
[3]Emotionale Krisensitzung der Thyssenkrupp-Betriebsräte in Duisburg, WDR 27.11.2024
[4]Emotionale Krisensitzung der Thyssenkrupp-Betriebsräte in Duisburg, WDR 27.11.2024
[5]2000 Menschen kämpfen um Standorterhalt, Siegener Zeitung 12.12.2024
[6]Thyssenkrupp: Blanke Wut auf die Bosse, Westfälische Rundschau 13.12.2024
[7]vgl. Geschäftsbericht 2023/2024, thyssenkrupp, 43-44
[8]Größenwahn kostet 8 Milliarden Euro, Süddeutsche Zeitung vom 23.02.2017
[9]vgl. Am Traum von Thyssenkrupp verdienen nun andere, Süddeutsche Zeitung vom 10.01.2020
[10]vgl. Martina Merz tritt als Thyssenkrupp-Chefin zurück, Der Spiegel, 24.04.2023
[11]Martina Merz tritt als Thyssenkrupp-Chefin zurück, Der Spiegel, 24.04.2023
[12]Stahlnachrichten Extra, Informationen für die Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel Europe, IG-Metall 09.10.2023
[13]Stahlnachrichten Extra, Informationen für die Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel Europe, IG-Metall 25.10.2023
[14]thyssenkrupp Steel stellt wesentliche Eckpunkte für industrielles Zukunftskonzept vor, Presseerklärung vom 25.11.2024
[15]vgl. NRW-Ministerin , Zukunft vom HKM: Neubaur fordert „klare Perspektive“, WAZ vom 29.11.2024
[16]vgl. „Es geht um das langfristige Überleben“, Thyssenkrupp-Stahlchef Dennis Grimm verteidigt seine Pläne für den Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen, Interview, Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 03.12.2024
[17]„Es geht um das langfristige Überleben“, Thyssenkrupp-Stahlchef Dennis Grimm verteidigt seine Pläne für den Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen, Interview, Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 03.12.2024
[18]Miguel López, Ausführungen anlässlich der ordentlichen Hauptversammlung der thyssenkrupp AG am 2. Februar 2024 im RuhrCongress Bochum
[19]thyssenkrupp Steel-Vorstand reagiert auf herausfordernde Marktbedingungen und stellt erste konzeptionelle Grundzüge einer strukturellen Neuaufstellung vor, Tagespresse 11.04.2024
[20]vgl. Presseerklärungen tsk vom 23.05.24 und 30.07.24
[21]vgl. https://www.kettner-edelmetalle.de/news/thyssenkrupp-in-der-krise-wirtschaftsminister-habeck-zeigt-sich-besorgt-30-08-2024 und Gutachten: „Positive Fortführungsprognose“ für Thyssenkrupp Steel – Report-K vom 24.11.2024
[22]Der gehört rausgeschmissen, Westfälische Rundschau vom 03.09.2024, Taylan Ronaesin ist stellv. Betriebsratsvorsitzender des Werkes in Eichen
[23]Sigmar Gabriel kündigt Stellenabbau für Thyssenkrupp Steel an, MarketScreener, 26.07.2024
[24]Gabriel verlässt Aufsichtsrat von thyssenkrupp Steel, Home of Steel 30.08.2024
[25]Gabriel wünscht „bessere Eigentümer“, Westfälische Rundschau 30.08.2024

1 Kommentar

  1. Nachfolgend ein Kommentar, der uns per Email zugeschickt wurde:

    Zusammenhänge in der kriselnden Wirtschaft Deutschlands und der EU
    Die Führung der Europäischen Union hat inzwischen gesehen, dass jährlich 800 Milliarden Euro in der EU investiert werden müssten, um gegenüber den USA und China konkurrenzfähig zu sein. Anderenfalls würde es einen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Niedergang geben: Denn in der EU, also auch in Deutschland ist die Dekarbonisierung nicht realisiert worden; Produktionsgewinne durch eine digitale Revolution wurden verpasst. Energiepreise konnten nicht gesenkt werden, sind also zu hoch. Der Mittelstand klagt über eine schwache Konsumneigung und geringe Investitionstätigkeiten. Soziale Probleme sind bei der arbeitenden Bevölkerung hochgekommen.
    So erlebt Deutschland seine längste Rezession seit 20 Jahren: Europas größte Volkswirtschaft war 2024 um 02,% zurückgegangen, und 2023 schon um 0,3% zum Vorjahr. Die Unternehmer hätten gerne niedrigere Energiekosten, doch die Gaslieferungen aus Russland unterliegen dem politischen Druck im Westen. Folglich wurden weniger Maschinen und Autos gebaut. Die energieintensive Chemieindustrie musste ihre Investitionen senken.
    Nicht wenige europäische Betriebe sind in den letzten Jahren in die USA ausgewandert, um besonders profitabel zu produzieren. Sie sahen: Dort schreitet die Revolutionierung der Produktionstechnik – auch mit Künstlicher Intelligenz KI – rasant voran.
    Der zweite große Konkurrent auf dem Weltmarkt ist China, das im Gegensatz zu den westlichen Staaten völlig andere, gegensätzliche gesellschaftliche Voraussetzungen hat: Nach dem 2. Weltkrieg siegte 1949 eine von Bauern getragene soziale Revolution und verdrängte die ausländischen Truppen über die chinesischen Grenzen hinaus. Unter der Führung der KPCh begann nach und nach im ganzen Lande eine industrielle Revolution, die zunächst noch von privaten Unternehmen getragen wurde, z. T. noch heute getragen wird. Doch allmählich setzte sich die Vergesellschaftung durch, der allgemeine Lebensstandard konnte angehoben werden, so dass heute viele Bauern- und Arbeiterkinder auf neu gegründeten Universitäten studieren und an wissenschaftlichen Forschungen teilnehmen können.
    Ein überraschender Erfolg in der KI-Forschung und -Entwicklung in China stellt nun die Trump-Politik, die auch China im internationalen Handel abhängen wollte, mit dem Start-up Deep-Seek Trumps Wünsche einer weltweiten Vormachtstellung vor Probleme: Sollten doch nach seinem Wunsch eigentlich drei große Unternehmen die KI in den USA vorantreiben, so hat das Deep-Seek erst einmal ein Börsenbeben in den USA ausgelöst. Des weiteren realisiert Chinas Rederei KAWA jetzt eine vertragliche Expresslinie zwischen dem Tiefseehafen Wilhelmshafen und dem chinesischen Hafen Ningbo: So soll der Warentransport zwischen China und Europa mit 25-Tage-Fahrten beschleunigt werden. Der bisherige Weg ist nicht mehr sicher.
    VW-Arbeiter als Motor: In Deutschland waren die VW-Beschäftigten die ersten, die ihren Unmut auf den Betriebsversammlungen der vielen VW-Betriebe – zuerst in Wolfsburg – deutlich machten, denn die Leitung des Mutterkonzerns kündigte ein Sparprogramm an, mit dem sie die Arbeitskosten senken wollte, und Betriebsschließungen ausdrücklich nicht ausschloss. Die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates Daniela Cavallo, kritisierte die Leitung von VW scharf: keine Betriebsschließungen und keine Entlassungen aus betrieblichen Gründen. Die Masse der Masse der Wolfsburger VW-Beschäftigten stellte sich auf der Betriebsversammlung hinter sie und skandierte: „Streik – bereit!“
    Abbau bei VW ist z. B. auch in Amsterdam angesagt gewesen. Tochter Audi erwog, das Werk in Brüssel zu schließen und beriet dort seit Monaten mit Betriebsräten und Gewerkschaften darüber.
    Noch vor den anstehenden Tarifverhandlungen gab es eine Massendemonstration von VW-Beschäftigten in Hannover: 7% Lohnerhöhung wurden gefordert und die angekündigten Betriebsschließungen vieler Produktionsstätten auf das Schärfste abgelehnt.
    Die IG Metall kündigte in der vorgezogenen VW-Tarifrunde eine Auseinandersetzung mit den Unternehmern an, die sich „gewaschen“ habe, sollten die Unternehmer, die auch jetzt hohe Dividende an ihre Aktionäre gezahlt haben, an ihren Sparplänen festhalten, die da heißen „Kostensenkung statt Kostenerhöhung“. Auch um Zwickau herum ist der ganze Bereich betroffen gewesen. Schließlich kündigte die VW-Leitung eine Einigung bis Weihnachten an: Die Realisierung war schon nicht mehr erwartet worden: Nach Weihnachten ging es durch die Medien: Die Leitung des Konzerns nahm die Forderungen der IGM an, und setzte ihre Forderungen teilweise in den verbliebenen Lücken durch; auch der Vorstand beteiligte sich an der Kürzung des Einkommens. Die Belastung des Weihnachtsfestes durch solch einen Arbeitskampf wollten sie wohl nicht wagen. Inzwischen haben sich in Dänemark und Norwegen die E-Autos durchgesetzt. Die Regierungen haben für ihre Anschaffung günstige Bedingungen geschaffen.
    Die deutsche Maschinenbauindustrie hatte im Jahr 2024 weniger zu tun als erwartet: Aus ihren wichtigsten ausländischen Märkten USA und China sind weniger Aufträge gekommen. Bei Auto- und Maschinenbauproduzenten ist deshalb ein Produktionsrückgang zu verzeichnen. Wollen sie nicht abgehängt werden, konkurrenzfähig bleiben, müssen sie mehr investieren.
    Der Konkurrenzkampf im Kapitalismus zeigt seine Folgen. Der Produktionsrückgang in der gesamten Wirtschaft der EU hat auch Auswirkungen auf den Mittelstand: Dadurch, dass die arbeitende Bevölkerung ihren Konsum einschränken muss, kauft sie weniger ein, nur das Notwendigste. Kleine Kaufläden, Gaststätten bekommen Schwierigkeiten, viele gehen pleite. Der Getränkehersteller Coca-Cola und mehrere große Verkaufsketten haben nicht wenige Standorte geschlossen: Arbeiter standen auf der Straße. Wie auch der Staat betroffen ist, zeigt sich bei vielen Autobahn- und Eisenbahnbrücken: ihre Standsicherheit und damit die Verkehrssicherheit sind nicht mehr gegeben.
    Die europäischen Bourgeoisien, besonders die Industriellen, sehen in China einen Konkurrenten, der abgedrängt werden müsse: Die EU hat beschlossen, die Zölle für die Einfuhr chinesischer Waren zu erhöhen. Der deutsche Kanzler hat da nicht mitgemacht: Deutschland hat in der Volksrepublik einen großen Abnehmer deutscher Produkte, und Produkte deutscher Firmen in China (z.B. VW) werden auch aus China ausgeführt.
    Die USA planen ein Verbot für Autosysteme aus China und Russland (wie z. B. Kameras, Mikrophone) für die Fahrzeugvernetzung auf dem US-Markt ab 2027. Bei Thyssen-Krupp-Automation in Bremen sollen 420 Arbeitsplätze wegfallen. Der dortige BR glaubt an die perspektivische Aussicht auf den Antrieb durch Wasserstoff. In Schweden sollen schätzungsweise 1600 Arbeiter in Batteriewerken für Autos entlassen werden, (ca. ¼ der Gesamtbelegschaft von Northvolt). Dafür soll die Großproduktion in einem Werk in Skelleftea hochgefahren werden.
    Die Klimaerwärmung wirkt als Bremser in der Wirtschaft: Die bisherige Nutzung von Kohle als Energiequelle muss zwangsläufig möglichst schnell zu zurückgefahren werden. Die Verbrenner in Kraftfahrzeugen müssen ersetzt werden: Notwendig ist heute ein E-Auto, für das der Antrieb gesichert sein muss. Wie das möglich ist, wird in Skandinavien gezeigt. Die Umstellung bringt besonders in der Produktion Probleme mit sich: die Versorgung mit Elektrizität, den Wegfall der Wegfall des russischen Erdgases als billige Energiequelle für die industrielle Produktion, und den Wegfall von Arbeitsplätzen. In Deutschland sinkt die Stahlproduktion. In den Hochöfen wird immer weniger Stahl mit Kohlefeuer gewonnen, sondern zunehmend mit der Energie der Elektrizität, bzw. mit Wasserstoff. Auch hier fallen dadurch Arbeitsplätze weg.
    Deutschland erlebt seine längste Rezession seit 20 Jahren. Das Bruttoinlandprodukt sank 2024 um 0,2% zum Vorjahr. Europas größte Volkswirtschaft war schon 2023 um 0,3% zurückgegangen. Es ist die längste Stagnationsphase der Nachkriegsgeschichte. Die Unternehmer fordern Bürokratieabbau und Steuersenkungen. Niedrigere Energiekosten hätten sie gerne, doch die Gaslieferungen aus Russland unterliegen dem politischen Druck im Westen. Folglich wurden weniger Maschinen und Autos gebaut; in der energieintensiven Chemieindustrie blieb die Fertigung auf niedrigem Niveau: Investitionen sanken.
    Der wiedergewählte US-Präsident Trump hatte – wie vorher angekündigt – für die angrenzenden Nachbarländer die Zölle deutlich zu erhöhen: Nun sind die Importe aus den US-Nachbarländern, die angekündigten Zollerhöhungen für die angrenzenden Nachbarstaaten verschoben worden, nachdem die Nachbarländer die Einwanderung ihrer Bürger in die USA stark eingeschränkt haben.
    Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) macht (nicht nur) in der Autoindustrie einen Teil der Arbeitsplätze für die Profitproduktion überflüssig. Die Absatzschwäche der Autobauer wirkt sich auf die Umsätze der ganzen Branche aus. Thyssen-Krupp hat Milliardenverluste: 35 000 Beschäftigte sind betroffen. Siemens macht Rekordgewinne und baut gleichzeitig Jobs ab. Die Erlöse des wichtigsten deutschen Industriezweiges gingen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nominal um 4,7% zurück. Doch die neuen Erfolge Chinas in der Erforschung der Künstlichen Intelligenz, die so gar nicht in Trumps Vorstellungen von einer Weltherrschaft der USA unter seiner Führung passen, haben das Bild des Welthandels schnell verändert. Nicht nur die Trump-Regierung war geschockt. Dabei hatte Trump den US-Firmen doch nur erlaubt, nach China Chips zu verkaufen, die nur wenig stark sind. China hat nun mit dem Start-up Deep-Seek einen Riesenschritt in der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz KI geschaffen, der in den USA erst einmal ein starkes Börsenbeben ausgelöst hat.
    Der Klimawandel ist für die große Mehrheit der Menschen – auch bei uns – keine konkrete, fassbare Bedrohung. Sie sehen ihn als schleichenden Prozess. Doch in diesem Prozess steigt der Meeresspiegel und wird zur Bedrohung. Das Abschmelzen der Gletscher führt zu einem Trinkwassermangel. Es wird immer mehr Regionen geben, in denen man nicht mehr leben kann. Über das Klima wird nicht gesprochen, weil es so viele Krisen auf unserer Erde gibt. Doch Wirtschaft ohne Klimaschutz wird langfristig den Wohlstand zerstören.
    6.2.25

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