Nach drei ergebnislos verlaufenen Treffen hat die Verhandlungskommission von ver.di beim vierten das vom Arbeitgeber Post vorgelegte Tarifangebot angenommen. Dies sieht vor, dass die Entgelte für die Beschäftigten ab 01.04.2025 um 2 % erhöht werden sollen. Am 01.04.2026 werden sie um weitere 3 % angehoben. Außerdem bekommen alle Tarifkräfte ab 01.01.2026 einen zusätzlichen Urlaubstag und diejenigen, die bereits sechzehn Jahre im Unternehmen beschäftigt sind, einen weiteren. Einen freien Tag nur für Gewerkschaftsmitglieder wird es nicht geben. Die Laufzeit des Lohntarifvertrages beträgt 24 Monate. Er ist erstmals zum 31.12.2026 kündbar. Die für die Beamten wichtige Postzulage wird weitergezahlt.
Damit konnte die Gewerkschaft bei den Urlaubstagen knapp die Hälfte ihrer Forderung durchsetzen, bei den Löhnen dagegen für das Jahr 2025 nur etwa 20 %.
Aufstellung der Forderung unter Beteiligung der Mitglieder
Nach der Niederlage im Kampf um die Ausgliederung der Delivery 2015 hatte der für die Verhandlungen mit der Post zuständige Fachbereich E von ver.di beschlossen, zukünftig die Gewerkschaftsmitglieder sowohl bei der Aufstellung der Forderungen wie bei der Annahme des Verhandlungsergebnisses zu beteiligen.
Im Herbst 2024 schlug die Tarifabteilung des Fachbereiches den Gewerkschaftsmitgliedern vor, die Lohntarife zum Jahresende zu kündigen und eine Erhöhung der Entgelte um 6 % zu fordern.
Beachtliche 45.000 Mitglieder beteiligten sich an der Debatte. Dies sind mehr als 50 % der in ver.di organisierten Beschäftigten. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden sah die Prozentforderung als zu niedrig an, sodass die Konzerntarifkommission sie auf 7 % erhöhte. Zusätzlich wollten die Mitglieder mehr Freizeit haben. Dies führte zur Aufnahme von drei Urlaubstagen in den Forderungskatalog. Vor allem die ehrenamtlichen Gewerkschaftsmitglieder verlangten, einen weiteren freien Tag exklusiv für Gewerkschaftsmitglieder zu fordern.
Zähe Verhandlungsrunden
Zur Vorbereitung der Tarifrunde ließ ver.di in allen Niederlassungen von den gewerkschaftsnahen Betriebsratsgremien Betriebsversammlungen einberufen. Auf ihnen traten die führenden Mitglieder des Fachbereiches auf und erläuterten die Forderungen. Das Forderungspaket fand die Zustimmung der anwesenden Kolleg:innen. Sie ließen allerdings keinen Zweifel daran, dass ein Ergebnis deutlich oberhalb der Inflationsrate herauskommen müsste.
In der ersten Verhandlungsrunde Anfang Januar 2025 trug ver.di ihre Vorstellungen von einem Tarifabschluss vor. Die Post lehnte diese sie mit Verweis auf die problematische Ertragslage[1] als deutlich zu hoch ab, betonte aber, dass sie für das kommende Treffen einen Lösungsvorschlag unterbreiten werde.
Ver.di setzte daraufhin die geplanten Streiks aus. Die Post interpretierte dies als Schwäche und legte bei der zweiten Verhandlungsrunde kein Angebot vor.
Die Missachtung ihres Entgegenkommens wollte ver.di sich nicht gefallen lassen. Die zentrale Arbeitskampfleitung organisierte bundesweit Streiks in allen wichtigen Bereichen. Die Kolleg:innen der Zustellung wie die der Paket- und Briefzentren legten in mehreren Wellen die Arbeit nieder, sodass die Bearbeitung der Sendungen und deren Auslieferung sich um mehrere Tage verzögerte. Die Beteiligung entsprach den Erwartungen.
Doch die Hoffnung, dass man sich nach dieser kleinen Machtdemonstration in der kommenden Verhandlungsrunde Mitte Februar auf ein zufriedenstellendes Ergebnis werde einigen können, war verfrüht. Die Post legte ein äußerst niedriges Angebot vor. Die Laufzeit des Vertrages sollte 27 Monate betragen, die Gehälter erstmalig im Juli 2025 um 1,8 % erhöht werden und dann noch einmal im Oktober 2026 um 2,0 %. Einen Urlaubstag sollten nur diejenigen erhalten, die noch keine 30 Tage Anspruch besaßen.
Ver.di sah dies als Provokation an. Die Verhandlungskommission und dann auch die Konzerntarifkommission lehnten den Vorschlag ab. Doch sie wollten die Verhandlungen nicht für gescheitert erklären. Sie schlugen der Post vor, einen erneuten Einigungsversuch in einer vierten Verhandlungsrunde zu unternehmen.
Da die Bundestagswahlen bevorstanden, wurde ein Treffen erst für Anfang März verabredet.
Klar war der Gewerkschaft, dass sie eine Verbesserung des Angebotes nur werde erzielen können, wenn sie noch einmal eine breite Warnstreikwelle organisieren würde.
Ende Februar rief ver.di dann die Beschäftigten republikweit in allen Betriebsstätten zu eintägigen Arbeitsniederlegungen auf. Die Gewerkschaft setzte regionale wie betriebliche Schwerpunkte. Die Streiks zogen sich über mehrere Tage hin. An vielen Orten gab es vor den Brief- und Paketzentren Kundgebungen der Kolleg:innen.
Konzerntarifkommission zögert mit der Annahme des Ergebnisses
Nach erneut langen und zähen Diskussionen über einzelne Punkte des Forderungskataloges legte die Post noch am ersten Verhandlungstag den oben näher beschriebenen Vorschlag für einen Tarifabschluss vor.
Rechnet man die Erhöhung der Tarifgehälter um auf Jahresbasis, so steigen die Löhne der Postbeschäftigten im Jahr 2025 real um 1,5 % und im zweiten Jahr um 2,25 %. Für das aktuelle Jahr kann bereits jetzt vorhergesagt werden, dass die Inflationsrate nicht ausgeglichen wird. Für das Jahr 2026 ist nach heutigem Stand eine massive Kreditaufnahme des Staates zur Finanzierung der Aufrüstung zu erwarten und damit ein deutlicher Anstieg der Preise.
Während die Verhandlungskommission empfahl, das Angebot anzunehmen, blieb die Konzerntarifkommission, die im Wesentlichen aus ehrenamtlichen Gewerkschafter:innen besteht, zögerlich. Sie sah, dass es weit unter den Erwartungen vieler Mitglieder lag. Da sie aber selbst nicht die Verantwortung für eine Ablehnung übernehmen wollte, beschloss sie, ihre Entscheidung erst nach einem Votum der Mitglieder fällen zu wollen.
Eine Befragung der Gewerkschaftsmitglieder ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, doch sie folgt bei ver.di keinen klar umrissenen Regeln. Sie wird organisiert als aufsuchende Abstimmung. Wer zufällig anwesend ist, wenn die Vertrauensleute mit den Stimmzetteln und Wahlurnen im Betrieb erscheinen, kann sein Votum abgeben. Wer im Urlaub ist oder Überstunden abbummelt hat ebenso Pech wie diejenigen, die krank sind. Eine schriftliche Äußerung ist nicht vorgesehen. Auch die Auszählung folgt nicht rechtlichen Standards. Außerdem gibt es für die Konzerntarifkommission keine Verpflichtung, sich an ein Votum der Mitglieder zu halten. Ende März ist ein Ergebnis der Befragung zu erwarten.
Ferner ist der Prozess der Entscheidungsfindung nicht demokratisch organisiert. Während die Verhandlungskommission und der Vorstand von ver.di die Medien der Gewerkschaft ohne Einschränkung nutzen können, bleibt dies möglichen Kritikern verwehrt. Sie können sich nur in den Betriebsgruppen zu Wort melden. Ihnen fehlt eine bundesweite Koordination.
Weiterer Rückgang der Einkommen
Die Realeinkommen der Tarifbeschäftigten Postler bewegen sich seit 2022 in einem steten Abwärtsprozess, nimmt man die tabellenwirksamen Löhne als Maßstab. Die aktuelle Lohnrunde konnte ihn nicht stoppen. Die Inflationsausgleichsprämie hat diesen Trend zeitweise vernebelt.
Die Inflationsausgleichsprämie, die steuer- und sozialabgabenfrei ausgezahlt wurde, hat riesige Löcher in die Staatshaushalte und in die Sozialkassen gerissen. Letztere werden derzeit durch drastische Erhöhungen der Beiträge gestopft[2].
Wenn die Beschäftigten zunehmend sehen, dass sich trotz harter Arbeit ein normales Leben für sie und ihre Familien nicht mehr führen lässt, werden sie sich zunehmend von der Gewerkschaft abwenden und nach politischen Lösungen im rechten Parteienspektrum suchen. Bei der letzten Bundestagswahl haben bereits 38 % der Arbeiter: innen die AfD gewählt, diverse Kleinstparteien kommen noch hinzu.
In der abgelaufenen Tarifrunde mussten die Postler sehen, dass die Gewerkschaft kraftlos in die Auseinandersetzung ging und eine Lösung nur am Verhandlungstisch suchte. Auch die erkennbare Unzufriedenheit mit dem letzten Tarifabschluss – ca. 40 % der Gewerkschaftsmitglieder votierten damals gegen den Abschluss[3] – bildete für die Gewerkschaftsspitze keinen unbedingten Ansporn, ein deutlich besseres Ergebnis herausholen zu müssen. Schaut man nur auf die Einkommenssituation der Postbeschäftigten ist es nicht verwunderlich, dass der Organisationsgrad im Unternehmen, wenn auch schleichend, stetig zurückgeht.
Neuausrichtung des Postkonzerns
Die Lage der Postbeschäftigten wird sich in den kommenden Jahren noch dramatisch zuspitzen. Wie bei der letzten Aktionärsversammlung von Vertretern größerer Fonds gefordert, wird die Post den Bereich Brief und Paket vom Mutterkonzern abspalten und in eine eigene Aktiengesellschaft überführen. In die wird sie noch die Pensionsverpflichtungen und die sog. Rechtsrisiken verlagern. Beide stellen Bilanzposten dar, die die Gewinne drücken. Zwar werden alle Tarifverträge und die Spezialabkommen zur Anzahl der Betriebsräte in den Organisationseinheiten übernommen. Doch diese Zugeständnisse bieten keine Gewähr, dass die Post zukünftig auf harte betriebswirtschaftliche Maßnahmen verzichten wird.
Die Vorgehensweise der Post folgt dem Drehbuch von Konzernen, die einen Teil des Unternehmens abstoßen wollen. Ob die Deutsche Post AG, wie der abgespaltene Unternehmensteil zukünftig heißen soll, vergleichbar der British Mail an einen Investor verkauft wird, ob sie an den Staat zurückgegeben werden soll oder gar wie in Dänemark der Briefbetrieb ganz eingestellt wird, ist noch nicht abzusehen.
Als Vorgeschmack auf die harten Zeiten, die auf die Postler zu kommen werden, verkündete das Unternehmen unmittelbar nach Abschluss der Tarifrunde, dass es in naher Zukunft 8.000 Arbeitsplätze, wohlgemerkt Vollzeitarbeitsplätze, abbauen werde. Befristete Verträge werden schon derzeit nur selten verlängert, unbefristete Arbeitsverträge in der Probezeit gekündigt und, wo immer möglich, Abrufkräfte eingesetzt.
Mit dem neuen Postgesetz hat das Unternehmen zwar weiterhin einen Anspruch auf steten Gewinn, der etwa durch Portoerhöhungen gesichert wird, doch bei stark rückgängigen Briefmengen und einem stagnierenden Paketgeschäft wird die Profitmasse immer geringer. Und die Möglichkeiten, wie in früheren Jahren Sonderprofite zu erzielen etwa durch den Verkauf von Immobilien oder mittels der Ausgliederung wenig renditeträchtiger Bereiche wie den Transport, sind nahezu erschöpft. Es ist fast nichts mehr da, was sich noch verwerten lässt.
Um sich auf die sich anbahnenden Konflikte über den Charakter des Unternehmens vorzubereiten, wäre es erforderlich, eine starke Gegenmacht zu organisieren. So könnte man als ersten Schritt die Rückkehr von Postdienstleitungen in die Daseinsvorsorge fordern, dafür gesellschaftliche und politische Bündnispartner suchen und mit ihnen gemeinsame Strategien zur Durchsetzung einer Vergesellschaftung des Postsektors entwickeln. Doch eine solche Ausrichtung der Gewerkschaft ist in dem Fachbereich aktuell kein Thema.
H.B., 18.03.2025
[1]Für das Jahr 2024 hat der Bereich Brief und Paket einen Gewinn von 821 Millionen € erzielt.
[2]Die Sozialabgaben werden bei der Berechnung der Inflationsrate nicht berücksichtigt.
[3]Vgl. Arpo 2‘23
Hinterlasse jetzt einen Kommentar