Wegfall der Schuldenbremse für gigantische Aufrüstung der Bundeswehr

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Kundgebung, 18. März vor dem Reichstag. Foto: heba/Umbruch-Bildarchiv

Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene fällt die bisher von den Gralshütern der neoliberalen Marktwirtschaft als heilig betrachtete Schuldenbremse. Die vom zukünftigen Bundeskanzler Merz geführte Regierungskoalition von Union und Sozialdemokratie sieht vor – praktisch unbegrenzt von jeglichen gesetzlichen Beschränkungen –, die Aufrüstung der Bundeswehr vorantreiben zu können. Als Zugeständnis an die SPD wird eine Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden EUR gebildet; seine konkrete Ausgestaltung bleibt jrdoch noch offen. Viele Erfordernisse zum Erhalt der Infrastruktur dienen zugleich der „Kriegstüchtigkeit“, wie Investitionen in marode Brücken und Straßen oder in die Deutsche Bahn AG. Sie ermöglichen den reibungslosen Transport von Militär und Rüstungsgütern durch die BRD nach Osten, gen Russland.

Die von der zukünftigen Bundesregierung als notwendig betrachtete Aufrüstung in Deutschland wird ergänzt durch die von EU-Präsidentin verkündete Wegfall des Stabilitätspaktes. 800 Milliarden Euro werden für Rüstungsprojekte bereit gestellt. Die Schuldenbremse innerhalb der EU-Staaten soll dafür entfallen. Die gigantischen Aufrüstungsprogramme dienen der stärkeren militärischen Präsens der Europäischen Union auf der weltpolitischen Bühne. Nach dem vorläufigen(?) Rückzug der USA aus dem Stellvertreter-Krieg gegen Russland werben die europäischen Kriegstreiber für eine eigene und umfangreiche Aufrüstung als Ersatz für die Hilfe und den Schutzschirm aus den USA. Sie werde notwendig, weil sich die Vereinigten Staaten aus ihren militärischen und finanziellen Verpflichtungen des Krieges in der Ukraine heraushalten wollen. Sie haben erkannt, dass die Ukraine militärisch nicht siegen kann. Nachdem für die USA wesentliche Ziele erreicht sind, wie die Isolierung Russlands von den Staaten der EU, will sie den Krieg beenden. Er droht auf dem Schlachtfeld entschieden zu werden durch die zunehmende Defensive, in die die ukrainischen Streitkräfte geraten sind und die zu deren Zusammenbruch führen könnte. Die amerikanische Regierung fordert in Zukunft ein stärkeres militärisches und finanzielles Engagement der Europäer. Aus dieser Tatsache wird in der medialen Darstellung eine angebliche Kehrtwende der Trump-Administration, die der Ukraine den Dolch in den Rücken stößt, um sich mit der Tyrannen in Moskau zu verbrüdern. Die Begründung für die Notwendigkeit der gigantischen Aufrüstungsbemühungen muss aufrecht erhalten werden und damit das Feindbild Russland. Es bekäme unweigerlich Risse, wenn es den USA gelingen sollte zu einer Beendigung der Kampfhandlungen über einen Ausgleich mit Russland zu gelangen. Warum sollte dies den EU-Staaten nicht möglich sein? Deshalb wird jenseits aller praktischen Belege die Angst vor den russischen Macht- und Eroberungsplänen geschürt. Russland wäre in wenigen Jahren in der Lage andere Staaten Europas zu überfallen und notfalls bis nach Berlin zu marschieren. Ohne diese Drohkulisse wären die gigantische Aufrüstungspläne den arbeitenden oder erwerbslosen Menschen, den Jugendliche und Rentnern nicht zu vermitteln. Ob sie auf deren Widerstand stoßen, wird sich zeigen, wenn sie die Kürzungen zu Gunsten des Militärs hautnah zu spüren bekommen.

Kundgebung, 18. März vor dem Reichstag. Foto: heba/Umbruch-Bildarchiv

Krisen und Kriege – Zeiten für verschärfte Umverteilung

Unter der Überschrift „Rüstungs- und Bauindustrie jubeln über historisches Schuldenpaket von Union und SPD“ schreibt faz.net am 6. März 25: „Die ersten Gewinner der angekündigten Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und des 500-Milliarden-Sondervermögens für Investitionen in die Infrastruktur stehen schon fest: Die Aktienkurse der Rüstungskonzerne Hensoldt, Rheinmetall und Renkt legten am Mittwoch um sieben bis acht Prozent zu. Die Aktie des Baukonzerns Hochtief sprang im Tagesverlauf um mehr als 14 Prozent nach oben. ‚Diese Entscheidung wirkt wie eine Art Befreiungsschlag‘, sagt Hans Christoph Atzpodien, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. […] Die geplanten Investitionen seien die ‚dringend benötigte Modernisierungsoffensive‘, freute sich Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverband Deutsches Baugewerbe.“

In der Geschichte waren Zeiten der Krisen und Kriege fast immer verbunden mit verschärfter Umverteilung, wie die aktuellen Beispiele aus der FAZ belegen. Neben den Extragewinnen großer Konzerne spülte es auch sogenannte Kriegsgewinnler nach oben. Auf Grund ihrer Funktionen, wie beispielsweise als Militärangehörige oder Mitglieder der ukrainischen Rekrutierungsbüros, nutzen sie die Gunst der Stunde, um sich durch Bestechung persönlich zu bereichern, indem sie solvente Wehrpflichtige nicht einziehen oder als kriegsuntauglich einstufen.

Über den Zustand der ukrainischen Armee vermeldete der „Spiegel“ bereits am 4. April vorigen Jahres: „Die Ukraine befindet sich seit zwei Jahren im Krieg mit Russland. Hunderttausende  wehrpflichtige Sind seitdem […] geflohen – einige haben seitdem dafür mit dem Leben bezahlt.“ Der Spiegel berichtete über 30 Tote, die versucht hätten, sich der Einberufung durch die Flucht nach Moldau oder Rumänien zu entziehen.

Während in der Ukraine Kriegsdienstverweigerer ihr Leben aufs Spiel setzen müssen, geht es in der Bundesrepublik um die Frage, wer soll letzten Endes für die Kosten von Aufrüstung und Unterstützung der Ukraine aufkommen? Die Rechnung wird der Bevölkerung von der zukünftigen Bundesregierung erst präsentiert, wenn sie fest im Sattel sitzt und ihre Aufrüstungsvorhaben durch den Bundestag abgesegnet wurden. Dabei kann sie sich der Unterstützung aus den Führungsetagen der DGB-Gewerkschaften sicher sein. Dies zeigt die Stellungnahme der DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi: „Die Entscheidung für ein Sondervermögen ist nicht weniger als ein Befreiungsschlag zur Modernisierung unseres Landes. Ausreichende Infrastrukturmaßnahmen für die technisch-physische sowie die soziale Infrastruktur des Landes werden damit endlich möglich.“ Weiter führt sie aus: „Insbesondere vor dem Hintergrund globaler Unsicherheiten müssen wir Europas Verteidigungsfähigkeit stärken und dürfen dabei gleichzeitig sozialen Fortschritt nicht ausbremsen.“ So weiß sich die Bundesregierung im Einklang mit den Verbänden von Unetrnehen und Industrie sowie den gewerkschaftlichen Vorstandsetagen. Anders sehen dies die Koalitionäre auf der politischen Ebene.

Kundgebung, 18. März vor dem Reichstag. Foto: heba/Umbruch-Bildarchiv

Undemokratische Trickserei zur Sicherung eine Zweidrittel-Mehrheit

Um ihre Pläne zu realisieren, benötigen sie die Zustimmung einer zweidrittel-Mehrheit im Bundestag. Da sie darüber im neu gewählten Parlament nicht verfügen – AfD und Linkspartei stellen über ein Drittel der Mandate –, griffen sie zu einem Mittel, das den Wählerwillen auf den Kopf stellt. In einer eilig einberufenen Sondersitzung hat der alte, am 23. Februar abgewählte Bundestag ihnen mit den Stimmen der Grünen eine Zweidrittel-Mehrheit gesichert. Deutlicher könnten Union und Sozialdemokratie ihre Missachtung der Wahlentscheidung nicht zum Ausdruck bringen. Die AfD braucht keinen Wahlkampf zu betreiben, die »Parteien der demokratischen Mitte« treiben ihnen die Wähler:innen in die Arme. Dabei wäre dies wahrscheinlich gar nicht nötig, weil es etliche Realpolitiker und Parlamentarier in der Linkspartei gibt, die diesen Plänen zur Zweidrittel-Mehrheit verhelfen würden. Aber die Unionsfraktion, die ihre Abstimmungsoffenheit gegenüber der AfD demonstriert hatte, will auf keinen Fall auf Stimmen aus der Partei DIE LINKE angewiesen sein.

Kundgebung, 18. März vor dem Reichstag. Foto: Jochen Gester

Der nächste Bundestag

Im nächsten Bundestag wird also die AfD als stärkste Oppositionsfraktion vertreten sein. Das BSW mit seiner Kriegsablehnung hat sich selbst um den Erfolg, die 5%-Hürde, gebracht, indem sie gemeinsam mit der AfD den Anträgen des Rassisten Merz zugestimmt hat. Auf der linken Seite des Parlaments konnte so nur die Partei DIE LINKE mit unerwarteten Stimmengewinnen einziehen. In der Frage von Krieg und Frieden verhält sie sich wie ein schwankender Halm im Wind. Die konsequenten Antimilitaristen bleiben in der Minderheit.

In einem Debattenbeitrag von Sebastian Friedrich und Ingar Solty im Freitag, heißt es:
Die strategischen wie inhaltlichen Probleme zeigen sich aktuell besonders in der Frage von Krieg und Frieden. Viele, die die Partei gewählt oder ihr beigetreten sind, stehen Waffenlieferungen in die Ukraine offen gegenüber – zu einem Zeitpunkt, in dem die ukrainische Regierung den Krieg nur noch durch massivste Zwangsrekrutierungen aufrechterhalten kann und die USA bereits nach einem Weg suchen, den Konflikt einzufrieren. […] Während des Wahlkampfs betonten Spitzenpolitiker noch, sie würden keiner weiteren Aufrüstung zustimmen. Doch nun hat der Parteivorstand sich anders positioniert: Statt in dieser historischen Situation die eigene Macht zu nutzen, um eine Politik zu verhindern, die einen verlorenen Krieg auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung fortsetzt, neues Wettrüsten befeuert und dabei Sozialstaat und Demokratie gefährdet, zeigte man sich in einem Positionspapier bereit, für die Abschaffung der Schuldenbremse zu stimmen. Damit aber ermächtigt man die Hochrüstungs- und Kriegspolitik – während man die Regierung in reinster Symbolpolitik darum bittet, das auf Kredit bereitgestellte Geld doch bitte nur für zivile Zwecke einzusetzen.“

Noch eine Bemerkung zum Schluss. Die beiden Autoren bemängeln, dass der Parteivorstand die eigene Macht nicht genutzt habe. Über Macht verfügt der Parteivorstand nicht, auch wenn eine unerwartet große Parlamentsfraktion hinter ihm steht. Stärke, noch keine Macht, kann der Antimilitarismus nur entwickeln im außerparlamentarischen Kampf auf der Straße, im Stadtteil, an den Arbeitsstätten. Dies ist eine Aufgabe über enge Parteigrenzen hinweg, bei der es gilt, die materiellen und sozialen Interessen der arbeitenden Menschen im Blick zu behalten.


 

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