SPD für Olaf Scholz als Krisenkandidat

Unterzeichnung des Koalitionsvertrages
Quelle: Wikipedia, Sandro Halank

Schon vor der Corona-Pandemie hatten weltweit politische und ökonomische Konflikte zugenommen. Der Wirtschaftskrieg der US-Regierung gegen China, Iran, gegen europäische Firmen, um die Vollendung des zweiten Strangs der Gaspipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Die andauernden Kriege und Krisen im Nahen und Mittleren Osten – Libyen, Syrien, Libanon, Jemen, Afghanistan, befeuert und in die Länge gezogen durch ausländische Mächte, die ihre jeweils eigenen Interessen verfolgen.

Hinzu kommen die schwer abschätzbaren Folgen der Digitalisierung in Produktion und Verwaltung, der absehbaren Umstellung der Fahrzeugproduktion auf Elektroantriebe, die weiterhin wachsende Konzentration und Monopolisierung in der Wirtschaft, wachsende Macht der Unternehmer und schwindender Einfluss der Beschäftigten.

Corona nun hat den lohnabhängigen Menschen, aber auch kleinen Gewerbetreibenden, weltweit ihre ökonomische und politische Verletzlichkeit, ihre Abhängigkeit von Strukturen, über die sie keine Macht haben, die aber tief in ihr Alltagsleben eingreifen, erlebbar gemacht. Sie haben sie auch als Wirtschaftskrise erfahren.

In Deutschland hat das zu einem kuriosen Ereignis geführt: Am 10. August 2020 gab die Parteiführung der SPD bekannt, dass Olaf Scholz, Finanzminister und Vizekanzler in der CDU-geführten Bundesregierung, ihr Kanzler-Kandidat bei der Bundestagswahl 2021 sein wird. Scholz ist ein Mann aus dem Umfeld des ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Gerhard Schröder und mitverantwortlich für dessen »Agenda 2010«, besser unter der Überschrift »Hartz-Gesetze« bekannt. Kevin Kühnert und die Jusos waren nach der letzten Bundestagswahl 2017 für eine Abkehr vom neoliberalen Wirtschaftskurs der rot-grünen Schröder-Fischer-Regierung aufgetreten und Jahre später gegen eine Wahl von Olaf Scholz zum SPD-Vorsitzenden. Warum jetzt der Kurswechsel?

Der hat viel zu tun mit der Corona-Pandemie und mit der Ungewissheit über die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahren. Die Menschen, und in allererster Linie diejenigen, die in gesicherten oder halbwegs gesicherten Umständen leben und arbeiten, suchen Stabilität. Unter den gegebenen Umständen gibt es in der SPD keine personelle Alternative zu Olaf Scholz. Er gilt den Unternehmern als Garant dafür, dass »linke Experimente« unterbleiben, auch, wenn sie ihm vorwerfen, die Unternehmenssteuern nicht genügend zu senken und den Soli nicht vollständig abzuschaffen. Gleichwohl bleiben CDU und CSU die Favoriten im Unternehmerlager.

»Die SPD hat uns einen Deal angeboten: Sie setzt auf Rot-Rot-Grün und bietet Scholz als Kanzlerkandidaten zum Ausgleich.«

Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbands
der Familienunternehmer. (FAZ 11. 8. 20)

Olaf Scholz nannte in Interviews drei inhaltliche Schwerpunkte einer von ihm geführten Bundesregierung: Technologischen Wandel vorantreiben, Europa voranbringen und »Respekt und Anerkennung« vor Arbeitnehmern, die sich auch in ordentlichem Gehalt ausdrücken sollen.

Ein solches »Programm« könnte ebenso wohl von CDU/CSU formuliert worden sein. Was Scholz für die Jusos und die »linken« Sozialdemokraten auch in den Reihen der Linkspartei akzeptabel macht, ist vor allem seine Bereitschaft in der Corona-Pandemie, den Fuß von der Schuldenbremse zu nehmen und ordentlich Gas zu geben. Seine Forderung nach Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate ist ein Beleg dafür. War er davor das Gesicht der »Schwarzen Null« im Bundes-haushalt, so gab er sich in der Krise als flexibel. Aber daraus sollte man nicht allzu weitgehende Schlüsse ziehen. Denn wenn die Pandemie erloschen sein wird, wird es unter dem Druck der Kapitalinteressen wieder eine Hauptaufgabe sein, die Staatsverschuldung zurück zu führen, so wie es auch die Regeln der EU vorsehen.

Einer Mehrheit von mehr oder weniger zufriedenen Lohnabhängigen steht eine wachsende Minderheit von prekär Beschäftigten gegenüber, für die es keine Tarifverträge und sichere Arbeitsplätze gibt, sowie von Scheinselbständigen und Kleinstunternehmern, die an der Corona-Pandemie auch ohne Ansteckung mit dem Virus zugrunde gehen. Am Ende stehen die großen »systemrelevanten« Unternehmen als Gewinner da, die durch Übernahmen und Fusionen ihre wirtschaftlichen Monopolstellungen weltweit ausbauen und somit ihre Profite steigern können.

20.08.2020


aus Arbeiterpolitik Nr. 3/4 2020

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