Die Staaten, an deren Anfang eine siegreiche Revolution mit sozialistischem Ziel stand, und das Bild von ihnen in unserer lohnabhängigen Bevölkerung

Zur Diskussion

Das Scheitern der SU und damit auch der Aufpfropfung des Sowjetsystems auf die osteuropäischen Länder wird im Westen schon lange als Symbol für ein angebliches Scheitern des Sozialismus als Gesellschaftsordnung und die Überlegenheit des Kapitalismus hingestellt. In Deutschland steht dafür besonders das Scheitern der DDR.

Heute sind wir in einer Umbruchsituation, in der es im Westen wieder zu kriseln beginnt. Die Digitalisierung von Produktion, Warenverkehr und Büroarbeiten sowie die Auswirkungen der weltweiten Klimaerwärmung führen weltweit zu wachsenden Problemen der lohnabhängigen Bevölkerung. Und nun ist es besonders China, von Lohnabhängigen als Konkurrent um Arbeit gesehen, das herhalten muss als Beweis für eine Untauglichkeit bzw. ein Scheitern des Sozialismus. Denn das Land ist zum Gegenpol der führenden Macht des Westens, der USA, geworden.

Zum Hintergrund dieses Denkens in Deutschland  

Die Digitalisierung der Produktion und des Warentransports führt in den Industriestaaten zu wachsendem Personalabbau in den Unternehmen; denn, wachsen die Produktionskapazitäten enorm, so nicht die Absatzmöglichkeiten  –  aufgrund des globalen Konkurrenzkampfes. Der Kapitalexport in die Entwicklungsländer – anfangs in der Textilindustrie  –  macht es möglich, die Ressourcen der Natur gründlich auszubeuten und mit ihnen die dortigen Menschen  Die Zulieferketten aus den Billiglohnländern zu den hiesigen Konzernen sind ein Grund des wachsenden Reichtums in der herrschenden Klasse und der bisherigen Noch-Ruhigstellung der Lohnabhängigen. Doch die Ängste vor einer nicht beherrschbaren, allgegenwärtigen Technologie sind da.

Sind die Gewerkschaften auch auf Zusammenarbeit mit den Unternehmern aus, sie können nicht anders als – behutsam – die vom Personalabbau bedrohten Beschäftigten zu Protesten zu führen. Während der Reichtum der Reichen und Superreichen auch in der Corona-Zeit weiter wächst, hat der Staat jahrzehntelang an den Beschäftigten im öffentlichen Dienst sowie am Zustand von Schulen, Straßen und dem Bahnverkehr gespart.

Die mangelhaften Lebensbedingungen in Entwicklungsländern drängen Menschen zur Flucht in die Industrieländer. Diese Verhältnisse führen zu Konkurrenzdenken unter den verschiedenen Schichten der Lohnabhängigen in den Industriestaaten. Ein Bewusstsein über die gemeinsame Betroffenheit ist kaum vorhanden. Individualisiert, atomisiert wie sie sind, gibt es bei den lohnabhängig Beschäftigten keine Milieus mehr, die sich vom bürgerlichen Denken abgrenzen. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung auch Krisenphasen hatte, alle Erscheinungen in der Gesellschaft werden mit den bürgerlichen Denkmaßstäben beurteilt. Stehen die EU und die USA auch politisch gemeinsam gegen Russland und China, ökonomisch gesehen sind sie Konkurrenten, was sich z. B. am Bau der Gaspipeline in der Ostsee zeigt.

Besonders die Jugend macht sich Sorgen um die Entwicklung des Klimas. Fordert der jüngere Teil der Bevölkerung in den Industrieländern notwendige Umstellungen, so sehen große Teile der älteren Bevölkerung bei uns diese Umstellungen als Belastung, immerhin geht es auch um Arbeitsplätze. Die große Mehrheit der Menschen in den Industrieländern sieht zwar die Senkung des weiter wachsenden Ausstoßes von Treibhausgasen als wichtige Aufgabe an, sie hängt jedoch noch am Individualverkehr, an ihren Autos, besonders den SUVs. Auch bürgerliche Kritiker dieser Entwicklung sehen einen „Wirtschaftswachstumswahn“. Sie weisen auf den Verzicht der Konsumenten als Ausweg hin; ihr bürgerliches Denken hindert sie daran, den Ausweg in der Überwindung der Profitproduktion zu sehen. Die durch den Wachstumszwang im Kapitalismus erzeugte Warenmasse walzt die Ergebnisse technologischer Erneuerungen nieder.

Ein nicht unwichtiger Teilaspekt der Gesamtproblematik:
Wie China u.a. von den Lohnabhängigen hier gesehen wird

Im Bewusstsein der arbeitenden Bevölkerung der Industriestaaten, das heute nicht in Widerspruch zum Staat steht, spielen die gesellschaftlichen Verhältnisse in den Staaten, in denen eine sozialistische Revolution gesiegt hat (bzw. hatte), eine negative Rolle. Das Bild dieser Staaten wird bei uns durch die bürgerlichen Medien bestimmt. Dadurch wird die Rolle der dortigen Bevölkerungen im Staat in ihrem Erscheinungsbild, also nur oberflächlich gesehen  –  nicht in ihrer geschichtlichen Entwicklung und nicht in den Weltgegensätzen. So wird China als der besonders große Produzent von schädlichen Treibhausgasen dargestellt. Dabei wird von einem Vergleich mit einer Darstellung pro Kopf der Bevölkerung abgesehen. Auch gerät dabei in den Hintergrund, dass China jährlich mehr Kapazitäten an erneuerbaren Energien hinzufügt als jeder andere Staat; doch müssen zweifellos Wind- und Solarenergien noch erheblich weiter ausgebaut werden, um die Kohlekraftwerke zu ersetzen; China ist führend bei den Investitionen für die Energieerzeugung aus Wasserstoff. Wirken auch die Ansprüche der inzwischen großen chinesischen Mittelschicht auf Individualverkehr mit dem Auto gegen die Klimapolitik, die Hochgeschwindigkeits- und E-Züge tragen zur Senkung der CO-Emissionen bei. Chinas Makroplanung gilt auch für die ausländischen Unternehmen, z. B. bei den E-Autos.

Sehen auch viele tausend deutsche Unternehmer China und die anderen Staaten für sich als besonders profitable Standorte für Produktion und Absatz   –   im Welthandel, also in Bezug auf die Absatzmärkte, wird China auch in unserer Bevölkerung als Konkurrent gesehen (z. B. beim Stahl). Der Außenhandel chinesischer Staatsunternehmen wird als subventioniert dargestellt. Doch China muss sich auf dem Weltmarkt einer profitgetriebenen Konkurrenz stellen. Außerdem: Russland und China, so die bürgerliche Propaganda, seien militärische Gegner mit Atomwaffen und Raketen, gegen die man gewappnet sein müsse. Chinas Aufbau von Verteidigungspositionen im Südchinesischem Meer, wo sich die USA bisher durchaus präsent zeigten, wird als Aggression gewertet.

Chinas Hilfe für Entwicklungsländer beim Aufbau einer Infrastruktur wird als Ausbeutung gesehen. Dabei wird weggedrückt, dass der Bau der Eisenbahn nicht nur in England Voraussetzung für das Wachsen der Industrie, der Wirtschaft war. Westliche Staaten sehen sich durch den neuen weltweit größten Freihandelspakt Chinas mit 14 Staaten in der Asien-Pazifik-Region (RCEP) ins Hintertreffen geraten. Und die NATO sieht darin eine aggressive Politik Chinas. Während im Westen der Fortschritt in der Produktionstechnik und der Kampf um Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt eine wachsende Zahl von Arbeitsplätzen kostet und den Lebensstandard bedroht, sieht unsere Bevölkerung ein gegenwärtiges Erscheinungsbild der Staaten mit sozialistischer Zielsetzung: Mit dem Hereinholen von vielen tausend kapitalistischen Industrieunternehmen  (dabei viele Mittelständler), die profitabel produzieren, wie z. B. in China VW, Daimler, BMW, ist der Kapitalismus hereingeholt worden, was seine Überlegenheit gegenüber dem Sozialismus zeige: Der Sozialismus sei also gescheitert.

Meldungen aus China zeigten bisher lange Zeit: Besonders regionale staatliche Stellen agierten bei Bauvorhaben ohne Berücksichtigung der Interessen der Anwohner, was zu Widerstand der Bevölkerung führte; für ein wirtschaftliches Wachstum werde von ihnen Umweltschutz hintenan gestellt, wachse der Ausstoß von CO2 erheblich. Kritik aus der Bevölkerung werde unterdrückt.

Wie stellen wir uns dieser Konstellation?

Wenn wir eine Sache untersuchen, so müssen wir immer das Ganze sehen: eine Sache, die sich uns heute zeigt, mit ihren Voraussetzungen, mit ihren Bedingungen, mit ihrer Entwicklung sehen. 1 Wir dürfen also bei der Beurteilung der Länder, an deren Anfang eine siegreiche Revolution mit sozialistischem Ziel stand, die heutige Wirklichkeit nicht isoliert von ihrem Werdegang sehen, sondern stets die Besonderheiten ihrer Revolution mit im Auge haben.

Das Kommunistische Manifest – geschrieben im Europa der beginnenden Industrialisierung  –  endet mit dem Aufruf: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Doch in China, Vietnam und Korea waren die Revolutionäre Bauern  –  unter Führung der Kommunistischen Partei, und in Russland hätte die siegreiche Oktoberrevolution nicht ohne die Bauernarmeen überlebt. Es war die Verknüpfung des nationalen Befreiungskampfes dieser Länder mit dem sozialistischen Ziel, die hier zum Sieg geführt hat(te).

August Thalheimer sagt in seinem zwölften Vortrag in der Einführung zum Dia-Mat Zur Geschichtstheorie des Dialektischen Materialismus I  (unter Die Entwicklung der Produktivität der Arbeit): „Der Fortschritt von einer Produktionsweise zur anderen vollzieht sich nicht von selbst, nicht automatisch. Er wird durch Menschen gemacht, und zwar wird er in der Regel gemacht von demjenigen Teil der Gesellschaft oder denjenigen Klassen der Gesellschaft, für die die bestehende Produktionsweise zum Hemmnis ihrer Entwicklung geworden ist und in deren Rolle in der Produktion die Voraussetzungen für eine höhere Produktionsweise bereits vorgebildet sind.“

Die wirkliche Entwicklung in diesen Ländern war nicht die von Thalheimer angeführte Regelentwicklung, sondern eine, die sich unter besonderen Voraussetzungen durchgesetzt hat. Zwar waren die Invasoren und die herrschende Klasse besiegt, doch mussten zur Entwicklung dieser Staaten erst weitere, nämlich zunächst wirtschaftliche und kulturelle Voraussetzungen geschaffen werden. Wenn –  historisch gesehen –  gesellschaftliche Klassen entstehen konnten, als durch die entwickelte Arbeit der Bauern schon regelmäßig ein gewisses Mehrprodukt erzielt werden konnte, das über die Grundversorgung hinausging, so können  –  historisch gesehen  – die Klassen abgeschafft werden, wenn dieses Mehrprodukt für alle reicht. Doch in keinem der Staaten, in denen bisher eine Revolution mit sozialistischem Ziel gesiegt hatte, gab es in der revolutionären Zeit schon eine hochentwickelte Industrie, die in der Lage war, ein Mehrprodukt, das für alle reichte, zu produzieren, und damit auch keine dominierende revolutionäre Arbeiterklasse.

Welchen Maßstab sollen wir also bei der Betrachtung dieser Länder anlegen?

Beachten wir: Unser Blick ist durch die eigenen Erfahrungen und durch die Entwicklung in einem der führenden Industriestaaten bestimmt. Und „Sozialismus in einem Lande“ war schon in der Sowjetunion eine Losung aus der Not heraus, denn Sozialismus braucht die Internationalisierung.

In diesen Ländern musste der Schritt von der bäuerlichen Wirtschaft, der einfachen Warenproduktion zur Industrialisierung, damit auch zur Lohnarbeit in Industriebetrieben, noch nachgeholt werden. Folglich konnte hier auch nicht unmittelbar der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft, in der es heißt: „jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“, anstehen. Denn die führenden industriellen Staaten in der Welt standen diesen Revolutionen nicht wohlwollend oder gar unterstützend zur Seite. So haben die USA ihre Sanktionen nicht nur gegen China, sondern auch gegen Cuba wieder erweitert.

Zunächst nur auf sich selbst gestellt, auf eine isolierte Entwicklung ausgerichtet, ist die Industrialisierung in der Volksrepublik in den ersten 30 Jahren nur langsam vorangekommen. Der Aufbau eines starken Bildungs- und Gesundheitssystems, der Bewässerung und der Infrastruktur konnte allerdings schon in der Mao-Zeit angegangen werden. Können wir erwarten, dass solch ein Prozess ganz fehlerfrei verläuft? Auch in Vietnam wird gegen Korruption vorgegangen.

War es nicht der äußere Druck der weltweiten kapitalistischen Staaten unter Führung der militärisch dominierenden USA, der die Führungen der Länder mit sozialistischem Ziel zu innenpolitischem Druck (wie z. B. in Xinjiang, Hong Kong) zwang, um nicht gegen den internationalen Klassenfeind geschwächt dazustehen? Stand nicht besonders in der isolierten Sowjetunion die technische Entwicklung der Waffenindustrie im Vordergrund, um die Unabhängigkeit zu gewährleisten? (Was die Entwicklung der Konsumindustrie, also die Versorgung der Bevölkerung und eine demokratische Entwicklung damit zurückstellte. Die Hoffnung der russischen Revolutionäre auf eine revolutionäre Unterstützung aus Mitteleuropa hatte sich schließlich nicht erfüllt.)

Zwang nicht der revolutionäre Sieg in einem Agrarland schließlich dazu, die historische kapitalistische Phase  –  in der die technische Entwicklung rasant, dynamisch voranging und -geht  –   unter politischer Führung nachzuholen, also die kapitalistische Profitproduktion hereinzuholen, um den technischen Entwicklungsstand der westlichen Staaten einzuholen, und damit nicht in der Auseinandersetzung mit den westlichen Industrieländern zu unterliegen? So wurde Shenzhen 1978 zur Sonderwirtschaftszone, in der Erfahrungen gesammelt wurden. Die Neue Seidenstraße ist ein Projekt zur Absicherung der Export- und Importrouten, die auch zur wirtschaftlichen Entwicklung der angeschlossenen Länder beiträgt. In China ist es also gelungen, sich dem ausländischen Kapital zu öffnen und trotzdem „Herr in eigenen Hause“ zu bleiben. Stellt die Größe der Bevölkerung einerseits besondere Aufgaben, so ist sie andererseits ein Anziehungspunkt für ausländisches Kapital.

In den siebziger Jahren gab es eine Annäherung zwischen China und den USA, Ping-Pong-Diplomatie genannt, bei der die USA auf eine Vertiefung der Differenzen zwischen der SU und China setzten. Zunächst nur verlängerte Werkbank westlicher Unternehmen, konnte in den letzten dreißig Jahren im Prozess der Ersetzung menschlicher Arbeit durch Maschinen in China der Lebensstandard von mehreren hundert Millionen Menschen angehoben werden. Für die Überakkumulation hoch entwickelter Industrien in ihrem Mutterland war China der Ausweg nicht nur für die Multis. Profite von Weltkonzernen auf dem Riesenmarkt der chinesischen Bevölkerung gegen moderne Technologie heißt die bisherige Geschäftspraxis in der Phase seit 1978. Im neuen Abkommen mit der EU (Dez. 2020) verzichtet China darauf, dass die EU- Industriellen ihre Technologie preisgeben. Dieses Abkommen richtet sich gegen die US-Politik einer wirtschaftlichen Abkopplung Chinas vom Westen, die auch der deutschen Wirtschaft besonderen Schaden zufügen würde.

Dieser ökonomische Prozess, der in der Nach-Mao-Zeit zunächst Billigwarenexporte hervorbrachte, bedeutet allerdings nicht automatisch demokratische Verhältnisse, etwa eine Rätedemokratie. Aus den Arbeiterindividuen entsteht nicht automatisch durch Arbeit in einer Fabrik und schon gar nicht auf Anweisung einer Führung ein selbstbestimmt und kollektiv handelndes Ganzes. Die wirkliche klassenlose Gesellschaft setzt das Verschwinden des gesellschaftlichen Zwanges voraus, erfordert stattdessen Selbstdisziplin und bewusstes kollektives Handeln, das in der Klassenauseinandersetzung mit den Unternehmern gewonnen wird. In China setzte die Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft Millionen Arbeitskräfte frei, die in die Stadt abwanderten: ungelernte mit prekären Arbeits- und Lebensbedingungen, die keine Ansprüche auf Sozialleistungen und Erziehung ihrer Kinder haben.

Unter diesen Umständen musste der Staat unter der Kontrolle der KP bleiben. Da also nicht eine Klasse von industriellen Lohnabhängigen den Sieg gegen eine ausländische Vorherrschaft und gegen die herrschende Klasse im Lande errungen hatte, konnte sich in der mit der Industrialisierung entstehenden Arbeiterschaft kein selbstbestimmtes und kollektives Handeln entwickeln  –  außer ansatzweise in Streiks gegen ausländische Unternehmer. Ausgehend von einer bäuerlichen Wirtschaft konnten Industrialisierung und sozialistische Gesellschaft nicht gleichzeitig entwickelt werden. Der Staat hat also einerseits eine teilweise kapitalistische Produktionsweise mit einer Kapitalistenklasse, andererseits kollektives Landeigentum, langfristige, staatliche Planung und als Ziel eine sozialistische Gesellschaft. Bei 1,4 Mrd. Einwohnern gibt es unterschiedliche, konkurrierende lokale Regierungen und Interessensgruppen, geographisch, ethnisch, ökonomisch, sozialpolitisch. Eine bürgerliche Schicht von ca. 400 Millionen sowie die Milliardäre sind Ausdruck für starke soziale Unterschiede, die noch nicht überwunden sind.

   Aus dieser Schwierigkeit heraus erarbeitete die KPCh ein System der Förderung und Anerkennung, der Ermutigung zu Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und den traditionellen Tugenden für den Einzelnen und ganze Betriebe. In einer Punktewertung soll sich das Erreichte widerspiegeln. Der Planungsentwurf wurde 2014 beschlossen. Dieses Sozialkreditsystem ist ein wichtiger Bestandteil des gegenwärtigen marktwirtschaftlichen Systems und der sozialen Steuerung. Ist der Einsatz des Sozialkreditsystems bei Unternehmen und staatlichen Einrichtungen bereits Realität, so steht es für den Einzelnen noch in der öffentlichen Diskussion, in der Erprobung. Seine Wirkung muss sich erst noch zeigen. Natürlich wird es im Westen als Überwachungssystem gesehen.

   Im neuen Fünfjahresplan Chinas stehen die weitere Anhebung des Lebensstandards im Lande und angesichts des Handels- und Technologiekrieges der USA gegen China die Förderung der eigenen Innovationen im Vordergrund. Gleichzeitig tritt das Land in unserer kapitalistisch dominierten Welt als Konkurrent und als Handelspartner der USA und der EU auf. Aufgrund der besonderen Voraussetzungen, die in China, Vietnam u.a. nach Befreiungskrieg und Enteignung der herrschenden Klasse bestimmend sind, können die konkreten Wege, die diese Länder gehen, nicht als allgemeines Vorbild für die Entwicklung der Industriestaaten nach der Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise gesehen werden.

Hat nicht die unterschiedliche Entwicklung in den Ländern unterschiedliche Voraussetzungen für das Handeln in den verschiedensten Bereichen geschaffen?  Es genügt also nicht, sich mit dem oberflächlichen Erscheinungsbild abzufinden. Wir müssen die Gründe und die Zusammenhänge für den jetzigen Entwicklungsstand aufdecken und so die Ursachen des Handelns erkennen.

Das wichtigste Ergebnis der Oktober-Tagung 2020 des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas,

das über den neuen Fünfjahresplan von 2021 bis 2025 und die Langfristziele bis 2035 beriet, war: China will ein eigenständiges Wirtschaftsmodell errichten, das gegen externe Angriffe abgesichert ist. Seine Unternehmen sollen unabhängiger vom Ausland und technologisch führend werden. Das Bruttoinlandsprodukt soll sich innerhalb dieser 15 Jahre verdoppeln.

Für die Wirtschaftsplanung gibt es drei zentrale Ziele: Wohlstand, Innovation und Sicherheit. Mit der Entwicklung eines international führenden Wirtschaftssystems und dem Wachstum in der Wertschöpfung sollen die durchschnittlichen Haushaltseinkommen nachhaltig zulegen. Dafür notwendig ist ein starkes Wachstum des Konsumsektors. Für die Verwirklichung dieser Ziele hält die KP die Unabhängigkeit in Wissenschaft und Technik für eine wesentliche Voraussetzung. Zu den konkreten Zielen gehören die Künstliche Intelligenz, Quanteninformatik, integrierte Schaltkreise, Lebens- und Gesundheitswissenschaften, Neurowissenschaft, biologische Züchtung, Luft- und Raumfahrt, Tiefschichten- und Tiefseeexploration. China will sein Industriesystem weiter modernisieren und seine Klimapolitik intensivieren.

Die weltpolitische Lage, also Alleinstellung in einer von den Interessen der kapitalistisch hoch entwickelten Staaten dominierten Welt, spiegelt sich überall wider: In allen Punkten wird auch an die Sicherheit gedacht, und die Rolle der vielen Staatsunternehmen soll weiter gestärkt werden. Für die Privatwirtschaft gilt weiterhin der Schutz von Eigentumsrechten und Unternehmerinteressen. China wird seine Industriepolitik mit den Staatsunternehmen als Dreh- und Angelpunkt fortsetzen und intensivieren. Auch die chinesischen Großkonzerne, Konzerne der Finanztechnologie, wie Alibaba, werden künftig das Gemeinwohl als das Wesentliche sehen.

Als entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung wird der innere Kreislauf des einheimischen Marktes mit seinen 1,4-Milliarden Einwohnern gesehen. Die wesentliche Voraussetzung für die Verlagerung des ökonomischen Schwerpunkts auf diesen inneren Kreislauf ist die Größe und Anziehungskraft des chinesischen Marktes, die kein anderes Land hat. Sichere und verlässliche Industrie- und Lieferketten, die autonom und kontrollierbar sind, sollen geschaffen werden. China will Importe zunehmend ersetzen. Bei Hochgeschwindigkeitszügen, Kraftwerksanlagen, neuen Energien sowie Telekommunikationsausrüstungen gehört China schon zur internationalen Spitze.

So will sich China für eine Fortsetzung und Ausweitung eines Handelskrieges, den die USA unter Donald Trump angefangen haben, rüsten.


  1. Siehe A. Thalheimer, Die Grundlagen der Einschätzung der Sowjetunion, Der Maßstab. 1952

Lektüre: August Thalheimer, Einführung in den Dialektischen Materialismus, besonders Vorträge 12 und 13. Beide Texte herausgegeben von der Gruppe Arbeiterpolitik


Die Diskussion wird fortgesetzt mit dem Artikel:
Die Wahrheit in den Tatsachen suchen

Außerdem möchten wir auf die fünf-teilige Artikel-Reihe „Wie der Kommunismus nach China kam“unserer Schwesterzeitung Arbeiterstimme hinweisen.


 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*