Im Interesse der deutschen Staatsräson:
Proteste und Kritiker gegen die Besatzungspolitik Israels werden kriminalisiert

Die Bundesregierung hat die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson[1] erklärt, die staatstragenden Parteien des Bundestages haben sich dem angeschlossen. Mit diesem Beschluss und seiner Begründung stellen sie die Verhältnisse im Nahen Osten auf den Kopf. Israel besitzt die bestgerüstetste Armee und ist die einzige Atommacht in der Region. Nicht die Existenz Israels ist akut gefährdet; vielmehr raubt deren Besatzungs- und Vertreibungspolitik die Existenzgrundlagen immer größerer Teile der palästinensischen Bevölkerung. Die bewaffneten Konflikte zwischen den Palästinensern und Israel gleichen dem Kampf Davids gegen Goliath.

Unsere Staatsräson, die das Verhältnis der BRD zu Israel seit ihrer Gründung prägt, lieferte den israelischen Regierungen eine Blankovollmacht. Schon immer verstanden sie es, wenn ihre Expansions- und Vertreibungspolitik die entsprechende Gegenwehr unter der palästinensischen Bevölkerung hervorrief, die daraus resultierenden Konflikte als einen Kampf zur Existenzsicherung Israels darzustellen.

Der Vorwurf des Antisemitismus als Totschlagargument

 Menschen, die sich gegen die israelische Expansionspolitik engagieren, werden von der Bundesregierung, den Leitmedien, und Vertreter:innen der Bundestagsparteien als verdeckte oder offene Antisemiten diffamiert. Ein Vorwurf, der sie mundtot machen soll und der die Tatsachen und Hintergründe des Konflikts in Palästina vernebelt und zu verdreht. Die Kritik am Zionismus oder der Politik des israelischen Staates entspringe antisemitischen Einstellungen, so die Behauptung. Eine glatte Verkehrung der Tatsachen. Dazu Moshe Zuckermann in einem Interview: „Judentum, Zionismus und Israel sind drei verschiedene Kategorien und entsprechend auch Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik. Das zeigt sich schon daran, dass nicht alle Juden Zionisten, nicht alle Zionisten Israelis und nicht alle Israelis Juden sind. Es ist klar, warum diese Kategorien in Deutschland allzu häufig gleichgesetzt werden. Das bedient deutsche Befindlichkeiten und Bedürfnisse der Schuldabtragung. Aber nicht nur ist diese Gleichsetzung an sich falsch, sondern sie bedient objektiv auch die Interessen der israelischen Propaganda.“[2]

 Wir leugnen nicht, dass es auch in muslimischen und arabischen Gemeinschaften „Hass auf Juden nur weil sie Juden sind“, gibt. Aber diese Haltung nährt sich aus völlig anderen Quellen als der deutsche Antisemitismus. Über viele Jahrhunderte hinweg haben jüdische Gemeinschaften in arabischen Ländern Seite an Seite mit ihren muslimischen Nachbarn gelebt. Auch in den arabischen Feudalgesellschaften gab es für Juden ökonomische Beschränkungen und diskriminierende Regelungen, aber diese gab es auch für andere Minderheiten und auch für die breite Bevölkerung. Erst als Ende des 19. Jahrhunderts die koloniale Besiedelung der Zionisten im damaligen Palästina begann, wuchsen Spannungen und Anfeindungen, die sich nach der Gründung des Staates Israels verschärften. Sie förderten in Teilen der Bevölkerung antisemitische Einstellungen. Aber dies ist nicht zu vergleichen mit dem europäischen Antisemitismus, dessen Wurzeln zurückreichen in die Geschichte des „Christlichen Abendlandes“ mit seinen Kolonien und den damit verbundenen Überzeugungen von der rassischen und kulturellen Überlegenheit der Nationen Europas. Dies führte, nach dem Sieg des deutschen Faschismus, zur fast völligen Vernichtung des europäischen Judentums.

Wer den heutigen arabischen und muslimischen Mitbürgern Antisemitismus vorwirft, „entsorgt“ damit zu deren Lasten die deutsche Geschichte mit ihrer langen Tradition des Antisemitismus und Rassismus.

Den sogenannten „Islamwissenschaftlern“, deutschen Politikern und etlichen Medienvertretern, die diese Gleichsetzung vollziehen, ist vorzuwerfen, dass sie wie auch die AfD den Holocaust verharmlosen und heutigen Rassismus schüren. Sie verbergen damit die Tatsache, dass mit der militärischen Niederlage Deutschlands weder Antisemitismus noch Rassismus überwunden waren. Mit Wissen der westlichen Alliierten wurden Nazis an zentralen Stellen der Justiz, der Verwaltungen, der Wirtschaft, des Militärs wieder eingesetzt. Man brauchte sie zum Wiederaufbau der BRD als Frontstaat gegenüber dem sozialistischen Lager. Diese Geschichte lebt in der BRD bis heute fort, auch, weil die gesellschaftlichen Grundlagen, die zum Faschismus geführt haben, nie beseitigt wurden. Ausdruck davon sind sowohl die Wahlerfolge der AfD, als auch die rechtsterroristischen Anschläge von Hanau und Halle. Von all dem lenkt die Antisemitismus-Definition des Bundestages ab (siehe Artikel: „Israel, Palästina und der Antisemitismus“, sowie die „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“).

Daneben haben die ständigen Beteuerungen der Bundesregierung, dass man das Selbstverteidigungsrecht Israels unterstützt, auch handfeste wirtschaftliche Gründe: Dahinter verbergen sich z.B. sehr lukrative Rüstungsgeschäfte, die vom deutschen Staat – also von den Steuerzahlern – aus Gründen der angeblichen „Wiedergutmachung“ subventioniert werden.

Darüber hinaus haben Deutschland wie auch andere europäische Länder und die USA das Interesse über Israel als Atommacht ihre geostrategischen Interessen in dieser Region zu wahren. Israel kontrolliert vor allem mit seiner hochmodernen Luftwaffe den unruhigen Nahen Osten und den Iran. Aber diese Interessen werden der deutschen Bevölkerung als „moralischer Auftrag“ der „Wiedergutmachung am europäischen Judentum“ verkauft.

Die Heftigkeit, mit der deutsche Politiker:innen auf die Pro-Palästina-Demonstrationen reagieren, zeigt allerdings auch, dass die politischen „Eliten“ mit ihrer verlogenen Erinnerungskultur und ihren „Totschlagargumenten“ an Terrain verlieren, auch in der arbeitenden Bevölkerung. Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen und deren Geschichte ist eine völlig andere, sie begreifen nicht, warum auch sie für die Folgen des deutschen Faschismus büßen sollen. Aber auch für die noch weitgehend passive deutsche Bevölkerung werden die Tatsachen hinter dem ideologischen Nebel immer sichtbarer, die Unterdrückung der Palästinenser und das Elend in Gaza lassen sich nicht länger verschweigen.

 

Zur Zeit der Verleumder

Sie nennen mich Verräter an meinem Volk
Sie nennen mich Jüdischer Antisemit
weil ich spreche von dem,
was sie tun in Israels Namen
gegen Palästinenser,
gegen Araber anderer Länder
und auch gegen Juden,
die totgeschwiegen werden. 

Später einmal
werden Juden, die übrigbleiben
wenn dieser Wahnsinn vorbei ist,
zu suchen beginnen
nach Spuren von Juden,
die nicht mittaten
sondern warnten.

Erich Fried

 

neukoellnbild/Umbruch Bildarchiv

Die Nakba-Demonstrationen in Berlin und ihre Vorgeschichte

 Die alljährlich zum 15. Mai stattfindenden Nakba[3]-Demonstrationen standen diesmal unter dem Eindruck des Krieges in Palästina. Bundesweite Resonanz erhielt die Berliner Demonstration durch die Zusammenstöße mit der Polizei und die entsprechende überregionale Berichterstattung, z.B. in der Tagesschau. Die Medien folgten überwiegend der durch die Bundesregierung vorgegebenen Linie und bedienten publizistisch die Antisemitismuskeule.

Bereits drei Tage zuvor, am 12. Mai, gab es eine Protestkundgebung vor dem Rathaus Neukölln, einem Bezirk in dem schon seit Jahrzehnten Zuwanderer und Migranten aus dem arabischen Raum ansässig sind. Die Neuköllner Sonnenallee wird von vielen auch als „Klein-Damaskus“ bezeichnet. Angemeldet hatte die Kundgebung der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“, unterstützt durch „Palästina spricht – Palestine Speaks“ und „Jüdischer Antifaschistischer Bund“.

Die Kundgebung wurde durch die Polizei massiv behindert und gestört. Darüber berichtet die Jüdische Stimme u.a.: „Die Polizist*innen sind gewaltsam und in großen Gruppen immer wieder von außen in die Demonstration eingedrungen und haben dabei jeweils eine teilnehmende Person weggezerrt. […] Als wir darum gebeten haben, mit einem Kommunikationsteam zu sprechen, wurde uns gesagt, dass es ein solches Team nicht gibt. […] Die Polizei spielte ihre lautstarke Aufzeichnung von Corona-Regeln und Protestverordnungen immer genau in dem Moment ab, in dem ein*e Redner*in zu sprechen begann. Es ist unmöglich, dass dieses Timing zufällig war – es passierte immer wieder, bei allen Redebeiträgen.“

 Weder über die Organisatoren, noch über die Inhalte der Kundgebung und schon gar nicht über die Provokationen der Polizei wurde in den allermeisten Medien berichtet. Aber die Stimmung für die drei Tage später stattfindende Nakba-Demonstration war vorbereitet.

 

neukoellnbild/Umbruch Bildarchiv

Polizei löst die Nakba-Demo in der Sonnenallee auf

Zum 15. Mai gab es zwei Aufrufe und zwei Demonstrationen. Eine startete um 15.00 Uhr auf dem Hermannplatz und sollte Rathaus Neukölln führen. Aufgerufen hatte „Samidoun“, eine Organisation zur Unterstützung der politischen Gefangenen aus Palästina. 3.500 Menschen (nach Angaben der Polizei) hatten sich eingefunden. Die Demonstration bot ein vielfältiges, buntes Bild. Viele Familien mit Kinderwagen und vor allem Jugendliche hatten sich eingefunden. Es beteiligten sich aber auch Anhänger moslemischer Organisationen sowie türkische Nationalisten – ein breites Spektrum der in Neukölln wohnenden Anwohnerschaft mit Wurzeln im Nahen Osten und der Türkei. So wehten neben den roten Bannern mit Hammer und Sichel die Flaggen aus dem Libanon und anderen arabischen Nationen sowie die türkische Nationalfahne.

Nach 500 Metern stoppte die Polizei den Aufzug und versuchte ihn anschließend aufzulösen. Es waren vor allem Jugendliche und ältere Kinder, die sich widersetzten und die Polizei, mit Flaschen, Feuerwerkskörpern und Steinen bewarfen. Die Auseinandersetzungen verlagerten sich in die Nebenstraßen. Nach drei Stunden gelang es der Polizei durch die Bildung eines Kessels, die Auseinandersetzungen zu beenden.

Eine zweite Demonstration, zu der auch die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ aufgerufen hatte, startete um 16.00 Uhr in Kreuzberg und führte zum Herrmannplatz. An ihr beteiligten sich 2.500 Menschen (nach Angaben der Polizei, die tatsächliche Teilnehmerzahl ist höher). Sie verlief ohne größere Zwischenfälle. Aber die „Straßenschlachten“ bestimmten natürlich die Berichterstattung über die als antisemitisch bezeichneten Aufzüge und Demonstrationen. Wir veröffentlichen hier die Rede von Lili Sommerfeld für die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost:

„Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

Ich stehe hier mit euch als jüdische Aktivistin und Teil der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost. Wir stehen hier zusammen, vereint im Widerstand gegen die Besatzung, die Apartheid und die andauernde Nakba.

Wir wissen, wie schwer es ist, in Deutschland gehört zu werden, wenn man für ein freies Palästina spricht. Aber als Jüdinnen und Juden, die sich Menschenrechten, Freiheit und Gerechtigkeit verpflichtet sehen, können wir nicht anders, als ganz klar zu sagen: Israel spricht NICHT in unserem Namen!

Heute sind wir in Berlin, aber unser Herz ist bei den Opfern der Gewalt im Nahen Osten. Für unsere lebendige jüdische, israelische, muslimische, christliche, palästinensische Berliner Gemeinschaft ist der nahe Osten nicht weit weg. Wir alle haben nicht das Privileg, unsere Augen vor dem Unrecht verschließen zu können. So wir hier stehen und demonstrieren, werden unsere Brüder und Schwestern in Gaza ermordet. Hier und heute auf diesem Platz sind Menschen, deren Familienmitglieder in der vergangenen Woche getötet wurden. Und die deutsche Politik tut nichts, um der Gewalt ein Ende zu bereiten.

Wir wissen, dass sich die deutsche Regierung mit ihrer faktisch bedingungslosen militärischen und diplomatischen Unterstützung Israels an den Morden in Gaza mitschuldig macht.

Zu deutschen Politikerinnen und Politikern sagen wir: Die Waffenlieferungen an Israel reinigen NICHT euer Gewissen von den Verbrechen der Nazis. Es wird Zeit, dass ihr euch endlich an eure eigenen Standards haltet die völkerrechtswidrige Expansionsstrategie Israels anprangert. Euer Blick auf Israel darf nicht über die Gräber Palästinas hinwegsehen.

Zu den anwesenden Medienvertreter*innen sagen wir: Wir ertragen es nicht mehr, dass eure Berichterstattung immer erst bei den Raketen aus Gaza beginnt. Es wird Zeit, dass ihr die Öffentlichkeit aufklärt über die Verbrechen, die seit Jahrzehnten von israelischer Seite verübt werden. In Sheikh Jarrah, in ganz Ostjerusalem und im Westjordanland. Es wird Zeit, dass ihr Euphemismen wie „Siedlungspolitik“ enttarnt als das was sie sind: Vertreibung, Völkerrechtsverletzung und Landraub. Die aggressive Judaisierung – from the river to the sea – IST die andauernde Nakba.

Zuletzt richten wir die Worte an die Berliner Polizei: Auf unserer Demo in Neukölln vergangenen Mittwoch konnten wir erleben, dass es euch NICHT gelungen ist Lehren aus den Verbrechen eurer Vorfahren zu ziehen. Wenn vor euren Augen Juden und Palästinenser friedlich und gemeinsam demonstrieren, sich gegen Unrecht, Gewalt, Rassismus und Unterdrückung wehren, sich einsetzen für Menschenwürde unabhängig von Religion und Ethnie, dann solltet ihr Deutschen in der ersten Reihe stehen. Eure Großväter haben meine Familie vor 80 Jahren ins KZ deportiert und ihr habt immer noch nichts verstanden: SHAME ON YOU!

Doch es gibt auch Hoffnung: Mit jedem Tag wächst die Solidarität mit Palästina, nicht nur hier in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Keine Besatzung dauert ewig. Kein Apartheidsystem bleibt für immer bestehen. Wir bleiben zusammen in unserem Widerstand und keine Diffamierung der Welt wird uns auseinander bringen. Free Palestine!“

Nakba-Kundgebung in Kassel

Auch in Kassel fand am 15. Mai eine Kundgebung zum Nakba-Tag statt, an dem an die Vertreibung von über 700.000 Palästinenserinnen und Palästinenser aus dem heutigen Israel/Palästina durch zionistische Milizen 1947/48 erinnert und darauf hingewiesen wird, dass die Vertreibungen bis heute anhalten.

Durch die Ereignisse in Ostjerusalem und durch die brutalen Auswirkungen des israelischen Bombardements auf die Zivilbevölkerung in Gaza bekam der Aufruf der Gruppe „Palästina Spricht“ eine Aktualität, die zu einer vorher nicht erwarteten hohen Anzahl an Teilnehmern führte. So standen etwa 600 bis 800 Teilnehmer der Pro-Palästina-Kundgebung etwa 80 Teilnehmer einer Pro-Israel-Kundgebung gegenüber, nur getrennt von Straßenbahnschienen und einem für Kassel ungewohntem Polizeiaufgebot.

Offenbar war von den „Israelfreunden“ eine Konfrontation gewollt, denn der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft erklärte später gegenüber der Presse: „Wenn es zu einer Gewalteskalation gekommen wäre, dann hätten die Bürger von Kassel ja gesehen von wem die Gewalt ausgeht. Deshalb habe man auf diesem Platz bestanden.“ Aber es blieb friedlich, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Polizei nicht eingriff, sondern nur mehrmals auf die Abstandsregeln hinwies. Allerdings wurden auch die Reden der Pro-Palästina-Kundgebung erstickt im Lärm vorbeiratternder Straßenbahnen und den lauten Rufen von Kundgebungsteilnehmer, die sich angesichts der wehenden Israelfahnen zu Recht provoziert fühlten.

So ging leider auch die Rede eines jungen Palästinensers unter, der für den Veranstalter „Palästina spricht“ die Ursachen der Gewalteskalation zusammenfasste. Wir haben sie im Folgenden dokumentiert:

„Liebe Kundgebungsteilnehmer und Teilnehmerinnen, liebe Mitbürger,

 Ich bin Palästinenser und ich habe bis vor wenigen Jahren in Syrien gelebt, in einem palästinensischen Flüchtlingslager in der Nähe von Damaskus. Heute ist es ein Dorf mit festen Häusern, aber nach 1948 standen dort nur Zelte, danach provisorische Hütten. Meine Großeltern wurden 1948 aus dem heutigen Israel vertrieben und flohen nach Damaskus. Mein Vater war damals 8 Monate alt. Wenn ich hier heute von der Situation meiner Schwestern und Brüder in Ostjerusalem, im besetzten Westjordanland oder in Gaza spreche, dann ist das für mich nichts Abstraktes. Es hat zu tun mit meiner eigenen Geschichte. Ich bin – wie Hunderttausende von anderen Palästinensern staatenlos. Denn ein freies Palästina ist heute noch ein Land aus Worten. Wir haben keinen eigenen Staat, auch keine eigene Armee. Das macht uns zur Beute von Unterdrückung, Rassismus, militärischer Besatzung, Apartheid und Vertreibung. Aber wir sind keine wehrlosen Opfer – unsere Waffe ist die Solidarität, weltweit.

Diese Solidarität erleben wir auch von internationalen Organisationen: Eine davon ist human rights watch. Oder auch die israelische Menschenrechtsorganisation B´Tselem. Sie haben der israelischen Politik unmenschliche Handlungen und Apartheidpolitik vorgeworfen. Mit diesen Vorwürfen stehen sie nicht alleine da: Auch der UN-Menschenrechtsrat bezeichnet die andauernden  Annexionspläne als Vision einer Apartheid des 21. Jahrhunderts. Zu den unmenschlichen Handlungen Israels gehören nach Auffassung von human rights watch:

 Die willkürliche Beschlagnahme von palästinensischem Land

  1. Die willkürliche Zerstörung von palästinensischen Häusern, weil sie ohne Baugenehmigung gebaut wurden – aber Baugenehmigungen werden fast nie erteilt.
  2. Die Verweigerung von Aufenthaltsrechten
  3. Doppelte Standards in der Rechtsprechung
  4. Die Aufhebung von Bürgerrechten wie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
  5. Die grundsätzliche Privilegierung der jüdischen Bevölkerung so wie sie sich im israelischen Nationalstaatsgesetz ausdrückt. Hier wird nur dem jüdischen Volk ein Selbstbestimmungsrecht eingeräumt. Was heißt das konkret? Dafür ein Beispiel: Stellen Sie sich einfach mal vor in einem bestimmten Gebiet in Kassel dürften nur noch Deutsche wohnen, Türken, Zuwanderer aus afrikanischen Ländern oder Flüchtlinge aus Syrien hätten dort kein Wohnrecht. Begründet wird dies damit, dass – nehmen wir den Vorderen Westen – dieser Stadtteil nur dem deutschen Volk gehöre, denn der Grund und Boden dieses Stadtteils sei vor etlichen Jahren von einem deutschen Nationalfonds gekauft worden. Eine absurde Vorstellung? In der Tat, aber leider Realität in Israel. Etwa 13 % des Landes gehören dem Jüdischen Nationalfonds, sein Land ist nur für Juden vorgesehen, Palästinenser erhalten dort weder Baurecht noch eine Mietwohnung. Ist das etwa keine Apartheid?
  6. Dazu kommt der Ausbau der jüdischen Siedlungen, die von den Palästinensern nur mit Sondergenehmigungen betreten werden dürfen. Auch die Schnellstraßen, die die Siedlungen und das Staatsgebiet von Israel verbinden, dürfen nicht von Palästinensern befahren werden. So müssen die Palästinenser oftmals riesige Umwege in Kauf nehmen. Nach dem Völkerrecht ist es verboten, dass die Besatzungsmacht die eigene Bevölkerung in das besetzte Gebiet ansiedelt. Aber Völkerrecht und Menschenrechte kümmern die israelische Regierung nicht: Allein im Jahr 2020 haben die israelischen Behörden den Bau von 12 000 neuen Siedlungshäusern genehmigt, obwohl in Ostjerusalem und im besetzten Westjordanland schon über 700 000 Siedler leben. Zwischen den Siedlungen palästinensische Dörfer und Städte – abgeschottet durch Militärische Checkpoints, eine unüberwindbare Mauer und zahllose andere Einschränkungen, die ich hier nicht alle aufzählen kann.

 Aber sie berühren alle Bereiche des Lebens: Schulbildung, Arbeit, Krankheit, Aufenthaltsrecht. Sogar die Liebe, wenn es Paaren verwehrt wird zusammenzuleben.

 Am schlimmsten betroffen von der israelischen Unterdrückung sind die fast 2 Millionen Menschen in Gaza. Fast 80% davon sind unter 30 Jahre alt, aber ohne jede Perspektive, erstickt von der fast vollständigen Abriegelung durch Israel in Absprache mit Ägypten. Schmutziges, stinkendes Wasser, eine Stromversorgung, die immer wieder zusammenbricht, eine zusammengepferchte Bevölkerung auf einer Fläche wie Bremen. Ein „Freiluftgefängnis“!

 Wundert ihr euch, dass es unter solchen Verhältnissen zu Gewaltausbrüchen kommt? Wundert ihr euch, dass die Menschen diese jahrzehntelange Unterdrückung, die bis in ihr ganz privates Leben hineinreicht, nicht mehr ertragen kann? Dass sie aufbegehren, besonders die Jugend? Das sie sagen: Es reicht!

 Es sind nicht die Palästinenser, die die Gewalt verursacht haben, sondern es ist die herrschende Klasse Israels, die diese hervorgerufen hat, durch ihre Vertreibungen, ihre Menschenrechtsverletzungen und ihre Unterdrückung.

 Für Frieden gibt es nur einen einzigen Weg: ein Ende der Besatzung, eine Aufhebung der Abriegelung Gazas, ein Ende der Vertreibungen zugunsten von jüdischen Siedlern und gleiche Rechte für alle.

 Dafür bitte ich euch um Unterstützung!“

Nakba-Tag. Kassel 15.5.2021

Zu den Hintergründen der Gewalteskalation im Nahen Osten und der einseitigen Parteinahme des Westens nimmt Michael Lüders fundiert Stellung 

[1]     Wikipedia: Das Lexikon der Politik definiert den Begriff „Staatsräson“ als ein „in der italienischen Renaissance (vor allem Machiavelli) erstmals auf den Begriff gebrachtes, grundsätzliches Orientierungs- und Handlungsprinzip, welches die Erhaltung des Staates bzw. der staatlichen Autorität und/oder sogar deren Steigerung zur entscheidenden politischen Maxime erklärt.

[2]     Interview mit Moshe Zuckermann

[3]     Wikipedia: Als Nakba, deutsch Katastrophe oder Unglück, wird im arabischen Sprachgebrauch die Flucht und Vertreibung von etwa 700.000 arabischen Palästinensern aus dem früheren britischen Mandatsgebiet Palästina bezeichnet.


aus Arbeiterpolitik Nr. 4 / 2021

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*