Gerd Graw
30. April 1932 – 22. Juni 2017

Wenige Monate nach dem Tod seiner Frau Edith ist auch Gerd Graw von uns gegangen. Seine Biographie ist ein Spiegelbild der Nachkriegsgeschichte Deutschlands, auf die wir in den kommenden Ausgaben ausführlicher eingehen werden. 1932, in Königslutter im Elm geboren erlebte er als Heranwachsender noch die Schrecken der Nazi-Diktatur, des II. Weltkrieges und die Entbehrungen der Nachkriegszeit. Nach acht Jahren Volksschule begann er 1946 die Lehre als Hufschmied. Schon während der Ausbildung trat Gerd, beim ersten Metallerstreik seit Kriegsende 1948, der IGM bei.

Gerd engagierte sich u.a. in der 1951 verbotenen Freien Deutschen Jugend (FDJ) – nun aber illegal. Er gehörte mit zu den Organisatoren der „Jugendkarawane gegen Wiederaufrüstung und gegen den Generalvertrag“, auf der Philipp Müller in Essen von der Polizei erschossen wurde. 1952 wurde Gerd wegen angeblichen Hochverrats und so genannter Geheimbündelei mit Strafverschärfung wegen „Helgoland-Teilnahme“ wieder ins Gefängnis geworfen. Als er 1954 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig entlassen wurde, immigrierte er mit Edith bei Nacht und Nebel in die DDR. Dort erhielt Gerd eine Ausbildung zum Journalisten. Er konnte nun getreu seiner Überzeugung leben und arbeiten.

1968 kehrte Gerd, inzwischen verheiratet mit Edith, und ihren drei Kindern in die BRD zurück. Gerd wurde als hauptamtlicher Funktionär bei der DKP angestellt; ein halbes Jahr später entlassen, nachdem er sich mit führenden Genossen des Parteivorstandes »angelegt« hatte.

Sein weiterer beruflicher Weg führte ihn nach dem erneuten Ausbruch der schweren Lungenerkrankung über zwei Versicherungen in die IGM – 1972 als „Tariflehrer“ zu VW nach Wolfsburg und 1983 als Fachreferent des damaligen neuen Betriebsratsvorsitzenden bei VW nach Salzgitter. Neben der Betriebs- widmete er sich der gewerkschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit und vor allem der antirassistischen und antifaschistischen Arbeit unter der Jugend in Salzgitter.

Gerd und Edith waren maßgeblich an dem Gründungen der PDS und auch der Partei DIE LINKE beteiligt, in deren Ältestenrat er bis zuletzt Mitglied war. Im Winter 1991 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der »AG Betrieb und Gewerkschaft«. Die konkrete Tätigkeit unter den arbeitenden Menschen war für ihn entscheidend, nicht die formelle Mitgliedschaft in einer Partei.

So war es für ihn selbstverständlich, sich den zehn Kolleg*innen anzuschließen, die 1999 ein Zeichen der Solidarität setzen wollten und während des NATO-Bombardements nach Serbien reisten: »Dialog von unten – statt Bomben von oben. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gegen den Krieg.«

»Opa«, wie Gerd von den jungen Kolleg*innen genannt wurde, hat in Salzgitter viel hinterlassen. Ihm haben wir auch zu verdanken, dass die Werte der internationalen Solidarität, einer antifaschistischen Tradition gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der täglichen Gewerkschaftsarbeit lebendig sind.


aus Arbeiterpolitik Nr. 3/4 2017

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