Union Busting in der Altenpflege

Korrespondenz

Anders als in vielen Kliniken hat sich im Bereich der Pflegeeinrichtungen noch keine Bewegung zur Verbesserung der Lage der Beschäftigten entwickelt. Betriebsräte und gewerkschaftliche Organisierung sind die Ausnahme.

Unter den wenigen Einrichtungen, die über einen Betriebsrat verfügen, ist die Residenz-Gruppe, die im norddeutschen Raum über etliche Häuser verfügt. Sie gehört zum französischen Orpea-Konzern, nach eigenem Bekunden einer der größten Betreiber von Pflegeeinrichtungen, der auch bereits 2018 mit Celenus in Thüringen versucht hat, im Zuge von Arbeitskampfmaßnahmen Kündigungen auszusprechen.

Im dazugehörigen Wohnpark Weser mit Sitz in Weyhe bei Bremen setzt die Geschäftsführung mit Methoden des Union Busting seit Monaten alles daran, den Gesamtbetriebsrat mundtot zu machen. Vorgeschobene Gründe waren Abrechnungsbetrug bei der Arbeitszeit und eine angeblich nicht stattgefunden Betriebsratssitzung. Da der Betriebsrat der Kündigung der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden und weiterer Mitglieder nicht zustimmte, beantragte sie beim Arbeitsgericht die Auflösung des gesamten Betriebsrats Nord.

Anlass für die Auseinandersetzung war die Ablehnung einer „Gesundheits-Prämie“ für die Beschäftigten, die zu einer Bestrafung bei Krankheit geführt hätte sowie Erfolge des Betriebsrats in Einigungsstellen-Verfahren.

Seit dem Gütetermin am 16. Februar bis zur Hauptverhandlung am 27. April 2021 hat sich die Geschäftsführung in allen Punkten vom Arbeitsgericht Niederlagen eingehandelt. Das betrifft nicht nur die Zurückweisung der Kündigungsgründe durch die Richterin, sondern auch weitere Schikanen wie Gehaltskürzungen und Hausverbote.

Nachdem die Vorwürfe gegen die Kündigungen in der Hauptverhandlung als haltlos zurückgewiesen wurden, drohte der Geschäftsführer öffentlich damit, eine Detektei mit der lückenlosen Überwachung der Betriebsratsvorsitzenden zu beauftragen.

Inzwischen geht die Geschäftsführung so weit, die Vorsitzende zu hohem Schadensersatz zu verklagen, weil angeblich wegen der öffentlichen Rufschädigung Menschen ihre Angehörigen nicht in Einrichtungen der Residenz-Gruppe unterbringen würden.

Das Vorgehen der Geschäftsführung deutet darauf hin, dass es ihr weniger um Erfolge vor Gericht geht, sondern um Einschüchterung und Zermürbung der Kolleginnen. Lange andauernde Auseinandersetzungen dieser Art machen die Betroffenen oft krank, wenn nicht eine starke Solidaritätsbewegung und öffentliche Skandalisierung sie stützt, wie dies beispielsweise bei den Schlecker-Kolleginnen und bei der Kassiererin „Emmely“ der Fall gewesen war.

Zu jedem Termin waren vor dem Arbeitsgericht Unterstützer*innen mit Transparenten vor Ort. Wegen der Corona-Auflagen konnten jedoch nur jeweils zwei Besucher*innen im Verhandlungsraum dabei sein. Medien haben berichtet, und es hat viele Solidaritätserklärungen seitens gewerkschaftlicher Gremien gegeben. Auch die Bürgermeister von Weyhe und Bremen kündigten öffentlich Protestschreiben an.

Ein Einlenken wie im Fall der Krankenschwester Romana in der Hamburger St. Georg-Klinik ist bisher nicht in Sicht.

Politische Unterstützung durch wirksame Gesetze ist ebenfalls nicht in Sicht. Das kürzlich noch verabschiedete Betriebsräte-Modernisierungsgesetz erfüllt diese Funktion jedenfalls nicht. Abgesehen von kleinen Verbesserungen bei Neueinrichtung von Betriebsräten stärkt es Betriebsräte nicht, die Union Busting ausgesetzt sind.

Um die Verhältnisse in der Altenpflege grundlegend zu ändern, auch die Sonderrolle der kirchlichen Träger zu beenden, wäre eine bundesweite von vielen gesellschaftlichen Kräften getragene Kampagne nötig.

24.06.2021, T.Br.


aus Arbeiterpolitik Nr. 5/6 2021

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