Bundestagssitzung im „Kriegsmodus“

Foto: Ingo Müller

Die Bundesregierung hat, angesichts der militärischen Aggression Russlands in der Ukraine, eine Kehrtwende vollzogen. Statt des Versuchs, durch diplomatische Initiativen die Konfrontation zu entschärfen, damit die deutschen Wirtschaftsinteressen nicht unnötigerweise leiden, ist sie auf den durch Washington forcierten Kriegskurs eingeschwenkt. Die Ukraine wird jetzt durch Waffenlieferungen auch aus der BRD militärisch unterstützt. In die osteuropäischen NATO-Staaten werden verstärkt Verbände der schnellen Eingreiftruppe verlegt. Die deutsche Aufrüstung wird durch ein 100 Milliarden schweres „Sondervermögen Bundeswehr“ vorangetrieben. Dafür will der sonst so „sparsame“ Finanzminister Lindner (FDP) sogar neue Kredite aufnehmen; die 100 Milliarden Euro sollen durch eine erhöhte Neuverschuldung aufgebracht werden. Die von den USA verlangte Steigerung des Kriegs-/Wehretats auf mindestens zwei Prozent des BIP werde zukünftig erfüllt, erklärte Bundeskanzler Scholz in seiner Regierungserklärung vom 27. Februar 2022. Auch die Aufrüstungsvorhaben der EU, wie die gemeinsame Produktion eines Kampfflugzeuges oder die Anschaffung von Kampfdrohnen, sollen forciert werden. Des Weiteren werden die Investitionen und Anstrengungen erhöht, um die BRD unabhängiger von russischen Erdgas- und Erdölimporten zu machen. Ein umfassender Wirtschaftskrieg gegen Russland wird vorbereitet. Er sieht vor Russland aus SWIFT, dem internationalen Finanzierungssystem der Banken, auszuschließen. Begonnen wird vorerst mit sieben russischen Banken, weitere bleiben ausgenommen, um die Bezahlung von Erdgasimporten und die Rückzahlung russischer Schulden nicht zu gefährden.

Die USA sind der große Profiteur der Zunahme und Zuspitzung der Spannungen. Sie begannen 2014 mit der Annexion der Krim und dem seither geführten Stellvertreterkrieg um die Volksrepubliken im Donbass und gipfelten im militärischen Überfall der russischen Armee auf die Ukraine vor wenigen Tagen. Die NATO-Staaten sind sich seither so einig wie selten in den letzten Jahrzehnten. Eine eigenständige Politik der EU, die den Interessen der Vereinigten Staaten zuwiderläuft, ist in weite Ferne gerückt. Ebenso ein durch Vereinbarungen und Verträge abgesichertes Nebeneinander von EU und Russland.

Es ist müßig, sich darüber zu streiten, wer die Schuld für den Ausbruch des Krieges trägt. Es sind die Triebkräfte in einer globalisierten kapitalistischen Welt, welche die Welt- oder Regionalmächte bei der Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Interessen – und somit zugleich geostrategischen Ambitionen – in zunehmende Konflikte treiben. Die zahlreichen Stellvertreterkriege, die auch nach der Beendigung der Blockkonfrontation vor drei Jahrzehnten das internationale Geschehen beeinflussten und bestimmten, sind Folge dieser Triebkräfte.

Für uns wird die alte Losung, die schon vor dem Ersten Weltkrieg entstand, erneut aktuell: Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Deshalb gehört zu unserem Selbstverständnis[1]:
Wir kritisieren und bekämpfen Aufrüstung, Waffenexporte und Kriegstreiberei im eigenen Land. Wir sind Gegner von Auslandseinsätzen der Bundeswehr wie auch der weiteren Ostausdehnung der NATO. Sie dient als imperialistisches Militärbündnis der Aufrechterhaltung der amerikanischen Vormachtstellung in der Welt.
Wir unterstützen die Forderungen aus der Friedensbewegung nach einem Abzug der russischen Streitkräfte aus der Ukraine und nach der Aufnahme von Verhandlungen zur friedlichen Beilegung des Konflikts.

1. März 2022


[1] Die Tradition der Gruppe Arbeiterpolitik reicht zurück zur Gründung des Spartakusbundes 1917, an der August Thalheimer beteiligt war, und zur Gründung der KPD-Opposition 1928. Siehe auch den Artikel „Vom Entstehen der Systemkonkurrenz zum Zusammenbruch der UdSSR und seinen Folgen heute“.


aus Arbeiterpolitik Nr. 3 / 2022

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