AfD-Mitglieder und rechte Gesinnungen im Betrieb

Korrespondenz

Wie in der Gesellschaft insgesamt, gibt es auch bei der S-Bahn Berlin Mitglieder der AfD und KollegInnen mit »rechter« Gesinnung. Diese spiegeln sich zunächst in der allgemeinen Diskussion und in Gesprächen unter den KollegInnen am Arbeitsplatz wider, aber auch in betrieblichen Organisationen, wie den Gewerkschaften EVG und GDL In Gesprächen unter KollegInnen kommen immer wieder rechtspopulistische Gedanken gegen Ausländer, Flüchtlinge und Homosexuelle ans Tageslicht. Zumeist von »älteren« S-Bahnern, die mehr als 30 Jahre hier arbeiten. Rechte Gesinnungen von jüngeren KollegInnen kommen selten vor, denn diese operieren eher im Hintergrund, indem sie ihre KollegInnen unter vier Augen oder in kleinen Gruppen ansprechen und so für ihre rechte Ideologie gewinnen wollen. So verhalten sich wohl auch Kollegen, die der AfD hinterher laufen.

Inzwischen wechselt die Belegschaft, indem neue KollegInnen zur S-Bahn gekommen, die selber Migranten sind oder aus Migranten-Familien kommen bzw. von russischen Familien (»Russland-Deutsche«) abstammen. Einige Homosexuelle arbeiten bei der S-Bahn (als die S-Bahn in West-Berlin 1984 von der DDR „Deutschen Reichsbahn“ zur BVG überging, sind viele Homosexuelle bei der BVG vor den homophoben Angriffen ihrer KollegInnen bei BUS und U-Bahn zur S-Bahn geflüchtet, sie sind kollektiv zum neuen BVG-Bereich »S-Bahn« gewechselt).

Auch gibt es ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der STASI, die zwar ihre stalinistische Ideologie behalten haben, aber rechte Tendenzen ächten, ohne sich deshalb selber vor den KollegInnen als »revolutionäre« Linke oder Antifaschisten zu outen.

Einzelne linksradikale KollegInnen gibt es bei der S-Bahn. Die Partei DIE LINKE ist in der S-Bahn nicht sichtbar und auch mit einer eigenen Betriebsgruppe nicht vorhanden. Einzig eine trotzkistische Gruppe »SAS« ist mit einem Betriebsflugblatt sichtbar.

Insgesamt gibt es unter den Lokführern als größte Berufsgruppe zwar immer wieder rechte Sprüche oder Tendenzen, sie konnten aber bisher keine Wurzeln bilden.

Was hilft? An folgender Begebenheit versuche ich das zu verdeutlichen: Ein Kollege, bisher nicht weiter aufgefallen, sprach darüber, dass er als Parteimitglied für die AfD in seinem Stadtbezirk arbeitet. Er erkundigte sich bei Funktionären der GDL, ob seine Parteimitgliedschaft in der AfD ein Problem für die GDL darstellt. Ein GDL-Betriebsrat reagierte darauf im Beisein von mehreren Kollegen: »Was Du außerhalb des Betriebes treibst, ist zunächst Deine Sache, die Folgen davon sind auch Deine Sache. Wenn Du im Betrieb die Auffassungen der AfD verbreitest, hast Du mich und sicher auch viele andere Kollegen gegen Dich, weil Du eine menschenverachtende Auffassung verbreitest, weil Du unsolidarisch bist, und das brauchen wir hier genau nicht. Als Betriebsrat werde Dich nicht vertreten können, weil Du Dich mit der AfD von der notwendigen Solidarität verabschiedest.«

Eine deutliche Haltung gegenüber den Grundsätzen der AfD-Politik ist das Entscheidende für eine Zurückweisung solcher Auffassungen im Betrieb. Das bedeutet aber auch, eine deutliche Haltung gegenüber dem Unternehmer zu haben und dafür bei den Kollegen zu werben und sie dafür zu gewinnen. Das ist momentan nicht die allgemeine Haltung der Gewerkschaftsvorstände, die drücken sich davor. Von dort aus werden auch NPD-Funktionäre in der Gewerkschaft akzeptiert, wenn diese öffentlich keine Werbung für ihre Gesinnung machen.

In den Gewerkschaften …

Die EVG-Betriebsgruppe wird stark von der DGB-Politik geprägt. Rechte Tendenzen werden im Keim erstickt. So gab es auch Meldungen aus der EVG an die GDL bei der S-Bahn, dass GDL-Mitglieder rechten Organisationen angehören und diese KollegInnen rechte Gesinnungen im Betrieb verbreiten.

Der Versuch von KollegInnen, die GDL als Spektrum ihrer rechten Gesinnungen zu nutzen, scheiterte im Ansatz. Nachdem KollegInnen mit demokratischen, transparenten und linksradikalen Vorstellungen in Ämter der GDL gewählt wurden, wurde das Leben für rechte Gesinnungen schwerer. Verschiedene Versuche der »Konterrevolution«, mit Misstrauensanträgen oder Abwahl von »linken« Gewerkschaftsfunktionären, scheiterten am Willen der Gewerkschaftsmitglieder.

Eine GDL-Bezirksjugendlleiterin mit rechtspopulistischer Haltung hat ihren Kampf inzwischen verlagert. Ehemalige Gewerkschaftsmitglieder mit ihrem rechtem Gedankengut wollen nun mit der nächsten Betriebsratswahl 2018 mittels einer unabhängigen Liste ein Spektrum der rechten Gesinnung bei der S-Bahn aufbauen und in den Wahlkampf gehen. Die politische Auseinandersetzung in der Gewerkschaft hat sich so in den Betriebsrat verlagert.

Die Gewerkschaften EVG und GDL wollen nun zusammen zur BR-Wahl 2018 mit einer gewerkschaftsübergreifenden Betriebsratspolitik ein unausgesprochenes »Bündnis gegen Rechts« bilden, um zusammen gegen den rechten Populismus und Anti-Solidarität im Betrieb die Mehrheit der BR-Listenplätze zu erringen.

…und am Arbeitsplatz

Schwerwiegender sieht die Tätigkeit von AfD-Mitgliedern und KollegInnen mit rechter Gesinnung im Betrieb aus. Denn einen vollkommenen Überblick über das Geschehen kann man bei einem Flächenbetrieb wie der S-Bahn nicht erlangen, das ist ja keine einzelne Fabrikhalle.

Ein rechtsorientierter Ausbildungslokführer hat nach vorliegenden Informationen schon einmal die Ausbildung von Lokführer-Anwärtern abgelehnt, da sie einen migrantischen Hintergrund haben.

Ein Lokführer, der aktives AfD-Mitglied ist, lässt in den Meldestellen der Lokführer immer wieder Sprüche von den allgegenwärtigen »linken Journalisten« usw. ab, die aber nur bei wenigen KollegInnen Anklang finden. Was sich in Abwesenheit bekannter »linker« KollegInnen in den Gesprächen unter den Lokführern abspielt, berichten dann KollegInnen immer wieder in persönlichen Gesprächen unter vier Augen.

Schlimmer ist es dagegen in den Werkstätten der S-Bahn, wo sich teilweise rechte Tendenzen frei produzieren können. Dort gilt es als »Schwerverbrechen«, einen Kollegen beim Vorgesetzten oder Betriebsrat anzuschwärzen (warum auch immer). Verbale rechtsorientierte Angriffe und Drohungen körperlicher Gewalt gegenüber Andersdenkenden und Migranten sind an der Tagesordnung, werden aber oft nicht gemeldet und somit nicht dem BR oder Gewerkschaften bekannt.

Willi K. aus Berlin


aus Arbeiterpolitik Nr. 3/4 2017

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