Angriffe gegen Gewerkschafter in Hanau
Verbale Beschimpfungen seitens der AfD schlugen in offene Gewalt um

Korrespondenz

Der Angriff kam plötzlich, hinterhältig und unvermutet. Am 20. Juli 2018 wurde ein aktiver Gewerkschaftskollege und Betriebsrat in Hanau bei einer Kundgebung gegen die AfD niedergestreckt und musste die anschließende Nacht im Klinikum verbringen. Er erlitt ein »Schädel-Hirn-Trauma, Prellungen und kurzzeitige Amnesie«. »Dass Umstehende den Vorfall mitbekamen und sofort dazwischen gingen, rettete dem Gewerkschafter vielleicht das Leben (Presseerklärung des DGB, Region Südosthessen, vom 22.7.).« Zuvor hatte ein AfD-Sympathisant versucht, der Regionsgeschäftsführerin des DGB-Südosthessen, Ulrike Eifler, das Mikrofon zu entreißen. Der aufmerksame Kollege drängte ihn ab, wurde aber urplötzlich von einem zweiten Mann von hinten angegriffen. Der Vorfall ereignete sich vor der Kulturhalle Steinheim in Hanau, in der zu dieser Zeit eine Pseudogedenkveranstaltung der AfD zum 20. Juli 1944 (der offiziell gefeierte Tag zum – bürgerlichen – Widerstand gegen Hitler) mit Beatrix von Storch als Hauptrednerin lief. Der DGB Südosthessen hatte zu einer Gegenkundgebung aufgerufen, zu der mehrere hundert Menschen (Polizeibericht 200, DGB-Presseerklärung 400) erschienen waren. Inzwischen hat der DGB Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung gestellt. Die Gewalttat war der Höhepunkt einer Auseinandersetzung zwischen Gewerkschaften und AfD in Hanau, darüber hinaus im Rhein-Main-Gebiet, die seit Monaten eskaliert und die wir im Folgenden der Reihe nach darstellen.

»Dagegen halten!«

In Hanau gibt es eine lange Vorgeschichte der Abwehr von Rechtsextremen durch Antifaschisten, wie in anderen Regionen auch. In vergangenen Jahrzehnten ging es etwa um die NPD, dann die »Republikaner«, in den letzten Jahren erneut um die NPD und nun die AfD. So wurden zeitweilig Bündnisse gegen Rechts gegründet und gibt es sie teilweise immer noch. Die Aktiven kommen aus verschiedenen Zusammenhängen: Gewerkschaften, linke Parteien, sozialpolitische Initiativen, autonome Antifa, bürgerliche Vereine, kirchliche Gruppen etc. Eine Zeitlang wurde der Ostermarsch in Bruchköbel von Nazis zu unterwandern versucht; dies wurde durch ein aktives Bündnis abgewehrt. Bei den Aufmärschen der NPD zum 1. Mai 2013 und zum Bundestagswahlkampf des gleichen Jahres fühlte sich sogar die politische Führung der Stadt (SPD, Grüne u. a.) zur Gründung eines »Runden Tisches« veranlasst, der freilich im Sande verlief.

Die direkte Vorgeschichte der Auseinandersetzung mit der AfD begann wohl mit einer Rede der Regionsgeschäftsführerin des DGB Südosthessen (Sitz: Hanau), Ulrike Eifler, auf dem Ostermarsch in Bruchköbel 2016, in der sie klare Worte zum Charakter der AfD fand: »Die AfD ist die gefährlichste aller Parteien am rechten Rand, die es jemals in der Nachkriegsgeschichte gegeben hat, und zwar aus drei Gründen …« Der erste sei der nach außen gelungene Anschein von Seriosität; der zweite der Schulterschluss mit extrem rechten Gruppierungen und deren Aktivitäten auf der Straße; der dritte der Zusammenfall des Aufbaus der AfD mit einer tiefen sozialen Krise in Deutschland (vgl. Arbeiterpolitik 2/2016, S. 3 f.).

Zur Landtagswahl in Hessen, die im Oktober 2018 stattfinden wird, schritt Eifler zur Tat. Sie rief zur Gründung des Bündnisses »Keine AfD im Landtag« auf, die auch umgesetzt wurde. Es gibt einen Aufruf im Netz (keine-afd-im-landtag.de), eine große Zahl von ErstunterzeichnerInnen, Unterstützergruppen über das antifaschistische Spektrum von linken Parteien, Jugendorganisationen, Verbänden, kirchlichen Gruppen hinweg, namhafte ReferentInnen, Presseerklärungen, Berichte und Stellungnahmen. Kontaktadresse ist das DGB-Büro in Hanau. Ein besonderer Aufruf wurde für den Main-Kinzig-Kreis verfasst: »Dagegen halten! Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter im MKK sagen: Die AfD ist keine Partei für Arbeitnehmer.«

Vereinnahmungstaktik der AfD

Nun ist dieses Bündnis »Keine AfD im Landtag« keineswegs das einzige im Lande, es gibt viele davon in Hessen und anderen Bundesländern. Dennoch ist offenbar der Hanauer DGB durch diese Aktivitäten und die klare Sprache der Regionsgeschäftsführerin in den Fokus geraten. Die Hanauer AfD versuchte es zunächst mit einer Vereinnahmungstaktik. Als am 12. März in der provisorischen Unterkunft des DGB in der Willy-Brandt-Straße (das Gewerkschaftshaus am Freiheitsplatz wurde renoviert) die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten) im Rahmen der Eröffnung einer Ausstellung über die AfD eine Diskussionsveranstaltung durchführte, erschienen auch vier Mitglieder der AfD. Das prominenteste war der Rechtsanwalt Walter Wissenbach, Spitzenkandidat seiner Partei in der vergangenen Wahl zum Landrat des Main-Kinzig-Kreises (die der Vertreter der SPD gegen fünf Konkurrenten knapp gewann). Seine Taktik war die der Anbiederung: »Wir wissen, dass Sie nicht unsere Wähler sind, aber Sie sollten bedenken, dass Rechte und Linke gemeinsame Interessen gegenüber dem etablierten Parteiensystem haben.« Natürlich verfing das nicht. In ausführlichen und eindeutigen Wortbeiträgen seitens der VVN und anderer Diskussionsteilnehmer wurde dargelegt, dass die AfD ein inhumanes und rassistisches Menschenbild vertrete und eine »Gemeinsamkeit« zwischen links und rechts völlig undenkbar sei.Bezeichnend war hierbei die Berichterstattung des »Hanauer Anzeigers«. Es ist bekannt, dass in der Redaktion dieses Blattes eine gewisse Verbundenheit mit der AfD besteht. Der an dem Abend anwesende und verantwortliche Journalist nahm Wissenbach beim Wort. Er überschrieb seinen tendenziösen Artikel mit den Worten »Linke trifft auf Rechte« und hob hervor, dass es nicht zu Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten gekommen sei. Die klaren Aussagen, die gemacht wurden, waren ihm keine Erwähnung wert; er versuchte, das Bild der angeblichen »Gemeinsamkeit« zu vermitteln und damit die AfD zu legitimieren als eine Partei unter anderen. Offenbar ging es ihm darum, die Linie der AfD zu unterstützen.

Keine AfD im Gewerkschaftshaus!

Der nächste Schritt (ob so geplant oder nicht) war ein »Gesprächsangebot« von Wissenbach an den DGB. Den am 12. März begonnenen »Dialog« wolle man fortsetzen. Hintergrund war die Planung der AfD-Veranstaltung am 20. Juli in der Kulturhalle Steinheim. Hier wollte die AfD sich in die Tradition des bürgerlichen Widerstandes gegen Hitler einreihen, sich als Partei der Saubermänner und -frauen darstellen und die Krawallkarte dem DGB zuschieben. Wissenbach verlangte also, an dem vom DGB am 16. Juli angesetzten Vorbereitungsgespräch für eine Gegenkundgebung zur AfD-Veranstaltung am 20. Juli teilnehmen zu dürfen. Im Grunde, so wiederholte er frühere Aussagen, sei die DGB-Aktion aber unnötig, weil man doch »gemeinsame Interessen« habe.

Ulrike Eifler und ihr Stellvertreter, Tobias Huth, reagierten mit einem Hausverbot für den AfD-Funktionär. Sie beriefen sich auf die offene Gewerkschaftsfeindschaft der AfD: »Wir bekommen Drohbriefe und Emails, in denen man ankündigt, uns in Arbeitslager stecken zu wollen. Kollegen, die sich kritisch über die AfD äußern, laufen Gefahr, verklagt zu werden. Und in Norddeutschland fordert die Partei Schülerinnen und Schüler auf, kritische Lehrer auf einer Meldeplattform zu denunzieren. (Presseerklärung »DGB untersagt Wissenbach Zutritt zum Gewerkschaftshaus« vom 15.7.2018)« Von einem »Dialog« am 12. März könne keine Rede sein. Das Gesprächsangebot sei eine Inszenierung. Man werde vom Hausrecht Gebrauch machen.

Zur Begründung hieß es: »Wer unzufrieden mit der sozialen Situation in der Bundesrepublik ist, hat absolut Recht damit. Wir können nicht länger hinnehmen, dass es Leiharbeit, Niedriglohn und Armutsrenten gibt, dass die Mietpreise im Rhein-Main-Gebiet immer weiter steigen und es kaum noch möglich ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden und dass es an den Schulen Unterrichtsausfall, verrottete Toiletten und undichte Schuldächer gibt. Und genauso wenig können wir hinnehmen, dass die Reichen und Superreichen steuerlich geschont werden und deshalb nicht genug Geld für soziale Projekte und öffentliche Infrastruktur da ist. Wer an diesen Missständen etwas ändern möchte, sollte sich gemeinsam mit uns in Sozialbündnissen, Wohnrauminitiativen oder Gewerkschaften engagieren. Statt rechter Hetze brauchen wir eine starke, solidarische Bewegung, die Druck macht für eine Umverteilung von oben nach unten.«

»Mahnwache zur linksextremen Gewalt«

Darauf reagierte die AfD mit einer »Mahnwache gegen politisch motivierte Gewalt und deren Verharmlosung« – in Wahrheit: »zur linksextremen Gewalt«, wie sie es verstanden wissen wollte. Sie erschien am 16. Juli mit etwa zehn Leuten unter Führung von Wissenbach und mit drei Plakatständern vor dem DGB-Haus, um die Gewerkschaften »vorzuführen«. Rund siebzig GewerkschaftskollegInnen, die hiervon in Kenntnis gesetzt wurden, eilten herbei und umringten die AfD-Aktion, so dass sie wirkungslos verpuffte. Zu Tätlichkeiten kam es nicht: Die AfD’ler waren zu wenige, und die Gewerkschaftskollegen gaben sich keine Blöße. Das geplante Vorbereitungsgespräch zur Gegenkundgebung fand statt, und die AfD’ler räumten ihre »Mahnwache« vorzeitig und ohne ihr Ziel erreicht zu haben.

Doch Unterstützung kam von bisher schon »bewährter« Seite. In einem Artikel, der am 20. Juli, also dem Tag der AfD-Veranstaltung, im »Hanauer Anzeiger« erschien, erwies sich das Blatt erneut als Sprachrohr für AfD-Verlautbarungen. Die Mahnwache habe demnach die Rolle des Hanauer DGB an den Tag gebracht. Man habe Plakattafeln ausgestellt, die Ergebnisse linksextremer Gewalttaten im Main-Kinzig-Kreis und das Ausmaß bundesweiter Strukturen des Linksextremismus auswiesen. Irgendwelche Belege, die Personen mit Taten in Verbindung bringen könnten, wurden nicht erbracht. Dies erfolgte vielmehr durch Suggestivbehauptungen. Der DGB in Hanau sei fest in der Hand von Ulrike Eifler, die ihrerseits gewerkschaftliche Ressourcen zugunsten ihrer Partei DIE LINKE ausbeute. »Inhalte und Sprache der Funktionäre Huth und Eifler seien ’stramm marxistisch‘. Bei Huth komme noch die No-Border-No-Nation-Ideologie hinzu. (Hanauer Anzeiger, 20.7.2018)«

Es ging also nicht nur um die Durchführung einer AfD-Veranstaltung im Wahlkampf an diesem Tag. Die gegenwärtig bestorganisierte Partei der Rechtsextremen macht offen und massiv Front gegen die Gewerkschaften im Main-Kinzig-Kreis und besonders ihre führenden Repräsentanten. Sie behauptet, dass Straftaten des angeblichen Linksextremismus örtlich und bundesweit zunehmen, nennt in diesem Zusammenhang die Namen von Eifler und Huth und erweckt damit den Eindruck, dass Gewerkschaftsfunktionäre politische Straftäter seien. Hinzu kommt der Vorwurf der Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern. Dass das in Kreisen, die für rechtspopulistische Verdrehungen anfällig sind, besonders gut ankommt, liegt auf der Hand. Eifler kündigte Gegenmaßnahmen, auch juristische Prüfungen, an.

Solidaritätserklärung des Hanauer DGB

Als erstes wurde aber politisch reagiert. In einer Erklärung an die im Netz erreichbaren Verteiler beschrieben Eifler und Huth die aktuelle Zuspitzung der Vorgänge. Sie fügten eine kurze Solidaritätserklärung (s. Kasten) an mit der Bitte, diese in Gewerkschaften, Betriebe, Organisationen und Gremien einzubringen: »Zeigen wir der AfD, dass wir gemeinsam zusammenstehen und Angriffe auf Einzelne Angriffe auf uns alle sind.« Der Vorsitzende des DGB Hanau, Klaus Ditzel, stellte sich demonstrativ hinter Eifler und Huth (zur Erklärung: Der DGB Hanau ist einer von vier Kreisverbänden, die zusammen die Region Südosthessen mit Sitz in Hanau bilden; die anderen sind Offenbach, Wetterau und Fulda). Den DGB und seine Gewerkschaften mit politischen Straftätern und Linksextremisten in Verbindung zu bringen, sei völlig an den Haaren herbeigezogen und absolut inakzeptabel. Die Angriffe auf Eifler und Huth seien Angriffe auf die gesamte Hanauer Gewerkschaftsbewegung und würden deshalb auch gemeinsam zurückgewiesen. Ditzel wies zudem darauf hin, dass Eifler und Huth nicht unabgesprochen die sogenannten »Gesprächsangebote« der AfD ausgeschlagen hatten. »Im DGB ist bundesweite Beschlusslage, dass es keinerlei Dialogangebot an die AfD gibt«, sagte Ditzel in einer Presseerklärung. »Wenn Alexander Gauland sagt, er wolle die Integrationsministerin in Anatolien entsorgen, wenn Holger Arppe Gewerkschafter und Linke an die Wand stellen will und wenn Björn Höcke sagt, die AfD sei das letzte friedliche Angebot an diese Republik, dann zeigt sich, die AfD will die Parlamente nicht einfach nur ein bisschen durcheinanderwirbeln, sondern steht für ein völlig anderes politisches System, und sie hat erstaunlich wenig Berührungsängste mit dem Nationalsozialismus«, so Ditzel.

Unsere Alternative heißt Solidarität!
Der Angriff auf den DGB ist auch ein Angriff auf uns!

Wir erklären uns solidarisch mit dem DGB in Hanau und verurteilen die Angriffe der AfD auf Hanauer Gewerkschafter. Weil der DGB zum Protest gegen eine Veranstaltung mit der stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch aufgerufen und ein „Gesprächsangebot« mit der AfD ausgeschlagen hatte, wurden der Hanauer DGB und seine Vertreter in der Öffentlichkeit massiv und zum Teil persönlich angegriffen. Die AfD schreckte auch nicht davor zurück, eine öffentliche Mahnwache gegen Linksextremismus und politische Straftaten vor dem Hanauer Gewerkschaftshaus durchzuführen. Damit vermittelte sie den Eindruck, die Vertreter des DGB stünden mit konkreten Straftaten in Verbindung. Wir verurteilen, wie die AfD falsche Fakten schafft und damit die Gesellschaft spaltet. Und wir sagen deutlich: Eine Partei, die zu Protesten vor Gewerkschaftshäusern aufruft, hat kein Interesse an starken Gewerkschaften und der Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen. Der Angriff auf den Hanauer DGB ist auch ein Angriff auf uns. Wir erklären hiermit, dass wir solidarisch an der Seite der Hanauer Kolleginnen und Kollegen stehen. Angriffe auf alle müssen gemeinsam abgewehrt werden. Unsere Alternative heißt Solidarität!

Ulrike Eifler
DGB Südosthessen, Regionsgeschäftsführerin

Verleumdung schlägt in Gewalt um

Die Atmosphäre, in der die Gegenkundgebung am Nachtmittag des 20. Juli um 17.00 Uhr begann, war also nicht nur durch die Empörung über die zynische Wahl des Themas (Widerstand gegen Hitler) in der AfD-Veranstaltung bestimmt, sondern in dieser ganzen Vorgeschichte aufgeheizt worden. Die Polizei war mit 20 Leuten vor Ort und hatte für klare Absperrmaßnahmen vor der Kulturhalle Steinheim gesorgt. Die Halle ist nicht sehr groß und kann 300 Personen fassen, wobei es aber schon recht eng wird. Die AfD-Veranstaltung sollte um 18.31 Uhr beginnen, der Uhrzeit, zu der am 20. Juli 1944 die Bombe gegen Hitler gezündet wurde. Von Storch kam wohl etwa um 19.00 Uhr. Ihre Rede, soweit sie in der Presseberichterstattung (vorneweg wieder der Hanauer Anzeiger) bekannt wurde, enthielt die üblichen rechtspopulistischen Phrasen gegen Linke, Gewerkschaften, Merkels Flüchtlingspolitik, das vermeintliche Aufgeben nationaler Souveränität etc. Anlassbezogen war die Berufung auf den bürgerlichen Widerstand gegen Hitler, zu dem auch Rechtsanwalt Wissenbach mit Auslassungen über den »Widerstandsparagrafen« im Grundgesetz und ein der AfD verbundener Historiker mit Deutschtümelei über »dieses heilige, christliche Deutschland« beitrugen.

Vor der Halle war eine bunte Szene zusammengekommen: Neben den Gewerkschaften waren die SPD, DIE LINKE, die Grünen, DIE PARTEI, der Automobilclub Deutschland, Attac, der Runde Tisch für menschenwürdiges und bezahlbares Wohnen, die Jusos, die Grüne Jugend, die VVN-BdA, das Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne, das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus und viele, viele andere mehr vertreten, zusammen je nach Schätzung 200 bis 400 Personen (der Verfasser hält sich hier in der Mitte). Bei brüllender Hitze lag der Ort der Gegenkundgebung wohltuend im Schatten einer Häuserzeile gegenüber der Kulturhalle. Es gab eine lange Reihe von Reden mit eindeutiger Ausrichtung gegen die AfD, besonders ihre rassistischen und gewerkschaftsfeindlichen Positionen.

Der eingangs beschriebene Angriff der beiden AfD-Schläger erfolgte fast am Ende dieser Redezeit. Er lief in gespenstischer Ruhe ab, die eine gewisse »Professionalität« der Schläger widerspiegelte. Auch die Einsätze von Polizei und Rettungswagen wurden schon wenige Meter vom Ort des Geschehens kaum bemerkt. Hier zeigt sich ein Defizit der Organisation, das aufgearbeitet werden muss und wohl wird. Nicht lange danach, gegen 19.00 Uhr, löste sich die Kundgebung allmählich auf.

Die Aufarbeitung der Vorgänge

Die AfD erzählte natürlich die umgekehrte Geschichte: Ein Sympathisant sei von Demonstranten geschlagen worden. Zwar habe man in der Halle von Vorgängen draußen nichts mitbekommen, so der Sprecher der AfD Hanau/Großkrotzenburg, aber man sehe keinen Grund, dem Mann nicht zu glauben. Die Polizei ermittelt. Der DGB hat zumindest bis dato einen Zeugen, der den Hergang so bestätigt, wie von uns hier beschrieben. Die Geschäftsführer/Vorsitzenden von IG Metall Hanau/Fulda, ver.di Main-Kinzig/Osthessen, GEW Hanau und IG BCE Mittelhessen (die Organisationsstrukturen der Gewerkschaften sind sehr unterschiedlich) zeigten sich entsetzt und sprachen von einer neuen Qualität der Angriffe auf die Gewerkschaften. Juristisch mag die Auseinandersetzung einen Erfolg bringen oder im Sande verlaufen (weil »Aussage gegen Aussage« steht), politisch müssen die Konsequenzen unbedingt tiefer gehen. Das zeigten auch Redebeiträge der Gegenkundgebung in der Bezugnahme der Angriffe auf die Gewerkschaften durch den Nazi-Faschismus in der Weimarer Republik. Dieser hatte seine verschiedenen Taktiken des »Zuckerbrotes« (scheinbares Aufgreifen sozialpolitischer Forderungen – verbunden mit rassistischen und antisemitischen Vorbehalten) und der »Peitsche« (gewaltsames Vorgehen, Terror gegen GewerkschafterInnen und Linke). Die AfD orientiert sich daran in ihrer eigenen Vorgehensweise und hat offenbar »erstaunlich wenig Berührungsängste mit dem Nationalsozialismus«.

Es wird darauf ankommen, dass die Solidarität, die in der Gegenkundgebung gezeigt wurde, hält und verbreitert wird. Zwei wichtige Grundsätze sind aufgestellt und umgesetzt worden: 1. Angriffe der Rechtspopulisten auf einzelne GewerkschafterInnen sind Angriffe auf alle; 2. die Beschlusslage des DGB – also der Gesamtorganisation – lautet: kein Dialogangebot an die AfD richten, keins von ihr akzeptieren. Der Selbstschutz muss besser organisiert werden und breitere Aufmerksamkeit finden; wir müssen besser aufeinander aufpassen und den Gegner richtig einschätzen. Eine Basisebene wie der Hanauer DGB, die sich entschlossen wehrt, ist ferner darauf angewiesen, dass die Geschlossenheit in den eigenen Reihen hält und auch auf den höheren Ebenen durchgehalten wird. Die eigenen Aktivitäten, der »von unten«« erzeugte Druck sind wichtige Voraussetzungen dafür.

F.H. 26.7.2018


aus Arbeiterpolitik Nr. 4 / 2018

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