Betreiber wollen Berliner Hostel schließen
Die Belegschaft wehrt sich und fordert »wombat’s enteignen«

Korrespondenz

Freitag, 17. Mai 2019: Aus Protest gegen die Auslagerung des Reinigungsteams und die angekündigte Schließung versammelten sich etwa 150 Menschen auf dem Fahrdamm vor dem wombat’s in der alten Schönhauser Straße 2 in Berlin-Mitte. Der Bürgersteig und der Eingang des Hostels war durch die zahlreich vorgefahrene Einsatzpolizei mit Absperrgittern gesichert. Die Berlintouristen aus aller Welt sollten das Hostel ohne »Belästigung« – sprich Information durch die Belegschaft – betreten und verlassen können. »Die Organisatoren der Kundgebung setzten mit Hilfe des Berliner Rechtsanwalts Benedikt Hopmann per einstweiliger Verfügung durch, dass der Protest am beantragten Ort stattfinden konnte. Die Polizeidirektion hatte zunächst versucht, die Kundgebung in einen Park auf der Schönhauser Straße zu verlegen. […] Orts-Zuweisungen, die dem eigentlichen Anliegen der Kundgebungsanmelder zuwider laufen, gehören leider zum Tagesgeschäft vieler Ordnungsbehörden.« 1

Jürgen Hinzer, der frühere Bundesstreikbeauftragte der NGG (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten) hielt eine leidenschaftliche Rede. Er prangerte das Union Busting durch die Geschäftsleitung an und solidarisierte sich mit der Forderung der Belegschaft: »Die Beschäftigten des wombat’s Berlin erweitern die Forderung der Gruppe »Deutsche Wohnen & Co enteignen« und fordern: wombat’s enteignen!« (aus dem Aufruf zur Kundgebung) Er kritisierte, dass der rot-rot-grüne Berliner Senat derart viel Geld für einen überflüssigen Polizeieinsatz zur Verfügung stelle, und wandte sich direkt an die eingesetzten Polizeibeamt*innen. Die Kriminellen wären nicht die Beschäftigten, die für ihre Rechte demonstrierten, sondern die Kriminellen säßen in der Chefetage des wombat’s. Sie missachten und brechen bestehende Gesetze sowie Mitbestimmungs- und Arbeitsrechte; gegen sie gelte es vorzugehen.

Anwesend waren auch Vertreter*innen anderer Betriebe, vor allem aus dem öffentlichen Dienst, die sich in einem ver.di-Aktionsausschuss gegen prekäre Beschäftigung organisiert haben. Sie solidarisierten sich und berichteten über die eigenen Auseinandersetzungen, so u.a.:

  • Beschäftigte der CFM (Charité Facility Management), die seit 13 Jahren für die Wiedereingliederung in die größte Universitätsklinik Europas kämpfen;
  • Physiotherapeut*innen vom Klinikum Vivantes, denen es gelang, ihre Ausgliederung rückgängig zu machen;
  • Vertreter*innen des Botanischen Gartens, die nach jahrelangem Kampf die Wiedereingliederung in die Freie Universität erstritten;
  • ein Vertreter der wenigen Taxifahrer*innen, die sich in ver.di organisiert haben. Er wies darauf hin, dass es bisher in keinem größeren Taxi-Unternehmen gelungen sei, einen Betriebsrat zu installieren.

Freudig aufgenommen wurde auch der überraschende Besuch zufällig in Berlin verweilender griechischer Gewerkschafter*innen, die eine kurze Solidaritätsadresse verlasen. Sie hatten sich tags zuvor von Kolleg*innen und Mitgliedern des Betriebsrates über den Kampf der Belegschaft informieren lassen.

Von einem »progressiven« Unternehmens-Image können die Mitarbeiter*innen nicht leben

1999 wurde wombat’s von Sascha Dimitriewicz und Marcus Praschinger in Wien gegründet. Zur Zeit gibt es wombat’s-Hostels in Berlin, Budapest, London, Venedig und Wien. Mit einem internationalen, lockeren und »progressiven« Flair wirbt der Konzern vor allem um junge Gäste, die reichlich Geld in die Kasse spülen. »Vor 11 Jahren, im Februar 2008 öffnete das Berliner Wombat‘s Hostel. Die Ostberlinerin Margit G. war von Anfang an als Reinigungskraft dabei. 8 Euro Stundenlohn waren damals vereinbart. Einen schriftlichen Vertrag hat Margit erst Monate später bekommen. ‚Damals‘, sagt sie, ‚wurde im Wombats vieles noch ganz locker gehandhabt. Es gab viele Parties, man konnte auch mal umsonst im Wombats schlafen. Aber was soll das bringen? Meine Miete kann ich nicht davon bezahlen, dass es Parties gibt. […] Für die Wombat ́s-Gründer Alexander Dimitriewicz und Marcus Praschinger hat sich die Masche gelohnt: Sie sind Dank Beschäftigten wie Margit längst Millionäre und im Ruhestand. Lediglich der Kampf gegen den Berliner Betriebsrat ist als ihr ‚Special Project‘ übrig geblieben.« 2

Unbezahlte Überstunden, ständige Einsatzbereitschaft, Arbeitsdruck und befristete Arbeitsverträge waren damals die Regel. 2015 hatte die Belegschaft die Nase voll. Auf Initiative einiger Kolleg*innen wurde ein Betriebsrat gewählt – trotz der Drohungen und des rabiaten Widerstandes von Seiten der Geschäftsleitung. Die behauptete, ein Betriebsrat wäre so teuer, dass die Arbeitsplätze bzw. die Existenz des Unternehmens gefährdet wären. Die Belegschaft des wombat’s Berlin war die erste und bisher einzige in Deutschland, der es gelang, einen Betriebsrat in einem Hostel zu installieren. »Betriebsvereinbarungen, zum Beispiel zu den Arbeitszeiten, brachten den Reinigungskräften handfeste Vorteile: Rüstzeiten, in denen sich umgezogen und der Wagen gepackt wird, gehören jetzt genauso zu den Arbeitszeiten wie die Duschzeiten nach dem anstrengenden Putz-Marathon auf den Etagen.« 3

Geballte Unternehmermacht gegen Betriebsrat und gewerkschaftliche Organisierung

Die Erfahrungen mit der kollektiven Vertretung durch einen Betriebsrat förderten die gewerkschaftliche Organisierung, um durch einen Tarifvertrag die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern und abzusichern. Heute sind über 90 Prozent der Beschäftigten in der NGG organisiert. Im September 2018 konnten die damals rund 50 Kolleg*innen ihren Erfolg feiern. Sie setzten den Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Berlin und Brandenburg durch. Dafür hatten sie seit August 2017 immer wieder gestreikt. Für die Beschäftigen bedeutet der erkämpfte Tarifvertrag: Urlaubsgeld, weniger Wochenstunden, mehr Lohn, 500 bis 800 Euro Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld) für 2019.

Das Management schlug zurück. Die zehn Reinigungskräfte, überwiegend Frauen, die in den Streiks großen Mut bewiesen hatten, wurden zum 1. April 2019 endgültig ausgegliedert. Eine Maßnahme, die ein Betriebsrat rechtlich nicht verhindern kann. Den Zuschlag erhielt die Firma EAK Thalhammer, eine Tochter der Thalhammer Gebäudereinigung GmbH mit Sitz in Puchheim bei München. Die Subunternehmen im Reinigungsgewerbe kämpfen mit härtesten Bandagen um Aufträge und Profite; der allgemeinverbindliche Branchentarif für Reinigungskräfte wird in vielen Betrieben systematisch unterlaufen.

Rechtlich beraten ließ sich das Management von wombat’s durch Rechtsanwalt Tobias Grambow, Kanzlei Buse Heberer Fromm. Es gibt auch zahlreiche andere Kanzleien, die sich auf Union-Busting spezialisiert haben.

»Die Besitzer der Wombat’s GmbH versuchten der Belegschaft außerdem mit Hausverboten für Streikende und Gewerkschafter, Anträge auf Auflösung des Betriebsrats, einstweiligen Verfügungen, einem Wahlabbruchsantrag, Wahlanfechtung, auch bezüglich der turnusmäßigen Betriebsratswahl 2018, zuzusetzen. Der Betriebsrat konnte alle Verfahren gewinnen. Die Staatsanwaltschaft stellte dennoch sowohl ein Verfahren, das der Betriebsrats wegen Nötigung angestrebt hatte, als auch eine Anzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit als unbegründet ein.« 4

Union Busting und Mobbing

Das Mobbing gegenüber Mitgliedern des Betriebsrates und Beschäftigten nahm bisweilen kuriose Formen an. Selbst das in Berlin meistgelesene Boulevardblatt, die »BZ« griff das Thema am 11. März 2019 auf: »’Fuck u Betriebsrat‘ wurde in gelber und grüner Farbe auf die Alte Schönhauser Straße in Mitte geschmiert. Daneben ein angedeuteter Penis und andere Beleidigungen. Die Eskalation ist der geschmacklose Höhepunkt im wochenlangen Streit zwischen den Betreibern des Hostels ‚Wombat’s‘ und der Belegschaft. Kern der Auseinandersetzung: Die Reinigungskräfte des Hostels (350 Betten, Baujahr 2008) sollen in Subunternehmen ausgelagert werden. Etwa ein Drittel der 45 Angestellten arbeitet laut Betriebsrat in der Reinigung. Der Betriebsrat malte aus Protest den Schriftzug »Stop Outsourcing at Wombat’s« (dt.: »Stoppt die Ausgliederung bei Wombat’s«) auf die Straße. In der Nacht vom 2. auf den 3. März kamen dann die aktuellen Schmierereien dazu. ‚Wir sind uns sicher, dass die Hausleitung dahinter steckt‘, sagt der Betriebsrat.«

Die »taz« erhielt auf mehrmalige Anfragen, ob sich ein Mitglied der Geschäftsführung zu den Vorwürfen äußern wolle, die Antwort: »Bedauerlicherweise stehen wir nun an einem Punkt, an dem diese Anfeindungen ein Ausmaß angenommen haben, das für uns nicht mehr hinnehmbar ist, sodass der Fortbetrieb des Hauses bedauerlicherweise nicht mehr möglich ist. Daher haben wir uns dazu entschieden, den Berliner Standort zum 31.8.2019 zu schließen.« 5

Die Belegschaft will das Hostel in Eigenregie weiterführen

Die Belegschaft vermutet, dass die Eigentümer das geschlossene Hostel nach einigen Monaten wieder eröffnen wollen – mit einer Belegschaft ohne Betriebsrat und Gewerkschaftsmitglieder. Sie forderten auf der Kundgebung deshalb die Enteignung von wombat’s und die Übernahme unter Selbstverwaltung der Beschäftigten. Angesichts der Methoden, mit denen die Eigentümer ihre wirtschaftliche Macht ausspielen, kam diese Forderung bei den Kundgebungsteilnehmer*innen gut an – vor allem mit dem Hinweis auf die entsprechenden Passagen des Grundgesetzes »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.« (§ 14) »Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.« (§ 15) Allerdings dürfte weder die Berufung auf das Grundgesetz noch die bisherige Kraft ausreichen, um einem derartigen Ziel näher zu kommen. Die meist jungen Gäste des wombat’s sind überwiegend »just for fun« in Berlin und interessieren sich für die Nöte und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nicht. Normale Mieter*innen sind in diesem Teil von Berlin-Mitte die Ausnahme und hätten wohl nichts gegen die Schließung, weil sie sich von den Partytouristen des Hostels gestört fühlen. Beide Gruppen fallen als Unterstützung der Belegschaft aus.

Es bleibt die Aufgabe von aktiven Gewerkschafter*innen und von Aktivist*innen der Bewegung gegen den »Mietenwahnsinn«, sich mit der Belegschaft des wombat’s zu verbünden. Am 12. Juni haben sie erneut Gelegenheit dazu, wenn wieder vor dem Hostel demonstriert werden soll. Deutlich wurde: Die Diskussionen über die bürgerliche Eigentumsordnung und die unbegrenzte Verfügungsgewalt der kapitalistischen Eigentümer nehmen zu – nicht nur in den sozialen Bewegungen, sondern auch in den Gewerkschaften.

A.B. 25.5.2019


 

  1. aus »arbeitsunrecht.de«
  2. aus »arbeitsunrecht.de«
  3. aus »arbeitsunrecht.de«
  4. aus »arbeitsunrecht.de«
  5. aus »taz«, 17.05.2019

aus: Arbeiterpolitik Nr. 2 / 2019

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