Die letzte Betriebsversammlung im Wombat`s Hostel

Korrespondenz

Rückblick auf eine beispielhafte Auseinandersetzung in Berlin

Am 31. August 2019 erschien im »Tagesspiegel« ein Artikel unter dem Titel »Unternehmen gegen Betriebsräte. Mitbestimmung? Dann schließen wir eben.« Weiter heißt es dort: »In Berlin schließt ein Hostel, weil die Mitarbeiter zu sehr auf Mitbestimmung pochten. Dieser Konflikt ist kein Einzelfall. […] Eigentlich sollte alles besser werden. Keine Doppelschichten mehr, kein Durcharbeiten ohne Pause. Keine Anrufe im Urlaub, die den Urlaub prompt beenden. Zermürbt von all diesen Umständen erkämpften die Mitarbeiter von Wombat’s den allerersten Betriebsrat in einem deutschen Hostel. Vier Jahre ist das her. Jetzt verliert dort jeder seinen Job. […] Das Hostel sei zwar wirtschaftlich erfolgreich. Aufgrund der schlechten Presse und der ‚offenen Feindschaft innerhalb und außerhalb‘ des Hostels hätten sich die Wombat’s-Gründer entschieden, das Haus zu schließen.«

Um noch einmal ein Zeichen zu setzen und um ihre Forderungen zu bekräftigen, hatten Betriebsrat, betroffene Kolleg*innen und Unterstützer*innen für den letzten offiziellen Arbeitstag zu einer Demonstration und Kundgebung aufgerufen. Als Sammelpunkt war der Charité-Standort in Berlin-Mitte ausgewählt worden. An der größten Universitätsklinik Europas kämpfen die ausgelagerten Beschäftigten der CFM (Charité Facility Management) seit 13 Jahren für die Wiedereingliederung in die Charité, einem zu 100% dem Land Berlin gehörenden Klinik-Konzern. Aus den Reihen der CFM-Belegschaft hatten die Beschäftigten des Wombat‘s in ihrem Kampf Unterstützung und Solidarität erhalten. Die Abschlusskundgebung fand dann direkt vor dem Hostel statt. Wie zu solchen Anlässen gewohnt, wurde es durch die Polizei mit Absperrgittern vor ungebetenen Gästen und einer befürchteten Besetzung geschützt. Nach der offiziellen Beendigung der Kundgebung zogen die Einsatzkräfte der Polizei ab; die Bewachung des Gebäudes übernahm eine private Sicherheitsfirma.

Menschenleer blieb das Hostel an diesem Abend allerdings nicht. Der Betriebsrat hatte für 19.30 Uhr noch zu einer letzten Betriebsversammlung eingeladen, bei der bekanntlich der Betriebsrat das Hausrecht ausübt. Im Foyer des Hostels trafen sich Beschäftigte und die von ihrer Interessenvertretung zahlreich geladenen Referenten und Gäste. Es wurde keine der üblichen Betriebsversammlungen. Sie diente dem Rückblick auf einen beispielhaften gewerkschaftlichen und politischen Kampf der kleinen Belegschaft und wurde zu einem Treffen von Aktivist*ìnnen, die sich in den letzten Jahren und Monaten zusammengefunden hatten. Sie nutzten die Gelegenheit für eine gewerkschaftspolitische Debatte, in der es um Schlussfolgerungen und Perspektiven aus den gesammelten Erfahrungen ging.

Internationale gewerkschaftliche Solidarität

Einem kurzen und letzten Rechenschaftsbericht des Betriebsrates, um den Formalitäten zu genügen, folgten zwei kurze Video-Clips. Streikende Hotelangestellte aus Marseille und Putzfrauen aus Spanien übermittelten unter großem Beifall der Versammelten ihre Solidaritätsbotschaften. Es folgte der Dank des Betriebsrates an alle Unterstützer*innen ihres langjährigen Kampfes um eine Belegschaftsvertretung und um bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung.

Der BR-Vorsitzende Raphael Kamps lobte in diesem Zusammenhang auch die Rolle der NGG und ihres zuständigen Sekretärs Sebastian Riesner. Ohne sein unermüdliches Engagement zur Wahl einer betrieblichen Interessenvertretung, insbesondere aber während der langwierigen Tarifverhandlungen, hätten sie die Auseinandersetzung nicht so erfolgreich führen können. Kollege Riesner gab in seiner Antwort den Dank an die Mitglieder des Betriebsrates zurück. Er berichtete von seinen Zweifeln, ob denn die Interessenvertreter*innen die bevorstehenden Konflikte über einen so langen Zeitraum würden durchhalten können. Die Zweifel, aber auch die Anerkennung stiegen, nachdem die Beschäftigten des Wombat’s die Aufnahme von Tarifverhandlungen forderten, sich dafür in der Gewerkschaft NGG organisierten und in den Arbeitskampf traten. Wird das nicht – wie so häufig – mit einer betrieblichen Abmachung enden, wo zwar Tarifvertrag drauf steht, aber nur der gesetzliche Mindestlohn drin steckt? Diese Zweifel bewahrheiteten sich nicht. Die Belegschaft konnte mit ihren Streiks die Anerkennung des NGG-Flächentarifvertrages durchsetzen.

Kollektive Verpflegung, gemeinsame Erfahrungen

Mit großem Jubel wurden vier Kolleg*innen empfangen, die für das leibliche Wohl der Versammelten sorgten. Sie lieferten sehr schmackhafte Pizzen. Bis vor kurzem waren sie »freiberuflich« tätig für den Auslieferer Deliveroo. Das Unternehmen hat seinen Sitz in London und ist in 13 europäischen Ländern aktiv. Ende August stellte Deliveroo seine Tätigkeit in Deutschland ein. Die vier Kolleg*innen aus Berlin haben mit dem Aufbau eines Kollektivs »kolyma2« begonnen, um so weiterhin ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Essenspause wurde genutzt, um sich über die Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten und die Gründung des Kollektivs zu informieren, zielt doch auch die Forderung der Wombat’s-Belegschaft in die gleiche Richtung, die Weiterführung des Hostels in Eigenregie der Belegschaft.

Fortgesetzt wurde die Betriebsversammlung mit einem Beitrag des Betriebsratsvorsitzenden des Botanischen Gartens, Lukas Schmolzi, der sich von der Kreativität und Standfestigkeit des Betriebsrates bei Wombat’s beeindruckt zeigte. In jahrelangen Auseinandersetzungen sei es der Belegschaft des Botanischen Gartens gelungen, ihre Ausgliederung aus der Freien Universität rückgängig zu machen. Sie haben ihre Erfahrungen festgehalten und in einem kleinen Buch veröffentlicht: »Der Aufstand der Töchter«. Schon die Ankündigung der Veröffentlichung führte bei der Geschäftsleitung zu Unruhe. Für die beteiligten Kolleg*innen hätte die Mitarbeit an dem Buch eine wichtige Funktion gehabt; sie haben die Dokumentation ihres Arbeitskampfes selbst übernommen und die Berichterstattung nicht allein den üblichen Medien und den bezahlten Journalist*innen überlassen. Das stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein sondern trägt dazu bei, Streik- und Kampferfahrungen zu bewahren und in den Gewerkschaften zu diskutieren. Er hoffe, dass auch der Kampf bei Wombat’s von den Beteiligten dokumentiert werde, so der Appell non Lucas an die Versammelten.

Widerständig: Eine Reihe im VSA-Verlag

Im Anschluss an den Betriebsrat des Botanischen Gartens ergriff der Anwalt für Arbeitsrecht, Benedikt Hopmann, das Wort. Er ist der Initiator und Herausgeber der kleinen Buchreihe »Widerständig«, die seit 2010 im VSA-Verlag erscheint. Er wies auf die Defizite in den Gewerkschaften hin. Arbeitskampferfahrungen würden nur selten und unzureichend reflektiert, um daraus politische Schlussfolgerungen für zukünftiges gewerkschaftliches Handeln zu ziehen. Stattdessen bestimme das sozialpartnerschaftliche Aushandeln von Vereinbarungen und Tarifverträgen sowie die immer stärkere Anpassung an die vom Kapital gesetzten Rahmenbedingungen das Wirken von allzu vielen Gewerkschaftsfunktionären und Betriebsräten. Dem wolle er mit der Buchreihe entgegentreten. Ziel sei es die Kolleg*innen, die unter schwierigen Bedingungen die Kraft zum Widerstand aufbrachten, selbst sprechen zu lassen. Ihre Berichte und Interviews sind nicht nur spannend zu lesen; sie sollen auch anderen Beschäftigten Mut machen. Deshalb auch die Begrenzung der Seitenzahlen in dieser Buchreihe; so soll sie vor allem für den betrieblichen gewerkschaftlichen Alltag brauchbar sein.

Initiative »Arbeitsunrecht in Deutschland«

Von der Initiative hatte die Belegschaft in den letzten Monaten tatkräftige Unterstützung erhalten. Elmar Wigand stellte deren Ziele und Aktivitäten dar. Zwei oder drei Mal im Jahr gibt es einen Freitag den 13. Zu diesem Anlass stellt die Initiative besonders skrupellos handelnde Unternehmen an den Pranger, begleitet von entsprechenden öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Am Freitag, den 13. September 2019, traf es den größten Schlachtbetrieb Deutschlands, die Tönnies Holding ApS & Co.KG. (siehe auch https://aktion.arbeitsunrecht.de/freitag13-toennies).

Durch ihre Aktivitäten ist die Initiative konfrontiert mit Rechtsanwälten, die rabiat Unternehmensinterssen verteidigen, wie die Medienkanzlei Schertz Bergmann, die versuchen eine kritische Berichterstattung zu verhindern. Andere haben sich auf das Union Busting spezialisiert. Zu ihnen gehört die Kanzlei Buse Heberer Fromm, mit dessen Arbeitsrechtler Tobias Grambow sich auch der Betriebsrat des Wombat’s auseinandersetzen musste.

»Gemeinsam gegen Outsourcing, Befristungen und Union Busting!«

Ein Flugblatt mit dieser Überschrift hatten die Kolleg*innen während ihrer Demonstration zum Hostel an Passanten und Interessierte verteilt. Auf der Betriebsversammlung machte die Belegschaft nochmals deutlich: Sie konnte die Schließung nicht verhindern, aber sie bleibt gewerkschaftlich und politisch aktiv. So strebt der Betriebsrat weiterhin an, das Hostel in Eigenregie zu übernehmen und fordert ein Vorkaufsrecht für die Beschäftigten, wenn Eigentümer ihr Unternehmen schließen oder die Produktion einstellen. Die Aktivist*innen aus der Belegschaft werden ihre Forderungen auch in kommenden Auseinandersetzungen einbringen und von ihren Erfahrungen berichten – damit zukünftige Arbeitskämpfe erfolgreicher geführt werden können. »Wir wollen unsere Kämpfe zusammen führen und zeigen, dass wir mit der Wombat’s-Schließung noch langen nicht am Ende sind,« schrieben die Kolleg*innen in ihrem Flugblatt. Die gewerkschaftspolitischen Beiträge auf der Betriebsversammlung unterstrichen dieses Anliegen. Wenn auch nur als symbolischer Akt – die Betriebsversammlung dauerte bis nach Mitternacht. Gegen 0.30 Uhr wurden die Teilnehmer*innen des Hauses verwiesen, denn zu Punkt 24.00 Uhr hatte das Wombat’s-Unternehmen in Berlin seine Tätigkeit eingestellt, um eine gewerkschaftlich organisierte Belegschaft und ihren Betriebsrat los zu werden.

A/B, Oktober 2019

 


Die Reihe WIDERSTÄNDIG

Im Mittelpunkt soll das konkrete Beispiel widerständigen Handelns im Betrieb stehen. Es geht vor allem um das gemeinsame, gewerkschaftlich orientierte widerständige Handeln, aber auch um das widerständige Handeln Einzelner. Die Reihe WIDERSTÄNDIG entsteht in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Immer sollen die Handelnden und Betroffenen selbst zu Wort kommen. Das Beispiel soll Andere zum widerständigen Handeln ermutigen.

Zum besseren Verständnis sollen ökonomische, juristische und historische Erläuterungen gegeben werden. Ökonomie als Kritik an den herrschenden Macht- und Eigentumsverhältnissen. Geschichte als Geschichte der abhängig Beschäftigten. Recht als Widerstandsrecht. Jedes Buch der Reihe soll auch für Seminare und Bildungsarbeit verwendbar sein. Die Lehren aus der Geschichte sollen nicht vergessen werden. Deshalb wird die Reihe WIDERSTÄNDIG zusammen mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) herausgegeben. Jedes Buch enthält ein Vorwort des VVN-BdA.

Der Faschismus löste die Gewerkschaften auf und beseitigte alle kollektiven Rechte, die sich Gewerkschaften erkämpft haben. Das Tarifrecht, das Betriebsrätegesetz – alles wurde mit einem Federstrich zunichtegemacht. Eine »Deutsche Arbeitsfront« mit den Unternehmern als »Betriebsführer« und den Beschäftigten als »Gefolgschaft« wurde etabliert. »Nie wieder Faschismus« heißt dagegen Stärkung der Gewerkschaften und Ausbau der Rechte der abhängig Beschäftigten. Widerständiges Handeln im Betrieb ist in diesem Sinne immer auch antifaschistisches Handeln. »Wer den Privatbesitz an Produktionsmitteln nicht preisgeben will, der wird den Faschismus nicht loswerden, sondern brauchen.« (Bertolt Brecht)

Die Überlebenden des Konzentrationslager Buchenwald schworen 1945: »Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und Freiheit ist unser Ziel.« Wir haben die historische Funktion des großen Kapitals als Wegbereiter des deutschen Faschismus nicht vergessen. Wir haben das Ziel nicht aufgegeben, einem Wiederaufleben des Faschismus diese ökonomische Grundlage zu entziehen. Die Bücher der Reihe WIDERSTÄNDIG und das Handeln, das in diesen Büchern beschrieben wird, sind ein Beitrag im Kampf um dieses Ziel.

Die erschienenen Bändchen der Reihe WIDERSTÄNDIG

herausgegeben von Dr. Ulrich Schneider und Benedikt Hopmann

Brigitte Heinisch/Benedikt Hopmann
Altenpflegerin schlägt Alarm
Über das Recht, Missstände anzuzeigen.

Barbara Emme/Benedikt Hopmann/Reinhold Niemerg
»Emmely« und die Folgen
Über kleine »Siege« dank großer Solidarität: Der Fall »Emmely« machte bundesweit Schlagzeilen: Barbara Emme – genannt »Emmely« – wurde wegen der Einlösung von zwei Flaschenpfandbons im Wert von 130 Cent fristlos gekündigt. Emmely gewann und sorgte für eine höchstrichterliche Wende in der Rechtsprechung zu Bagatellkündigungen.

Karl Kamp/Klaus Schröder/Benedikt Hopmann
»Wir sind keine Schnäppchen«
Auch Beschäftigte in sozialen Diensten brauchen Tarifverträge. Der Kampf von Beschäftigten der »Lebenshilfe« in Berlin um ein besseres Gehalt, gewerkschaftliche Interessenvertretung und einen Tarifvertrag war auch ein Kampf um ihre Anerkennung.

Anton Kobel (Hrsg.)
»Wir sind stolz auf unsere Kraft«
Der lange und phantasievolle Kampf um die Tarifverträge 2013 im Einzelhandel

Gerhard Kupfer (Hrsg.)
Streik und Menschenwürde Der Kampf Bremer Mercedes-Arbeiter gegen Werkverträge und Leiharbeit

Jana Seppelt, Reinhold Niemerg u.a.
Der Aufstand der Töchter
Botanischer Garten Berlin: Gemeinsam staatlich organisierte prekäre Beschäftigung überwinden.


 

Interview mit dem BR-Vorsitzenden Raphael Kamps

Erläutere uns doch bitte kurz die Eigentumsverhältnisse und die Aktivitäten der Wombat’s-Hostels in europäischen Städten.

Wombat’s Hostels gibt es mittlerweile in einer ganzen Reihe europäischer Städte: London, Budapest, München, Wien, Venedig – und bis vor kurzem eben auch noch in Berlin. Es handelt sich dabei jeweils um eigenständige GmbHs, die einer Holding-Gesellschaft mit Sitz in Wien zugeordnet sind. Inhaber und Geschäftsführer der einzelnen Hostels – wie auch der Holding selbst – sind meines Wissens nach noch immer Sascha Dimitriewicz und Marcus Praschinger. Allerdings bedienen sich die Beiden wohl zu Steuervermeidungszwecken einem verworrenen Geflecht von Unternehmens-Neugründungen. So lassen sich in den einschlägigen Handelsregistern Spuren von Unternehmen mit so sprechenden Namen wie Wombats Solutions GmbH, Thymus S.E., Wombats Partners S.A. etc. finden, die allesamt Geschäftsbeziehungen mit wombat’s Hostels unterhielten und halten. Wenn man die Unternehmenssitze recherchiert, sind das nicht selten irgendwelche Briefkästen in Luxemburg. Bei diesen Firmen tauchen dann auch noch andere Namen in der Geschäftsführung auf, wie beispielsweise Edward Nicholson oder Paul Le Marquand. Über deren anderweitige Aktivitäten geben unter anderem die Panama Papers Aufschluss. Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich lohnen würde, hier mal ein bisschen genauer hinzuschauen.

Wie war die Atmosphäre zwischen GL und Belegschaft, welche Arbeitsbedingungen führten zur Wahl eines BR in Berlin?

Die Geschäftsleitung tritt in den einzelnen Betrieben kaum in Erscheinung. Es gibt eine örtliche Hausleitung, die Ansprechpartner für Belange der Belegschaft ist, aber über so gut wie keine Entscheidungskompetenzen verfügt. Man gibt sich betont kumpelhaft, streicht, wann immer es hilft, heraus, dass man ebenfalls abhängig beschäftigt sei und nur Anordnungen aus Wien umzusetzen habe. So könne man zwar an den schlechten Löhnen nichts ändern, fühlt sich aber zugleich auch nicht daran gehindert, Arbeiten über die vertraglich geregelten Tätigkeit und den zeitlichen Umfang hinaus als Gefälligkeiten einzufordern.
Diese Form organisierter Unverantwortlichkeit gepaart mit irgendeiner diffusen Firmenphilosophie findet sich so heutzutage in nicht wenigen kleinen und mittleren Unternehmen. Ein Großteil der Beschäftigten des wombat’s hatte da keine Lust mehr drauf, wünschte klare und transparente Verhältnisse, sowie eine Gleichbehandlung aller, unabhängig vom persönlichen Verhältnis zu den Vorgesetzten. Dafür ist ein Betriebsrat sicher das richtige Instrument.

Konnte durch den BR Verbesserungen für die Kolleg*innen durchgesetzt werden und wenn ja, welche?

Den größten Zugewinn sehe ich darin, dass sich die Beschäftigten mit ihrer Rolle im Betrieb und ihren Rechten auseinandersetzten. Dass der Betriebsrat zu einer Schnittstelle der einzelnen Abteilungen wurde, über die man Informationen sammelte, sich über Arbeitsbedingungen austauschte und eigene Erfahrungen mit denen von Kolleg*innen abglich.
Betriebsversammlungen wurden zu Treffpunkten, wo man kollektiv entschied, welche Probleme anzugehen sind, und diskutierte, was das Instrument Betriebsrat zu deren Beseitigung beitragen kann – das hat dazu geführt, dass wir unter anderem Vereinbarungen zum Bau eines Pausenraums und zum Schutz von Beschäftigtendaten abgeschlossen haben, dass Kolleg*innen nur mehr mit monatlich zu erteilender Erlaubnis in ihrer Freizeit zwecks Übernahme zusätzlicher Schichten kontaktiert werden durften, und dass Wünsche zur zeitlichen Lage einzelner Arbeitsschichten verbindlich bei der Dienstplanerstellung zu berücksichtigen waren. Auch haben wir durch den Aufbau eines verbesserten Arbeits- und Gesundheitsschutz einen Hebel gefunden, die Personaldecke in der Nacht zu verdichten.

Hat die GL versucht die Wahl zu beeinflussen oder zu verhindern, welchen Angriffen sah sich der BR ausgesetzt? Kannst du uns die markantesten Vorfälle nennen?

Bei der ersten Wahl 2015 versuchte man, die Beschäftigten durch Androhung unbestimmter Konsequenzen und Diffamierung der Mitglieder des Wahlvorstands einzuschüchtern. Im Wahljahr 2018 ist unser Arbeitgeber dann mit einer eigenen Liste, vornehmlich aus Abteilungsleitern bestehend, angetreten. Es wurde das Gerücht gestreut, dass bei einer Mehrheit für die oppositionelle Liste der bereits ausverhandelte Tarifvertrag endlich unterschrieben werden würde – da wir uns zu diesem Zeitpunkt seit einem dreiviertel Jahr im Arbeitskampf befanden und unser Arbeitgeber seine Unterschrift hinauszögerte, eine durchaus attraktive Aussicht. Um sein Interesse zu unterstreichen, hat unser Arbeitgeber auch noch eine Wahlparty für seine Kandidaten finanziert, Werbung inklusive.
Mehrheitlich erkannte man die Wahlkampagne unseres Arbeitgebers aber als das, was sie war: ein erneuter Ausdruck der Geringschätzung der Beschäftigten. Um so dringlicher wollten die Kolleg*innen den Tarifvertrag daraufhin mit gewerkschaftlichen Mitteln erstreiten.
Auch die Wahlparty lief nach Verkündung der Ergebnisse letztendlich ein wenig anders ab, als sich unser Arbeitgeber das vorgestellt hatte.

Wie habt ihr es geschafft, die Mehrheit der Belegschaft in der NGG zu organisieren und zur Durchsetzung eines Tarifvertrages zu mobilisieren?

Die Menschen haben sich selbst organisiert. Man empfand die ungleichen Löhne für identische Arbeit als ungerecht. Kolleg*innen sind an den Betriebsrat herangetreten, ob wir nicht für Lohngerechtigkeit sorgen könnten; stattdessen haben wir dann aber die Möglichkeit diskutiert, mit der Gewerkschaft NGG bessere Löhne für alle zu erstreiten. Die Idee hat sich verselbstständigt. Gründe, sich den Gewerkschaftsaktiven anzuschließen, reichten dabei von finanziellen Vorteilen, Solidarität mit den Kolleg*innen, politischen Idealen hin zu einer rein ästhetischen Motivation; man fand es einfach schön, mit den Kolleg*innen zusammen vorm Haus zu stehen.

Wie verlief der Arbeitskampf und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den hauptamtlichen Funktionären der NGG?

Wir haben größtenteils auf Warnstreiks gesetzt, bis zu drei an einem Tag. Insbesondere an Wochenenden, wenn die Hausleitung nicht vor Ort war, oder frühmorgens, wenn Reisegruppen abreisen wollten. Die Rezeption hat Ausweisdokumente der Gäste als Schlüsselpfand verwahrt; durch zeitlich abgestimmte Streiks an der Rezeption konnten wir mit minimalem Aufwand großen Druck ausüben.
Die NGG hat uns nach Kräften unterstützt. Dass unsere Gewerkschaft einen derart energie- und ressourcenzehrenden Kampf in einem kleinen Betrieb wie unserem aufnahm, find ich toll. Schließlich sind wir nicht nur zahlenmäßig wenig Beschäftigte gewesen, wir haben auch alle in Teilzeit für sehr geringe Löhne gearbeitet. Vielleicht zeigt sich hier der Vorteil kleinerer Gewerkschaften oder wir hatten einfach irres Glück mit unserem Gewerkschaftssekretär Sebastian Riesner.

Welche Unterstützung aus anderen gewerkschaftlichen und politischen Bereichen habt ihr erhalten?

Es waren hauptamtliche Gewerkschafter der NGG, ver.di und GEW bei unseren Protesten – es sind auch immer wieder Vertreter der Linkspartei aufgetaucht. Schön wäre es gewesen, wenn unsere Aufrufe von politischen Parteien und branchenfremden Gewerkschaften noch breiter gestreut worden wären.
Die größte solidarische Unterstützung haben wir von anderen organisierten Belegschaften erfahren. Insbesondere bei den Protesten gegen die Ausgliederung der Reinigung, die unser Arbeitgeber als Antwort auf unsere Forderung nach Tariflohn beschlossen hat. Die Relevanz dieses Themas, die Zerschlagung gewachsener Belegschaften als Union Busting Strategie und der notwendige Widerstand dagegen, scheint mir an der Basis wesentlich präsenter zu sein. Beschäftigte vom Botanischen Garten sind gleich nach der Ankündigung des Gesellschafterbeschlusses zu einer unserer Betriebsversammlung gekommen, um den Kolleg*innen Mut zu machen, sich zu wehren.
Die Proteste gegen Ausgliederung und Betriebsabwicklung hat dann wesentlich die Aktion gegen Arbeitsunrecht mit organisiert. Ohne deren Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit wäre das Thema niemals so groß geworden. Es braucht meiner Meinung nach mehr Recherche bezüglich Union Busting-Strategien und der dahinter stehenden Akteure. Der Aufruf an eine starke Zivilgesellschaft, dass sie genauer hinsieht, was sich heutzutage in den Betrieben abspielt, halte ich ebenfalls für enorm wichtig; insbesondere dort, wo Maßnahmen nicht bestreikt werden können. Das werden die Branchengewerkschaften alleine nicht hinbekommen.

Die Erfahrungen von Kolleg*innen aus anderen Branchen, z.B. von der CFM, mit den Berliner Parteien der Senatskoalition sind oft negativ. Gemachte Zusicherungen werden, wenn überhaupt, nur unter dem Druck der Betroffenen eingelöst. Habt ihr Unterstützung aus der SPD, Linkspartei und den Grünen erhalten? Gab es offizielle Stellungnahmen des Senats?

Für die Beschäftigten der CFM ist der Senat genaugenommen Arbeitgeber; da liegt es auf der Hand, dass sie sich mit ihren Forderungen dorthin wenden. Wir haben erst angefangen Politiker zu kontaktieren, als die Geschäftsleitung uns mitteilte, dass man beabsichtigt, den Betrieb stillzulegen. Und das nicht etwa, weil das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten war, sondern allein »weil man auf diese Art und Weise nicht weiter machen [wollte]«. Wo Menschen existentiell bedroht werden, weil sie ihre Grundrechte in Anspruch nehmen, da sehe ich die Politik in der Verantwortung einzuschreiten. Linkspartei und SPD haben uns zwar zu Gesprächen eingeladen; eine rechte Idee, wie man unsere Arbeitsplätze retten kann, hatte aber niemand. Sollten sich Sascha Dimitriewicz und Marcus Praschinger doch nochmal entscheiden, ein Hostel in Berlin zu eröffnen, kann ich mir aber vorstellen, dass sich einzelne Politiker*innen nochmal einmischten.
Nun ist die Geschichte des wombat’s aber ja leider bei weitem kein Einzelfall. Landauf, landab lassen sich vergleichbare Ereignisse beobachten. Deshalb halte ich die Verabschiedung eines Vorkaufsrechts für Belegschaften bei Betriebsstilllegungen, angelehnt an das italienische »Legge Marcora« für eine wichtige Maßnahme zur Stärkung gewerkschaftlich organisierter Belegschaften.
Wir stehen, was dieses Thema anbelangt, weiterhin mit der Politik in Kontakt. Außerdem organisieren wir mit der Aktion gegen Arbeitsunrecht eine Konferenz hierzu im Mai nächsten Jahres in Berlin.


aus: Arbeiterpolitik Nr. 3/4 2019

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