Weltweite Massenproteste

SKOLSTREJK FÖR KLIMATET – ENDE GELÄNDE – DIE KLIMAERWÄRMUNG MOBILISIERT DIE JUGEND:

Als sich die 15-jährige Schwedin Greta Thunberg am ersten Schultag nach den Ferien, den 20. August 2018, mit ihrem Schild »Skolstrejk för klimatet«, »Schulstreik für das Klima«, vor den schwedischen Reichstag setzte, ahnte sie wohl kaum, was für ein gewaltiges weltweites Echo ihre Aktion auslösen sollte. Motiviert von dem heißesten und trockensten Sommer in vielen Teilen Europas, vor dem Hintergrund der brennenden schwedischen Wälder, entschloss sie sich zu handeln.

Mit ihrer Haltung hatte sie offensichtlich den Nerv vieler junger Menschen auf der ganzen Welt getroffen. Angesichts einer sich immer deutlicher zeigenden kommenden Katastrophe sind diese Menschen empört über die Aktionen und die dahinter stehende Haltung der Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Sie fordern drastische Änderungen in Richtung Nachhaltigkeit und Konsumverzicht. Dies würde eine Verringerung von Produktion, Verkehr und Dienstleistungen bedeuten. Für die kapitalistische Produktionsweise, die von Wachstum und Raubbau abhängig ist wie ein Junkie von seiner Droge, sind das keine guten Nachrichten. Mit dem Schulstreik werden Schülerinnen und Schüler zu Regelübertretungen aufgefordert: »Wir Kinder tun oft nicht das, was ihr Erwachsenen von uns verlangt. Aber wir ahmen euch nach. Und weil ihr Erwachsenen euch nicht für meine Zukunft interessiert, werde ich eure Regeln nicht beachten«, so Greta Thunberg im Tagesspiegel vom 3.12.2018.

Am erfolgreichsten dabei, politische Münze aus der Klimabewegung zu schlagen, sind bislang die Grünen. In ihren Genen tragen sie seit ihrer Entstehung Ende der 1970iger Jahre die Vorstellung, Ökologie und Kapitalismus miteinander versöhnen zu können. Doch ihre Mitgestaltung des Kapitalismus, die freundliche Haltung von Baden-Würtembergs grünem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gegenüber der Autoindustrie, sprechen eine deutliche Sprache. Als Robert Habeck im September auf der »Me Convention« mit dem neuen Daimler-Chef Ola Källenius über Klimaschutz, SUVs und Elektroautos diskutierte, war die Übereinstimmung so groß, dass Habeck im Scherz eine Stelle als Vertriebsleiter bei Daimler angeboten wurde. (FAZ, 12.09.2019) »Und ich mag es nicht, wenn Menschen das eine sagen und das andere machen.« (Greta Thunberg am 6.2.2019 im ZDF)

Wahrscheinlich wird ein Teil der heutigen fridays-for- futur (fff)- Aktivistinnen und Aktivisten bei den Grünen landen oder befindet sich schon dort. Zumindest ein Teil der fff kommt nicht umhin, über den Zusammenhang von Kapitalismus und Klimakrise nachzudenken. Die Berge von Plastikmüll, das Artensterben, die brennenden tropischen Regenwälder zeigen den Raubbau-Charakter des Systems einer ungeheuren Zahl von Menschen täglich auf. Doch die Erhöhung des CO2 -Anteils in der Atmosphäre ist der Aspekt der allgemeinen Vermüllung des Planeten durch die kapitalistische Produktionsweise, der die schwersten Auswirkungen verursacht.

In ihrer Orientierung schon klarer als die Schülerinnen und Schüler von fff sind die KlimaschützerInnen in den Braunkohlerevieren am Hambacher Forst und die AktivistInnen der Anti-Automobilindustrie. Beispielhaft waren die Demonstration am 21. Juni diesen Jahres in Aachen und die am folgenden Tag durchgeführten Aktionen am Tagebaurand. Trotz heftiger Aufforderung der Polizei an die fff- AktivistInnen, sich von den Aktionen der Gruppe »Ende Gelände« fern zu halten und politisch zu distanzieren, wurden die Aktionen zu einem riesigen Erfolg für die Politisierung einer ganzen Generation.

Bisher können wir in Deutschland noch nichts über ein Zusammengehen einer sozialen Bewegung mit der Klimabewegung sagen, weil es soziale Bewegungen allenfalls in embryonaler Form gibt. Anders sieht es in Frankreich aus. Zwar sind beide Bewegungen dort bisher noch nicht in inniger Liebe verbunden, die Akteure stammen soziologisch aus verschiedenen Milieus. Dennoch gab und gibt es ein Gefühl der Solidarität, ein Bewusstsein, das die gleichen Strukturen und Personen von den immer unerträglicher werdenden sozialen und ökologischen Verhältnissen profitieren. Was heute schon auch für Deutschland gesagt werden kann: Sobald sich die Klimaerwärmung und die anderen Folgen der kapitalistische Zerstörung des Planeten ökonomisch auswirken, wird es den starken Versuch geben, die Lasten der Krise auf die lohnabhängigen Menschen abzuwälzen, während die Reichen versuchen werden, sich auf ihre Inseln und Festungen zu retten. Die ökologische Krise wird die soziale Krise befeuern.

Was bedeutet die Klimaerwärmung für die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben?

In der Auseinandersetzung um den Klimaschutz steht heute bei uns die Verantwortung des Einzelnen im Vordergrund: Die CO2 -Steuer setzt beim Konsumenten an. In dem Land, dass die meiste Braunkohle (den intensivsten CO Erzeuger) verstromt und dessen wichtigste Branche der 2Bau von Verbrennungsmotoren ist, werden die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge dabei in den Hintergrund gedrängt.

Mit der Ausbreitung der industriellen Revolution wurde verstärkt das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO 2) an die Atmosphäre abgegeben. Damit wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der die Natur als Quelle gesellschaftlichen Reichtums in Frage stellt. Heute ist die Klimaerwärmung um 1,5° Celsius mit ihren Folgen so deutlich, dass nicht mehr nur drum herum geredet werden kann, denn die Auswirkungen sind weltweit spürbar: In Deutschland u. a. vertrocknende Wälder, ein gesunkener Heringsbestand in der Ostsee, weltweit immer neue Temperaturrekorde, Süßwassermängel, Artensterben, brennende Wälder, Gletscher schmelzen und der Meeresspiegel steigt stärker als bisher angenommen. Bei zu hoher CO2 – Konzentration in der Atmosphäre werden wir es mit unkontrollierbaren Folgen zu tun haben, die nicht mehr rückgängig zu machen sein werden.

Mitte Juni 2019 hat sich die Bundesregierung hinter das EU-Ziel, Europa bis 2050 treibhausgasneutral zu machen, gestellt. Politiker überbieten sich mit Klimaschutz-Konzepten. Sie verbreiten Blendwerk – wenn sie z.B. den Klimaschutz ins Grundgesetz aufgenommen wissen wollen – denn das ist ohne Konsequenzen. Es geht ihnen nur um Wählerstimmen. Industrielle suchen technische Schlupflöcher, um sich der Konsequenzen zu entziehen, und sich freizukaufen ist heute schon in Mode. Dies ist die letzten dreißig Jahre schließlich auch schon gutgegangen. Zwar gehört auch die Umwelt zu den wichtigsten Themen der großen Mehrheit der Bevölkerung, doch sie ist in der Masse bisher nur passiver Beobachter.

Nicht auf der Rechnung der bürgerlichen Politiker war jedoch die junge Generation. Schüler sind zum Aktivposten gegen die Klimaerwärmung geworden. Enttäuscht durch die Regierungen brechen sie eine Regel, weil sie um ihre Zukunft fürchten. Denn die Regierung hintergeht die Bevölkerung durch ihr Nichtstun, Verschleppen und Verschleiern, wenn es um den Klimaschutz geht. Durch die Schülerdemonstrationen bekommt Klimapolitik eine Aufmerksamkeit, die sie sonst nicht bekommen hätte. Auch Erwachsene schließen sich an. Die Schüler entziehen sich der politischen Umarmung der Parteien. Ihre konsequente Haltung, die sich über das Internet schnell über die Städte Deutschlands und über mehr als hundert Länder der Erde verbreitet hat, steckt an. Verbindung haben die Ortsgruppen untereinander über das Internet. Der Protest der Jugend ist moralisch. Doch seit ihrem Sommerkongress in Dortmund muss die fff ernst genommen werden. Im Gegensatz zur Bundesregierung hat sie herausgestellt, dass für sie nicht das Machbare, sondern das Notwendige zählt. Und das muss hier im Lande getan werden, anstatt sich hinter dem globalen Maßstab zu verstecken. Vielen Aktiven ist klar, dass eine notwendige Schlagkraft nicht alleine im privaten Umfeld erreicht werden kann. Um eine wirksame Kraft zu werden, müssen die Ursachen der Klimaerwärmung erkannt und die Lohnabhängigen dafür gewonnen werden, sie zu beseitigen.

Was gehört zu den Ursachen der Klimaerwärmung?

Seit 30 Jahren wird die Klimaerwärmung problematisiert. Als es bei Umweltfragen um die Entwicklung von Technik und ihren Verkauf ging, war die BRD an der Spitze – doch die Umsetzung, ihr Einsatz hier bei uns gegen den Treibhauseffekt, ist bestimmt durch Hinauszögerungen. Dabei kann der Astronaut Alexander Gerst davon berichten, dass Auswirkungen der Klimaerwärmung auf der Erde selbst aus dem Weltall zu sehen sind.

Bei Ackerbau und Viehzucht entstehen schädliche Treibhausgase. Bei der Massenviehhaltung entsteht alleine durch das Rindvieh eine erhebliche Menge an Methan. Durch Überdüngung der Äcker mit stickstoffhaltigem Kunstdünger wird ebenfalls eine erhebliche Menge Lachgas frei gesetzt. Des Weiteren wird viel Energie benötigt, um die Haltung, das Schlachten und den Transport dieser Massen zu gewährleisten. Und profitabel ist dieser Wirtschaftszweig besonders durch den Export der Produkte.

Müll wird verbrannt: Mehr als die Hälfte des getrennt gesammelten Plastikmülls wird nicht wiederverwertet, sondern verbrannt zu CO2 – auch exportiert nach Südasien und Afrika und dort unter offenem Himmel verbrannt. Denn dort kann es als Mischmüll nicht wiederverwertet werden.

Eine weitere Ursache ist der Verkehr. Flugzeuge, immer größere Containerschiffe und Massenvergnügungskreuzer mit Schweröl-Antrieben und Autos erzeugen massenhaft CO2 . Bedingt durch den hohen Anteil von Autos am Gesamtverkehr, verursacht der Autoverkehr 60 % der Verkehrsemissionen. Durch die Just-in-Time-Produktion wird das Lager der Fabriken auf die Autobahnen verlegt: länderübergreifende Transporte von Einzelteilen, die zusammengesetzt werden müssen. Mit dem Fernverkehr von Konsumwaren, die in fast jeder Region produziert werden (können), wird der Konkurrenzkampf auf der Autobahn ausgetragen. Die Autobahnen wurden deshalb ausgebaut, der Bahnverkehr bewusst durch den Verkehrsminister vernachlässigt. Doch die Profitproduktion (nicht nur) der Automobilfirmen steht dieser Lösung im Wege: Selbst jetzt, wo die Staus auf den Autobahnen überhand nehmen und die Maut gescheitert ist, soll das Problem durch ihren weiteren Ausbau gelöst werden. Das bedeutet weitere Versiegelung von Natur und lässt die Klimaprobleme weiter wachsen, denn mehr und ausgebaute Straßen ziehen mehr Verkehr an. Die Lösung des Problems Treibhauseffekt wird weiter verschleppt. Zwar wurden Autos im Verbrauch sparsamer, doch gleichzeitig wurden sie größer und ihre Zahl wuchs.

Im Stadtverkehr haben sich ähnliche Szenarien entwickelt. Im Konkurrenzkampf der Geschäfte sind am Stadtrand liegende Einkaufszentren übrig geblieben, die fast nur noch mit dem PKW zu erreichen sind. Am Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wurde und wird gespart.

Noch immer steigt im Verkehrssektor der Ausstoß von CO2. In Deutschland, dem Autoland, wird im Gegensatz zu unseren Nachbarländern der Schienenverkehr nicht genügend verstärkt. Seit dem Versuch, die Bundesbahn zu privatisieren, ist im Schienensektor massiv gespart worden. Und das heute noch. Heute bietet der Stand der Technik mit künstlicher Intelligenz, 5G-Vernetzung und einem leistungsfähigen Schienennetz eine Lösung über den Bahnverkehr an. Verursacht der Schwerlastverkehr auf der Straße auch hohe Kosten durch die Abnutzung der Straßen, die Profitproduktion der Automobilhersteller hat Vorrang. Zwar werden heute hohe Summen in das veraltete Schienennetz investiert, doch es wird nicht erweitert. Auch der Luftverkehr hat bisher Vorrang vor dem Schienenverkehr. Er wird durch niedrigere Steuern bevorzugt.

Wie soll das CO2 -Abgasproblem gelöst werden? Mit Biosprit konnte der CO2 -Ausstoß im Verkehr nicht gesenkt werden. Durch E-Autos? Die Rohstoffe – wie Kobalt und Lithium – die für die Akkumulatoren gebraucht werden, holen in Afrika Kinder aus der Erde – verbotene gesundheitsgefährdende Kinderarbeit, die gerne in Kauf genommen wird; in Südamerika leiden die von der Landwirtschaft lebenden Einwohner durch die Lithiumgewinnung. Und wohin mit den Akkumulatoren? Bisher sind verschiedenste Produktionsabfälle als Müll in afrikanischen und asiatischen Entwicklungsländern gelandet, wo sie z. T. nachts heimlich offen verbrannt werden. »Für die enormen Batteriemengen der Mobilitätswende gibt es noch gar kein Recycling-System. Die Hälfte aller in den Verkehr gebrachten Geräteakkumulatoren verschwindet spurlos. Das zeigt eine neue Studie des Öko-Instituts für die EU-Kommission. Statt aussortiert und wiederverwertet zu werden, landeten 2015 allein 35 000 Tonnen an tragbaren Batterien europaweit im Hausmüll.« (SZ, 29.11.18)

Ungelöst ist die Frage: Woher soll der Strom für die Akkus kommen? Alle heutigen Kraftfahrzeuge durch E-Autos zu ersetzen, ist kein wirkungsvoller Beitrag zur Verringerung der Treibhausgase.

In der Industrie entsteht rund ein Fünftel der CO2 – Emissionen Deutschlands; allein die Eisen- und Stahlindustrie steht für gut 6%. Kohlenmeiler und Hüttenbetriebe, Chemie- und Zementfabriken entlassen jährlich Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Bei den Hüttenbetrieben entsteht überflüssiger Energieverbrauch besonders durch die Stahlproduktion für Waffen- und Kriegsschiffe für den Export und für einen Individualverkehr etc., der in die Sackgasse führt.

Alternativen und technische Teillösungen

Als profitabel erkannt worden und damit Ziel und Praxis in der Chemieindustrie ist inzwischen das Nutzen des industriellen Abgases CO2. Produziert werden elastische Textilfasern, in denen CO2 zu einem kleinen Anteil festverbunden ist: Textilien aller Art wie z. B. elastische Bänder, sowie Möbel und Matratzen (Elastan, Cardyon). Damit wird ein kleiner Teil des industriellen Abgases nicht in die Atmosphäre abgegeben, das Problem Treibhausgase aber nicht gelöst.

Erneuerbarer Strom für die Erzeugung von Wärme und für den Verkehr wird gebraucht und immer mehr Unternehmer, wie z.B. Daimler, wollen klimaneutral produzieren. Durch eine umweltfreundliche, aber teure Wasserstofftechnologie kann überschüssige Energie die durch Wind- und Solarenergie gewonnen wurde, leichter gespeichert und transportiert werden. Doch die Profitproduktion mit Windenergie stößt an Grenzen. Zum einen gibt es in der Bevölkerung Widerstand gegen die Verkleinerung der Abstandsgrenzen, gegen Lärmbelästigung oder Schattenwurf; zum Anderen stehen Natur- und Artenschutz gegen eine unkontrollierte Verbreitung von Windrädern (On-/ Offshore Windpark). Nicht nur seltene Vögel, wie Störche, Greife oder Eulen, sondern auch Fledermäuse sind durch tödliche Schläge großer Rotoren bedroht. Aufgrund der Klagen in Deutschland ist die Produktion von Windrädern seit 2018 stark gesunken. Viele Arbeitsplätze sind verloren gegangen. In der Branche kriselt es.

Von den erneuerbaren Energien bevorzugen die Energiekonzerne den Windstrom; denn hiermit wird die höhere Profitrate erzielt: Höher als mit Photovoltaik- und Biogasanlagen. Die Sonnenenergie würde den Strompreis senken, denn sie produziert in der Hauptverbrauchszeit – am Mittag – den meisten Strom. Biogasanlagen können die Schwankungen von Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen ausgleichen. Sie wurden deshalb von der EU finanziell gefördert. Das hatte zur Folge, dass auf vielen Brachflächen – Rückzugsorte für Vögel und andere Tiere – Energiepflanzen wie Mais und Raps angebaut wurden. In Afrika wurden mit diesem Anbau durch Konzerne Nahrungsflächen für die Bevölkerung verdrängt. Das Wachsen der Profite macht‘s möglich. Hier bei uns wie auch in Afrika führten diese Widersprüche zu Protesten: Gegen den Hunger in Afrika und gegen das Artensterben in Mitteleuropa. Die negativen Folgen der profitorientierten Produktion erneuerbarer Energien zeigen die Notwendigkeit einer bedarfsorientierten Wirtschaft an. Energieerzeuger zögern Umstellungen hinaus. Steigt auch der Anteil erneuerbarer Energien – jetzt wieder von der Regierung gestützt – Braunkohlenkraftwerke produzieren Strom wie gehabt – nun für Profite durch den Export.

Zu den Folgen für die lohnabhängige Bevölkerung

Alle sind betroffen von extremen Hitze- und Trockenperioden. Die Böden in den Gärten trocknen aus, die Bäume in den Städten haben kaum Wasser: Die Luftqualität verschlechtert sich hier. Dadurch, dass der Grundwasserspiegel sinkt, sind Trinkwasservorräte für die Städte gefährdet. In den Braunkohlegebieten, besonders in der Lausitz, hat die Bevölkerung Angst um ihre Zukunft. Dort haben sie in der Geschichte bereits mehrfach erlebt, dass es bei einem Strukturumbruch keinen Ersatz gibt. Das war, als die Textilindustrie verschwand und als die Glasindustrie ging. Schließlich trieb es nach der Wende 300.000 Menschen fort. Heute fragen die Kumpel in der Lausitz: Gibt es für den Verlust unseres Arbeitsplatzes einen angemessenen Ersatz? Bis 2038 sollen Tausende Arbeitsplätze wegfallen. Zwar sollen von der Bundesregierung Milliarden Euro kommen, doch die große Frage bleibt: Wie soll die Abkehr von der Kohle als ein Ausstieg mit wirklicher Jobperspektive gelingen? Wie sollen also junge Menschen der Region unter diesen Bedingungen eine Zukunft haben?

Im ganzen Bundesgebiet macht die Einführung des E- Autos bisherige Arbeiten bei der Autoproduktion – wie z.B. den Verbrennungsmotor – überflüssig, d. h. Arbeitsplätze fallen weg; zusätzlich zum Personalabbau durch die Digitalisierung, auch bei Zulieferern.

Bei den Auflagen für CO2 -Abgase in der Industrie zieht der Unternehmer gerne die Belegschaft mit dem Argument auf seine Seite, es gehe um Arbeitsplätze. Und die Belegschaften lassen sich benutzen. Einen anderen Weg zu gehen, bedeutet Politisierung, die (noch nicht vorhandene) Voraussetzungen braucht. Arbeit für alle ist eine politische Aufgabe, die letztlich alle Lohnabhängigen betrifft.

Kollegen weisen immer wieder darauf hin, dass hier bei uns ja nur ein kleiner Teil des CO in die Luft geblasen 2wird. Sie vergessen dabei, dass Unternehmen der Industriestaaten, also auch Deutschland, in den Entwicklungsländern emissionsstark, also mit CO2 starkem Ausstoß profitabel produzieren lassen.

Weltweite Folgen:

Viel stärker bedroht von den Folgen des Klimawandels als die Industrieländer, die in den gemäßigten Zonen der Erde liegen, sind viele Entwicklungsländer in Südasien, Afrika und Mittel- und Südamerika. Während die Gletscher auf der Erde schmelzen und die Permafrostböden tauen, werden immer noch Urwälder für die Profitproduktion der Agrarindustriellen abgebrannt bzw. abgeholzt, in Brasilien gegenwärtig in großem Umfange. Doch der Tropenwald verträgt keine großflächigen Abholzungen. Nicht nur, dass Menschen ihren Lebensraum verlieren; weniger Bäume entnehmen der Atmosphäre weniger CO2. Dabei sind die Bäume ein unersetzlicher Faktor zum Ausgleich für unvermeidliches Produzieren von Treibhausgasen. Deshalb haben Anfang August Umweltaktivisten aus mehreren europäischen Ländern im Braker Hafen (Weser) gegen die Entladung von Soja protestiert. In der deutschen Massentierhaltung wird Soja überwiegend als Futter verwendet. Diese Urwaldflächen und Savannen fehlen für die Bindung von Kohlenstoffdioxid. Von der kürzlich beschlossenen Freihandelszone zwischen der EU und dem südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur profitieren vor allem die Sojabarone und die Rinderzüchter, die zur Ausweitung ihren Wirtschaftsflächen den Wald abbrennen und roden lassen. 80% der Entwaldung stehen in Brasilien in Zusammenhang mit der Viehwirtschaft. 2018 führte Brasilien Tierhäute im Werte von 1,4 Milliarden US-Dollar aus. Unter dem Druck wachsender Proteste in Europa wie in Brasilien gegen die Feuerlegung und die Brände in den Selvas setzt die brasilianische Regierung inzwischen das Militär ein. Denn die Agrarindustriellen fürchten nun um ihren Export nach Europa. Der schwedische Konzern H&M kauft in Brasilien kein Rindsleder mehr ein. Doch immer neue Brände werden im Urwald am Amazonas entfacht.

In vielen Regionen der Erde werden fruchtbare Weiden in Wüsten verwandelt, Ernten sind auch nicht mehr sicher. Besonders in Afrika wandern Bevölkerungsströme, weil die Lebensgrundlagen von Menschen zerstört werden. In vielen Bereichen Afrikas ist das Wetter nicht mehr berechenbar, Ernten vertrocknen. Für eine wachsende Bevölkerung ist die Ernährung nicht mehr gesichert, denn gleichzeitig nutzen Konzerne der Industriestaaten Flächen armer afrikanischer und auch asiatischer Länder für den Konsum im Norden: Im Süden verhungern Menschen. Importierte Nahrungsmittel aus den Industriestaaten – nicht nur von Nestle ́ – verschärfen die Probleme. In Südasien gibt es durch den Klimawandel Extremwetter, das kaum auszuhalten ist. Zusammen mit der Luftverschmutzung erkranken immer mehr Menschen.

Und die politischen Konsequenzen?

Weltweit demonstrierten am 20.09.19 Millionen, nicht nur junge Menschen, und übten damit Druck auf eine Regierungspolitik aus, die den wachsenden Klimaproblemen nicht wirklich etwas entgegensetzt. Lokale Gewerkschaftsgliederungen, Umwelt- und Naturschutzverbände unterstützten in Deutschland die Demonstrationen, die GEW sah in ihnen einen außerschulischen Lernort. Auffällig war, dass viele Gewerkschaften den Protest nicht unterstützten. Weshalb, sagte Jörg Hofmann, Vorsitzender der IGM, in einem Interview der SZ vom 05.10.19 »Wer, wenn nicht die deutsche Industrie könnte den Beweis antreten, dass Klimaschutz, Wachstum und Beschäftigung keine Gegensätze sind? … Politik und Unternehmen können dafür sorgen, dass die Beschäftigten Veränderungen mit Hoffnung und nicht mit Angst verbinden.« Das Regierungsprogramm bringt nicht die notwendige Reduzierung von Kohlenstoffdioxid. Dieses »Klimaschutzpäckchen« der Berliner Regierung soll niemandem weh tun und die Profitproduktion schützen, das geht aber nur zu Lasten der Lohnabhängigen Bevölkerung. Selbst das Bundesumweltamt bezweifelt die Wirksamkeit des Klimaprogramms der Regierung. Das Politikversagen dieses Tages sei gigantisch, erklärten die fff. Damit war der 20.09.19 der Einstieg in eine politische Entwicklung, die die Massen der Menschen ergreift; denn die Klimaprobleme wachsen weiter und erhöhen ständig ihren Druck. Im Kampf gegen die bürgerliche Klimapolitik wachsen der Individualisierung und dem Egoismus in der Gesellschaft ein neuer Zusammenhalt und ein Miteinander von Menschen entgegen. Auf der Abschlusskundgebung auf dem Bremer Marktplatz sagte Karen Wiltshire, führender Kopf der Scientists-for-Future Bewegung: »Wir haben das Wissen um die Technologie um an der CO2 -Schraube zu drehen.« Die weiteren konkreten Klimaerfahrungen und die Wirkungslosigkeit der Regierungspolitik werden die Klimabewegung weiter wachsen lassen.

Wie wenig die Regierung an eine Verkehrswende denkt, zeigt auch die unterschiedliche Unterstützung der Forschung an den Universitäten: 1,2 Millionen Euro gehen in die Förderung von Fahrradprojekten, während Milliarden in die Autoforschung fließen. Wird auch verbreitet von Verzicht gesprochen, um einen Verzicht auf wachsende Profite geht es nicht. Alle erkennen die Gefahr und meinen, es müsste etwas geschehen. Doch sobald es an die Konsequenzen geht, also um schmerzhafte Einschnitte für die Aktionäre, werden die Lobbyisten der Stahl-, Öl-, Kohle- und Autoindustrie in den politischen Gremien vorstellig. Dann wird der Unterschied zwischen Wort und Tat deutlich.

In der Jugend wächst die Ungeduld und ist nach den Vorschlägen des Klimakabinetts auf einem Höhepunkt. Wie kann der Druck auf die Regierenden erhöht werden? Dazu muss die Zielsetzung Klimaschutz auch an die aktiven kritischen Gewerkschafter herangetragen und mit ihnen diskutiert werden. Vor fast 30 Jahren hat der Kapitalismus der industriell hoch entwickelten Staaten beim Scheitern des Versuchs, im Bauernland Russland den Sozialismus aufzubauen, triumphiert. Heute stehen außer dem Klimawandel auch Umweltzerstörung, Digitalisierung der Wirtschaft und wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft als Herausforderungen vor uns. Es zeigt sich, dass die Profitwirtschaft das entscheidende Hemmnis ist, den Klimawandel aufzuhalten und die anderen Hemmnisse zu überwinden.

Oktober 2019


Auszüge aus dem Aufruf der jungen Klimabewegung an die Welt

»Wir haben begriffen: Wenn wir nun nicht damit beginnen, für unsere Zukunft einzustehen, wird niemand anderes den Anfang machen. […] Aber das ist keine Aufgabe für eine einzelne Generation. […] Während der Französischen Revolution sind Mütter in Scharen für ihre Kinder auf die Straße gegangen. Heute kämpfen wir Kinder alleine für uns selbst, während so viele unserer Eltern damit beschäftigt sind zu diskutieren, ob unserer Noten gut sind, […] Emissionen rapide sinken, damit wir in unseren Mitt- und Spätzwanzigern in einer vollkommen anderen Welt leben. […] Es ist Zeit für uns alle, massenhaft Widerstand zu leisten.« (SZ, 24.5.19)


aus: Arbeiterpolitik Nr. 3/4 2019

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