Während in den italienischen Krankenhäusern völlig überlastete Ärzte und Pflegekräfte – wie in Kriegszeiten – entscheiden müssen, welche Patienten sie noch behandeln können oder sterben lassen müssen, ist ein heftiger Streit zwischen den Gewerkschaften und Unternehmerverbänden sowie der Regierung ausgebrochen. Am 23. März meldete die FAZ unter der Überschrift „Italiens Gewerkschaften drohen mit einem Generalstreik“ folgendes:
Die Gewerkschaften fordern die Stilllegung aller Aktivitäten, die nicht lebensnotwendig sind, zudem zeigen sie sich verärgert darüber, dass sie bei der Formulierung des jüngsten Dekrets des Ministerpräsidenten nicht gefragt worden sind. […] In einer gemeinsamen Erklärung […] versprechen die drei nationalen Gewerkschaften den Vertretern ihrer Organisationen in den Unternehmen Unterstützung für Aktivitäten der lokalen Gewerkschaftsvertreter, um alle Aktivitäten zu schließen, die nicht lebensnotwendig sind. In Latium haben die Metallarbeitergewerkschaften schon für den 25. März einen Generalstreik angekündigt, falls man ihnen nicht entgegenkommt.
Die Arbeitskämpfe und die Erklärung der drei Gewerkschaftsvorstände zeigen, wie heftig der Unmut und die Wut der Beschäftigten sein müssen. Sie sind nicht mehr bereit, die Maßnahmen der Regierung mitzutragen oder zu erdulden. Der Konsens – ihr, die Regierunden schützt uns vor den Folgen der Pandemie, wir tragen eure Beschlüsse mit -, der in Deutschland noch die Stimmung und das Verhalten der Bevölkerung prägt, zerbricht in Italien zusehends. Angesichts von mehr als 10.000 Toten verliert in Italien die Bevölkerung das Vertrauen in die Fähigkeit der Regierung sie zu schützen. Nicht nur die Gewerkschaften, auch die Gegenseite bezieht Stellung. So erklärte der Vorsitzende des Unternehmerverbandes Confindustria, Vincenzo Boccia folgendes: „Die Instrumentalisierung dieser Frage hat das zulässige Maß überschritten.“ Und der rechte Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toti, gibt politische Schützenhilfe. So ist in der FAZ weiter zu lesen: „Das Land sei wie in einer Kriegssituation, und da seien einige, wie die Ärzte und Pfleger, an der Front, aber die anderen müssten produzieren. Im Brennpunkt Lombardei müsse womöglich alles stillgelegt werden. Doch anderswo gelte es, die Versorgung sicherzustellen und strategische Investitionen für die Zukunft zu planen.“
Die zitierten Vertreter des Kapitals wollen nicht nur Verluste durch erzwungene Produktionseinstellungen verhindern. Dahinter steht eine Grundsatzfrage, egal ob es den Kontrahenten bewusst ist oder nicht. Den Gewerkschaften darf kein Einfluss und Mitwirkungsrecht darüber eingeräumt werden, wo und unter welchen Bedingungen produziert wird. Diese Entscheidungen bleiben in einer bürgerlichen Gesellschaft den Eigentümern der Produktionsmittel vorbehalten. In Zeiten schwerer Krisen allerdings soll und muss der Staat (als Instrument der herrschenden Klasse) lenkend in die Wirtschaft eingreifen, um deren kapitalistische Grundlage zu sichern.
Auch in anderen Ländern Europas regt sich der Widerstand, finden spontane Arbeitsniederlegungen statt. Sie entzünden sich häufig an den unzureichenden Schutzmaßnahmen in den Produktions- und Arbeitsstätten, wo Abhilfe, Gefahrenzulagen oder die Einstellung der Arbeit gefordert werden. Dies hat selbst das für seine sozialpartnerschaftlichen Beziehungen und streikarme „Musterland“, die Schweiz, erfasst. Am 17. März legten die Bauarbeiter am Genfer Flughafen spontan die Arbeit nieder. In der Bauindustrie, wo Dutzende ein Dixiklo benutzen müssen, keine Sanitäranlagen vorhanden sind und die Beschäftigten der Subunternehmen in engen Wohncontainern hausen, lassen sich die notwendigen Schutz- und Hygienemaßnahmen gar nicht oder nur unter hohem Aufwand durchsetzen. Die Stimmung in der Mitgliedschaft veranlasste den schweizerischen Gewerkschaftsdachverband UNIA zu der Aufforderung, die „Arbeit in nicht essentiellen Bereichen einzustellen“. Er geriet damit sogleich in Konflikt mit der Schweizer Regierung und den Unternehmerverbänden.
Es ist nicht möglich im Rahmen eines Kommentars, die vielfältigen Widerstandsaktionen in zahlreichen Ländern aufzuzählen oder gar zu dokumentieren. Diese Aufgaben erfüllt das „labournet“, welches auch über den Unmut unter Beschäftigten und Gewerkschafter*innen in Deutschland berichtet, der sich bisher allerdings nur digital äußert – in Stellungnahmen, Forderungen, Kritiken und Petitionen an die Regierenden und die Gewerkschaftsvorstände (siehe auch: „Burgfrieden im Zeichen von Corona“).
Im Blickpunt der Kritik und Forderungen steht u.a. die unzureichende Absicherung bei Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit. Das Heer der Aufstocker (Lohnzusatzempfänger) wird gewaltig anwachsen. Die Begrenzung der Regelung für ein Kündigungsverbot wegen Mietrückständen bleibt auf drei Monate, von April bis Juni, beschränkt, wobei die Mietschulden nur gestundet werden. Also auch hier nur ein Aufschub, vor allem weil unter den Bedingungen der Ausgangssperren Räumungsklagen und Zwangsräumungen auf breite Empörung stoßen würden.
Erste Vertreter des Kapitals fordern die Rücknahme des Shutdowns
Die Bundesregierung hatte aus Rücksicht auf die deutsche Wirtschaft (auf Produktion. Absatz und Konsum) lange gezögert, wirkungsvolle Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu beschließen und damit wertvolle Zeit verloren (siehe Kasten unten).
Inzwischen melden sich nicht nur in Italien und der Schweiz, sondern auch bei uns, die Vertreter einer möglichst baldigen Aufhebung der Einschränkungen zu Wort. Die Internetplattfom german-foreign-policy berichtet am 25.3.: „Erste Stimmen aus der deutschen Wirtschaft fordern öffentlich eine Abkehr von den jüngsten Schutzmaßnahmen im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie. Man dürfe nicht vergessen, ‚welche brutalen Folgen die bisherigen Maßnahmen bereits für die Weltwirtschaft haben‘, erklärt Alexander Dibelius, ein einflussreicher Finanzmanager, einst Deutschlandchef der Investmentbank Goldman Sachs, im Interview mit dem Handelsblatt: ‚Der akute Absturz der Weltwirtschaft mit all seinen Folgewirkungen‘ sei ‚der weit größere und gefährlichere Stresstest als Sars-CoV-2‘.“ Und weiter: „Ist es richtig, dass zehn Prozent der – wirklich bedrohten – Bevölkerung geschont, 90 Prozent samt der gesamten Volkswirtschaft aber extrem behindert werden – mit der unter Umständen dramatischen Konsequenz, dass die Basis unseres allgemeinen Wohlstands massiv und nachhaltig erodiert?“
Dibelius und die ihn unterstützenden Ökonomen und Politiker haben natürlich nicht „unseren allgemeinen Wohlstand“ im Blick. Ihnen geht es um die Stellung der deutschen Wirtschaft in der globalen Konkurrenz. Mit Sorge blicken sie nach China, wo schrittweise das öffentliche Leben und die Produktion hochgefahren werden, nachdem es nur noch wenige Neuinfektionen gibt. Die deutsche Wirtschaft soll nicht ins Hintertreffen geraten – weder gegenüber den asiatischen Konkurrenten, noch gegenüber den USA. Dort haben die Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern der Einschränkung des öffentlichen Lebens und deren Gegnern gerade erst begonnen.
Allerdings haben die Befürworter einer Aufhebung des Shutdowns in der gegenwärtigen Lage schlechte Karten. In einem Interview mit dem Tagesspiegel am 28.03.20 machte Kanzleramtschef Helge Braun unmissverständlich klar: „Wir haben entschieden, die Maßnahmen, die wir jetzt ergriffen haben, gelten größtenteils bis zum 20. April. Und wenn wir in den nächsten Tagen dann den Erfolg auch quantitativ messen können und wissen, wie sehr wir den Infektionsanstieg verlangsamt haben, dann werden wir auf dieser Grundlage rechtzeitig vor dem 20. April eine Strategie für die Zeit danach erarbeiten. Das oberste Ziel ist natürlich, unser Gesundheitswesen nicht zu überfordern. Das ist der wichtigste Punkt von allen.“
Hiermit befindet sich die Regierung im Konsens mit der großen Mehrheit der Bevölkerung, die die persönlichen Einschnitte in die Lebensführung bereitwillig hinnimmt und den Regierenden einen großen Vertrauensvorsprung gewährt. Gesundheitsminister Jens Spahn umgibt sich bei seinen Pressekonferenzen fast immer mit Epidemiologen und Virologen des RKI (Robert-Koch-Institut) und legitimiert die Maßnahmen der Regierung durch wissenschaftlichen Sachverstand. Das kommt gut in der Bevölkerung an. Die vielen Mängel in unserem Gesundheitssystem (das Vergütungssystem durch Fallpauschalen in den Krankenhäusern, der Mangel an Schutzmasken, Schutzkleidung etc.) sind zwar Gegenstand der Kritik. Aber die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden in Kooperation mit Kliniken und Betrieben unternehmen alles, die Beseitigung dieser Mängel als nationale Kraftanstrengung zu deklarieren. Grundsätzliche Kritik an unserem Gesundheitssystem, erst recht nicht an unserem Gesellschaftssystem, kann sich in solch einer Situation kein Gehör verschaffen. Es sei denn, diese Kritik verbindet sich mit konkreten Forderungen der Beschäftigten nach Ausweitung des Gesundheitsschutzes, nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen und nach Anhebung ihrer Löhne.
Am 12. März schrieb german-foreign-policy: „’Die Bundesregierung leitet in der Coronakrise Hilfsmaßnahmen für die deutsche Wirtschaft ein und verweigert von der WHO dringend empfohlene Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung.‘ Berlin unternehme ‚alles‘, damit das Covid-19-Virus ‚die Wirtschaft in Deutschland nicht flächendeckend trifft‘, ließ sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schon zu Monatsbeginn zitieren. ‚Die Maßnahmen stärken die Stellung deutscher Unternehmen in der globalen Rivalität.‘ Ende Februar hatte die WHO konstatiert, ‚große Teile der globalen Gemeinschaft‘ seien ’noch nicht bereit, sowohl in ihrer Einstellung als auch materiell, die Maßnahmen durchzuführen, die zur Eindämmung von Covid-19 in China angewandt wurden.‘ Die chinesische Regierung hatte in der am stärksten betroffenen Provinz Wuhan nicht nur Schulen, Kindergärten und Universitäten, sondern auch die Produktionsbetriebe stillgelegt. Damit ist es ihr gelungen, betroffene Regionen abzuschotten und die Pandemie einzudämmen.“
Doch zu solch rigorosen Maßnahmen sind die Bundesregierung und die Regierungen in anderen EU-Staaten bis heute nicht bereit. Schon die Schließung von Schulen und Kindergärten erfolgte in Deutschland viel zu spät, mit teils abenteuerlichen Ausflüchten. Die arbeitenden Eltern könnten ihre Zöglinge ja nicht bei den Großeltern unterbringen, die zu den Risikogruppen gehören. Sie unter Fortzahlung des Lohnes freizustellen, auf diese Idee kam in Deutschland kein politisch Verantwortlicher. Unter dem Zwang des rapiden Anstiegs der Infektionen und der Empfehlungen der Fachleute haben die Bundesländer, eines nach dem anderen, eine Kehrtwende vollzogen.
Während nun für große Teile der Bevölkerung das soziale und öffentliche Leben immer stärker eingeschränkt oder, wie z.B. in Italien, Spanien etc., durch Ausgangssperren fast gänzlich unterbunden wird, sollen Unternehmen und Betriebe weiterhin davon ausgenommen werden. Von den Ausgangssperren nicht betroffen sind Menschen beim Einkauf von Lebensmitteln, was notwendig und sinnvoll ist – und auf dem Weg zur Arbeit, was völlig unnötig und widersinnig ist, es sei denn, sie arbeiten in Bereichen und Branchen, die das Funktionieren der öffentlichen Infrastruktur sicher stellen. Während die Bevölkerung aufgefordert wird, ihre sozialen Kontakte einzustellen, werden die arbeitenden Menschen gezwungen, sich dem Risiko einer Infektion auszusetzen, wollen sie nicht durch eine Verletzung des Arbeitsvertrages ihren Job aufs Spiel setzen. Die Mehrzahl der Beschäftigten arbeitet ja nicht in Bereichen und Branchen zur Sicherung der öffentlichen Infrastruktur; die Mehrheit schuftet für die deutsche Exportindustrie, in der Automobil- und Zulieferindustrie, im Maschinenbau, in Rüstungsbetrieben. Sie stellt Autos oder andere Güter her, von denen niemand sagen kann, ob sie angesichts des Konjunktureinbruchs überhaupt noch abgesetzt werden können.
Alle Regierungen in den EU-Staaten sind trotzdem bemüht, die Folgen der Pandemie für den Antrieb der Gesellschaft, für die kapitalistische Gewinnerzeugung so gering wie möglich zu halten. Deshalb ist der Arbeitsweg von den Ausgangssperren ausgenommen. Von den Ein- und Ausreiseverboten nicht betroffen ist der Warenverkehr, egal ob es sich um lebenswichtige Lieferungen (Medikamente, Lebensmittel usw.) oder um Luxus- und andere Konsumgüter handelt, auf die mensch eine Zeitlang verzichten kann. Ausgenommen sind auch die Pendler. So sollen nach dem Willen der Vorsitzenden der EU-Kommission, von der Leyen, die Auswirkungen für die Lieferketten und für die europäischen Produktionsstandorte möglichst minimiert werden.
Unsere Forderung kann nur lauten, die Arbeiten in allen nicht für die Infrastruktur notwendigen Betrieben sofort zu untersagen und einzustellen. Eine Forderung, die in zahlreichen Streiks, zunächst in Italien und nun immer häufiger in anderen EU-Staaten aufgestellt wird. Auch die Einstellung der Produktion in der Automobilindustrie ist, neben der Absatzkrise und den logistischen Problemen bei der Zulieferung, auf die massive Verunsicherung und Unruhe in den Belegschaften zurückzuführen. […] Ein weiteres Beispiel soll diesen Irrsinn verdeutlichen. Während beispielsweise Bars, Restaurants und Einzelhändler (mit zahlreichen Beschäftigten) in den Ruin getrieben werden oder um ihre Existenz bangen müssen, kann Amazon seine Waren weiter vertreiben und damit seine Marktstellung auf Kosten des lokalen Einzelhandels weiter ausbauen. Ein Konzern, der in Europa kaum oder keine Steuern zahlt und wenig oder überhaupt nicht zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beiträgt.
Niemand kann voraussagen, wie tief und wie lang die bevorstehende Rezession ausfallen wird, auch nicht, welchen Anteil die direkten Folgen der Pandemie (Produktionsausfälle, Rückgang der BIP) daran einnehmen werden. Sie war der Auslöser, der auf eine schon stotternde Konjunktur in der Weltwirtschaft traf, in der nationale Egoismen und materielle Eigeninteressen immer stärker das Regierungshandeln im internationalen Wettbewerb bestimmten. Die Pandemie traf auf Börsen- und Finanzmärkte, die sich nach dem Ende der Finanzkrise 2009 erneut immer stärker aufgebläht hatten und deren Spekulationsblasen nun platzen. Die Pandemie offenbart den Zustand der Gesellschaft und ihrer staatlichen Institutionen, deren Handeln in der Vergangenheit von der Schaffung möglichst günstiger Voraussetzung für die Gewinnmaximierung bestimmt wurde, woran sich auch in Zukunft nichts ändern wird, sollte nicht der Druck von unten zu Korrekturen und Änderungen zwingen.
Bestes Beispiel für die sozialen Verheerungen (die schon lange existieren) ist das nun im öffentlichen Blickfeld stehende Gesundheitswesen. So schreibt Kalle Kunkel im „Freitag“ vom 13. März: „In dieser Hinsicht wirkt die Corona-Pandemie eher wie ein Brennglas, in dem schon länger bekannte Probleme besonders scharf sichtbar werden: Es fehlt an Personal in den deutschen Krankenhäusern. […] Von (neo)liberaler Seite wurden in den vergangenen Jahren vor allem die angeblichen „Überkapazitäten“ an Bettenplätzen und Krankenhausstandorten in Deutschland in den Mittelpunkt der Debatte gestellt. Sie würden zu einer Fehlsteuerung der Ressourcen führen. […] Kern der deutschen Krankenhausmisere: die Finanzierung nach den sog. Fallpauschalen. Denn deutsche Krankenhäuser bekommen nur ein Minimum ihres Budgets für die Vorhaltung von Kapazitäten. Die Krankenhäuser werden pro Patientenfall bezahlt, den sie behandeln. Sie müssen ihre Kapazitäten immer so auslasten, dass sie über die Erlöse durch die einzelnen Patientenfälle genug Geld einnehmen. […] In einem solchen System handelt betriebswirtschaftlich unverantwortlich, wer seine Kapazitäten nicht so weit wie möglich auslastet. Für den Krisenfall vorgehaltene (leere) Betten sind aus der individuellen Krankenhausperspektive Erlösausfälle. Das Problem beginnt also nicht erst mit der Gewinnorientierung. Es beginnt bereits mit der „Erlösorientierung“ – also dem Zwang den gesamten Betrieb durch das Erbringen von „Leistungen“ finanzieren zu müssen. […] Es wäre, wie wenn die Feuerwehr nur für jeden gelöschten Brand bezahlt werden würde. […] Wir lernen also jetzt schon aus der Krise, dass die Propagierung angeblicher Überkapazitäten und der Notwendigkeit von flächendeckenden Krankenhausschließungen unverantwortlich ist.“
Das Gesundheitswesen ist nur ein Beispiel für die existierende Misere in der öffentlichen Daseinsvorsorge und in zusammengesparten Verwaltungen und Behörden. Die sozialen Verwüstungen, die die Rezession noch nach sich ziehen wird, trifft auf einen immer stärker deregulierten Arbeitsmarkt, in dem der Niedriglohnsektor beständig ausgeweitet wurde – befeuert durch Outsourcing von Firmen, öffentlichen Betrieben und Verwaltungen – flankiert und initiiert durch Regierungshandeln (siehe Agenda 2010). Während die Belegschaften der großen Konzerne noch relativ gut abgesichert sind, weil Gewerkschaften und Betriebsräte eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch betriebliche Zuschüsse durchsetzen konnten (von 60 bzw. 67 Prozent auf 80 oder 90 Prozent in der Metallindustrie), sieht es für die Beschäftigten im Niedriglohnsektor und für die Belegschaften in Klein- und Kleinstbetrieben verheerend aus. Wer mit seinem Lohn gerade mal über die Runden kam, kann weder vom Arbeitslosen- noch vom Kurzarbeitergeld leben, muss Lohnzusatzleistungen bei den Jobcentern beantragen. Hier gilt es als erstes Vorstellungen und Forderungen zu entwickeln, die sie vor den absehbaren Folgen schützt.
Wichtigste Forderung wäre die Mobilisierung aller materiellen und finanziellen Mittel der Gesellschaft zur Eindämmung der Pandemie und zur Abfederung der sozialen Folgen der Krise. Statt durch Steuererleichterungen, wie seit Jahrzehnten üblich, sollten die Vermögenden und Konzerne über die Einführung einer Pandemie- und Krisensteuer zur Bewältigung der Krise herangezogen werden.
B
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