Nachtrag zum Artikel
„Der Neukölln-Komplex:
Neonazis terrorisieren, die Behörden schauen zu“

Nachtrag zu unserem Artikel aus Oktober 2020


Einen Tag vor Weihnachten hat die Generalstaatsanwaltschaft die beiden Hauptverdächtigen Sebastian T. und Tilo P. verhaften lassen. In den Ermittlungsakten haben sich offenbar doch noch Beweise finden lassen, die in bald 10jähriger Aufklärungsarbeit niemandem aufgefallen waren. T. und P. werden nunmehr zwei Brandstiftungen zur Last gelegt: bei dem Kommunalpolitiker der Linken K. und dem Buchhändler O. im Februar 2018 (Neues Deutschland vom 23.12.20).

Die Beweise überzeugten zwar den Haftrichter, es läge tatsächlich dringender Tatverdacht vor, aber es gäbe mildere Mittel als U-Haft um der Fluchtgefahr zu begegnen. Er wollte beide wieder laufen lassen. Im Falle von T. legte die Staatsanwaltschaft gegen die Haftverschonung aber Beschwerde ein, sodass sich allein der Verdächtige P. über dieses Weihnachtsgeschenk freuen darf. (vgl. Tagesspiegel vom 24.12.20) Auf twitter verkündete die Staatsanwaltschaft vollmundig die „Aufklärung einer Serie mutmaßlich rechtsextremistisch motivierter Straftaten in Berlin Neukölln“. (zit. nach nd vom 23.12.20)

Anscheinend haben die Justizbehörden vor, das Thema „Neukölln-Komplex“ auf bewährte Weise zu erledigen: Es werden zwei Täter präsentiert, die kriegen ihre verdiente Strafe und der Neukölln-Komplex verschwindet aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Zig Straftaten bleiben ungesühnt, Hintergründe werden nicht beleuchtet, weitere Verdächtige des Neonazi-Terror-Netzwerks bleiben ungestraft, Verbindungen zur Polizei nicht untersucht.

Ob die im Herbst 2020 eingesetzte Sonderermittlungsgruppe, bestehend aus einer ehemaligen Polizeipräsidentin und einem ehemaligen Bundesanwalt, mehr Licht in das Dickicht aus Versäumnissen, Verstrickungen und Vertuschungen bringen wird, wird sich im Januar, bzw. im Frühjahr 2021 zeigen. Dann sollen ein Zwischenbericht und der Abschlussbericht vorliegen.


aus Arbeiterpolitik Nr. 1/2 2021

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