Tarifabschluss bei der CFM

Korrespondenz

Die ausgegliederten Beschäftigten des Botanischen Gartens

Ende März haben die gewerkschaftlich organisierten Kolleg:innen der CFM (Charité Facility Management) in einer Urabstimmung den vorliegenden Tarifverträgen (Entgelt-, Mantel-, Sondertarifvertrag) mit 97,3% zugestimmt und so für ein vorläufiges Ende des seit nunmehr zehn Jahre dauernden Konfliktes über die Regelung ihrer Löhne und Arbeitsbeziehungen bei der Tochtergesellschaft der Charité gesorgt[1].

Nach der Zuspitzung des Konfliktes im August 2020, über die wir in der Arpo berichtet hatten[2], kam es im September zur Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen zwischen ver.di und der CFM.

Aber auch diese führten zu keiner Vereinbarung, weil sich die Unternehmensleitung nicht entscheidend bewegte. Sie versuchte weiterhin einen Abschluss weit unter den Regelungen des TVöD durchzusetzen. Die Geschäftsführer der CFM verschärften den Konflikt sogar noch, indem sie Mitte Oktober zwei Mitgliedern der Verhandlungskommission wegen sexueller und rassistischer Äußerungen kündigten und einem Mitglied derselben einen Auflösungsvertrag anboten[3].

Ver.di brach darauf die Verhandlungen ab und drohte erneut mit Arbeitskampfmaßnahmen. Die Situation war derart verfahren, dass nur noch ein von außen kommender Schlichter Abhilfe schaffen konnte. Vermutlich mit Rückendeckung der Senatsparteien wurde für diese Aufgabe der altgediente Ex-Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck, benannt. Die Zeit lief den Koalitionären davon, denn bei einem erneuten Streik hätten qualifizierte Tarifverträge kaum bis zum Ende der Senatskoalition im September 2021 vereinbart werden können.

Nach zähen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen kam dann Anfang des Jahres 2021 ein von beiden Seiten akzeptiertes Ergebnis zu Stande.

Zu den Regelungen im Einzelnen

Nimmt man die Ausgangssituation von vor zehn Jahren als Maßstab, so hat sich die Einkommenssituation der Beschäftigten deutlich verbessert. Von ursprünglich etwa 6,00 € hat sich ihr Stundenlohn im Laufe ihres Kampfes über den gesetzlichen bis zum Berliner Mindestlohn (12,50 €) für Berufsstarter bei einfachen Tätigkeiten mehr als verdoppelt. Die Zuordnung der Tätigkeiten zu den Gehaltsstufen ist nunmehr festgelegt, so dass eine willkürliche Bezahlung nicht mehr vorkommen kann. Außerdem gibt es in jeder der Gehaltsgruppen Stufenregelungen, nach denen der Lohn gestaffelt nach Berufsjahren noch dreimal steigt.

Die Arbeitszeit ist für alle wöchentlich auf 39 Stunden begrenzt. Hinzu kommen noch früher nicht gezahlte Zuschläge für Nachtarbeit sowie eine Erhöhung der Urlaubstage auf max. 30. Zukünftig wird auch ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400 € bezahlt. Sieht man einmal von dem in einem Sondertarifvertrag festgeschriebenen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder in Höhe von 100 € ab, handelt es sich insgesamt um solide Tarifverträge.

Kritische Anmerkungen zum Abschluss

Dass die Zufriedenheit über das Ergebnis nicht euphorisch war, lag im Wesentlichen daran, dass die abgeschlossenen Vereinbarungen Haustarifverträge sind. Ihre Laufzeiten weichen von denen des TVöD ab. Die seit Gründung der CFM bestehende Spaltung der Belegschaft in etwa 600 aus der Charité outgesourcten Kolleg:innen, für die weiter der TVöD gilt, und den später eingestellten 2.500 Beschäftigten, die jetzt unter die Haustarifverträge fallen, wird nunmehr zementiert. Dies schwächt die Aktionskraft der Belegschaft für die Durchsetzung der vollständigen Anwendung des TVöD und schwächt den Widerstand, wenn etwa der Arbeitgeber bei veränderten politischen Konstellationen einzelne Regelungen der Haustarife verschlechtern möchte.

Die CFM ist durch die Haustarifverträge auch nicht verpflichtet, ausscheidende Kolleg:innen durch Neueinstellungen zu ersetzen. Welche Folgen das zeitigen kann, ließ sich schon im letzten Frühjahr beobachten. Die CFM vergab Aufträge, die nicht von der CFM erbracht werden konnten, an Fremdfirmen, die im Niedriglohnsektor arbeiten.

Da sich die Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Leistungen, die die CFM erbringt, nicht ändern werden, blieb bis zum Schluss die Frage offen, wer die Mehrkosten für die Tariferhöhungen zu tragen habe. Der Senat war nicht bereit, diese aus dem Haushalt des Landes zu finanzieren. Schließlich blieben die Kosten bei der Charité hängen. Das Krankenhaus wird also gezwungen sein, an anderen Stellen seines Haushaltes den Rotstift anzusetzen, um die erhöhten Personalkosten für die CFM aufzubringen.

Politische Auswirkungen

Dennoch lässt sich festhalten, dass die Beschäftigten der CFM bundesweit neue Maßstäbe gesetzt haben. Kaum einer anderen Belegschaft der ab dem Jahr 2000 outgesourcten Krankenhausdienstleister ist es gelungen, das Unternehmen wieder komplett in die Hände der kommunalen Gebietskörperschaften zurückzuführen[4] und dann noch einen Tarifvertrag abzuschließen, der von der Struktur her ähnlich dem des TVöD ist.

Seit über einem Jahrzent kämpft die Belegschaft für einen Tarifvertrag In Höhe des TÖVD. Hier während der Wahlkundgenung der Linkspartei im September 2011

Drei Punkte waren entscheidend für ihren Erfolg. Der erste war, dass es eine Anzahl von Kolleg*innen gab, die mit der tariflosen Situation im Unternehmen nicht einverstanden waren und sich wehren wollten. Sie konnten nach und nach Teile der Belegschaft in Aktivitäten einbinden und in einer Betriebsgruppe organisieren. Sie schafften es zwar nur max. ein Drittel der Belegschaft in Arbeitskampfmaßnahmen einzubeziehen, waren aber stark aufgestellt in Schlüsselbereichen der CFM, ohne die das Unternehmen keinen Ertrag erwirtschaften kann. Dies ist auch deshalb herauszustellen, weil von vornherein klar, dass zwei Gruppen der Belegschaft kaum an den Streiks teilnehmen würden. Einmal die 20% der Kolleg:innen, die bereits einen akzeptablen Tarifvertrag hatten, eben den TVöD, und die befristet Beschäftigten. Die hatten wie in anderen Unternehmen Angst, bei einer Streikteilnahme nach Auslaufen ihres Vertrages nicht weiter beschäftigt zu werden.

Der zweite Punkt ihres Erfolges bestand in der Art ihrer gewerkschaftlichen Organisierung. Sie unterschrieben nicht einfach ein Aufnahmeformular und überließen dann den angestellten Funktionären ihre Interessenvertretung, sondern sie brachten sich als eigenständigen Zusammenhang in die Gewerkschaft ein. Das Verhältnis zwischen der Betriebsgruppe und dem Fachbereich war nicht immer spannungsfrei. Aber beide merkten recht schnell, dass sie voneinander profitierten. Ver.di bekam endlich in dem schlecht organisierten Bereich der Krankenhausbeschäftigten neue Mitglieder und die Betriebsgruppe erhielt Unterstützung in Form von materiellen Zuwendungen, logistischer Hilfestellung und öffentlichkeitswirksamer Pressearbeit.

Von großem Vorteil für ihre Aktivitäten erwies sich der im November 2015 gegründete “Gewerkschaftliche Aktionsausschuss Prekäre Arbeit“[5] . Hier sammelten sich mehrere Betriebsgruppen (Botanischer Garten, Vivantes, Technisches Museum, studentische Mitarbeiter etc.), die ähnliche Probleme hatten wie sie. Alle arbeiteten nach Zerschlagung des Tarifvertrages ÖD und der Ausgliederung ihrer Tätigkeiten in private Dienstleistungsunternehmen. Sie hatten anfangs keine betriebsrätlichen Vertretungen, selten einen Tarifvertrag und, wenn ja, einen, dessen Leistungen weit entfernt von denen des TVöD waren. Durch die Bündelung der Kräfte in der Gewerkschaft erreichten die Fragen der prekären Beschäftigung zunehmend in der politischen Öffentlichkeit der Stadt Berlin Bedeutung.

Und da sind wir beim dritten Punkt, der verantwortlich für ihren Erfolg war, die Politisierung der Auseinandersetzung. Sowohl der Aktionsausschuss wie auch die Kolleg:innen der CFM organisierten eine Reihe von Veranstaltungen und öffentliche Manifestationen mit den Betroffenen, zu denen sie neben Funktionären der Gewerkschaften immer wieder Vertreter der politischen Parteien des Abgeordnetenhauses und des Senates einluden. Sie zwangen so die Teilnehmer zu öffentlichen Stellungnahmen.

Es kristallisierte sich heraus, dass es für ihre Forderungen lediglich bei Grünen, SPD und Linken Sympathie gab. Der energische Einsatz eines Teils der Linken führte schließlich dazu, dass zentrale Forderungen der prekär Beschäftigten in den Koalitionsvertrag 2016 in Berlin aufgenommen wurden[6]. Ver.di als mitgliederstärkste Gewerkschaft Berlins stand hinter ihnen, aber auch der DGB mit ihrer Vorsitzenden Doro Zinke.

Kern des Problems

Dass es dennoch vier Jahre und einer Vielzahl von Demonstrationen, Streiks, etc. bedurfte, bis die Ziele des Koalitionsvertrages realisiert wurden, ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Finanzierung der Mehrausgaben für die Aufstockung der Personalmittel im aktuellen System der Krankenhausfinanzierung nicht enthalten sind. Das Fallpauschalensystem lässt eine tarifliche Zahlung der nicht-medizinisch Beschäftigten nicht zu. Jedenfalls dann nicht, wenn die Krankenhäuser profitabel arbeiten müssen. Dies gilt auch für die Krankenhäuser, die noch in den Händen der Gebietskörperschaften sind. Würden sie dauerhaft Defizite aufweisen, würde der Druck auf ihre Privatisierung steigen. Deshalb hat auch die Rekommunalisierung der CFM Anfang 2020 die Lage der Beschäftigten nicht automatisch verbessert.

Der Senat und hier insbesondere der von der SPD gestellte Finanzsenator Kollatz, der rechtlich die Eigentumsinteressen des Landes wahrnimmt, waren nicht bereit, die Tarifverhandlungen durch eine klare Gesellschafteranweisung abzukürzen und den TVöD als Verhandlungsgrundlage zu akzeptieren. Er beharrte darauf, dass die im Koalitionsvertrag niedergeschriebene Formulierung, dass nur eine „Angleichung an den TVöD“ anzustreben sei, eingehalten werde. Und da im Koalitionsvertrag nicht einmal dafür ein Termin gesetzt wurde[7], zögerte er im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung der Charité die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung bis zum Ende der Legislaturperiode des Senats hinaus.

Für die SPD ergab sich daraus das Dilemma, dass ihre Vertreter auf beiden Seiten saßen. Einige Mitglieder der Fraktion wie Bettina König und Ülker Radziwill unterstützten die Beschäftigten, andere wie Finanzsenator Kollatz und Gundheitssenatorin Kalayci standen auf der Eigentümerseite.

Fazit

Die KollegInnen der Charité können dennoch stolz auf ihr Ergebnis sein. Sie werden ihre Tarifverträge nur erhalten und sie schließlich im TVöD aufheben können, wenn es auch bei anderen outgesourcten Betrieben im Krankenhausbereich ähnliche Erfolge gibt und der gewerkschaftliche wie politische Druck auf die Rückführung der sog. Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand und der Beendigung aller prekären Beschäftigungsverhältnisse erhalten bleibt.

Da sich aktuell einiges in den Krankenhäusern tut und die in Bewegung gekommenen Beschäftigten die Forderung vertreten, dass alle im Krankenhaus Arbeitenden nach TVöD bezahlt werden müssen, besteht Anlass zum Optimismus.

H.B., 05.06.2021

Streik bei der CFN im November 2011

H.B., 05.06.2021


[1] Zur Vorgeschichte vgl. Kalle Kunkel: Der Aufstand der großen Tochter Facility Management der Charité, in: Seppelt, Niemerg u.a.: Der Aufstand der Töchter, Hamburg 2018, S. 159ff.

[2] Vgl. Arpo 3-4 2020

[3] Was genau hier vorgefallen ist, können wir von außen nicht beurteilen und schon gar nicht bewerten. Alle, die näheres wissen, halten sich aus naheliegenden Gründen mit öffentlichen Äußerungen zurück. Bekannt ist lediglich, dass die Mehrheit des Betriebsrates nach heftigen Diskussionen einer der Kündigungen zugestimmt hat, wohl gegen den Rat des anwesenden Vertreters von ver.di. Vgl. dazu das Flugblatt des Betriebsrates vom 30.10.2020

[4] Zu den wenigen Belegschaften, die das schafften, gehören die Therapeut:innen der Charité. Vgl. dazu Reinhold Niemerg u.a.: Das Ende der Angst – Charité Berlin: Outgesourcte« Therapeut*innen erstreiten ihre Rückführung, Hamburg 2021

[5] Vgl. Gewerkschaftlichen Aktionsausschuss „Keine prekäre Arbeit und tariffreie Bereiche im Verantwortungsbereich des Landes Berlin!“

[6] Vgl. Berlin gemeinsam gestalten – Solidarisch, nachhaltig, weltoffen, Die Koalitionsvereinbarung 2016-2021.

[7] Zu den „vagen“ Formulierungen des Koalitionsvertrages  vgl. Arpo 1-2 2017


aus Arbeiterpolitik Nr. 4 / 2021

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