Ostermarsch 2022 in Hamburg

Korrespondenz

Es war eine relativ große Demonstration, die sich am sonnigen Ostermontag vom Spielbudenplatz auf St. Pauli zum Fischmarkt bewegte. Die Polizei zählte 2100 TeilnehmerInnen, damit war dieser Ostermarsch einer der größeren in diesem Jahr in Deutschland. Und es waren nicht nur Ältere da, sondern auch recht viele jüngere und junge Menschen. Die Parolen waren recht gemischt, aber einig waren sich alle, dass Waffenlieferungen an die Ukraine sowie das Aufrüstungsprogramm der Bundeswehr kein sinnvoller Weg zur Beendigung dieses Krieges sein können.

Bemerkenswert war die Teilnehmerzahl auch deshalb, weil es im Vorfeld heftige Auseinandersetzungen um die Teilnahme am diesjährigen Ostermarsch gegeben hatte. Anlass für einige KritikerInnen war der Aufruf des Hamburger Forums für Frieden und Völkerverständigung zum Ostermarsch von Anfang März. Darin wird ein sofortiger Waffenstillstand gefordert, Waffenlieferungen und die Forderung nach einer Flugverbotszone werden als unverantwortlich bezeichnet. Dann kommt ein Abschnitt mit der Überschrift „Der Krieg begann nicht erst am 24. Februar“, wo auf den Krieg um Luhansk und Donezk, die Boykottierung des Minsker Abkommens durch die ukrainische Regierung und die Unterstützung faschistischer Kräfte in der Ukraine seitens des Westens hingewiesen wird.

Das brachte offensichtlich bei einigen das Fass zum Überlaufen. Die Hamburger „Morgenpost“ brachte am 12. April einen doppelseitigen Artikel unter der Überschrift „Zoff zum Ostermarsch in Hamburg: Kein Wort zu Putin – aber die NATO ist böse“, in dem sie genüsslich die Kritik zweier prominenter Frauen aus der Linkspartei ausbreitete. Dazu muss man wissen, dass die „MoPo“ in ihren Kommentaren ausgesprochen kriegshetzerisch auftritt, schon lange die Lieferung schwerer Waffen propagiert, Steinmeier und andere Politiker zum Rücktritt auffordert, die unverschämten Auftritte des ukrainischen Botschafters Melnyk unterstützt usw. Ausgerechnet dieses Blatt zur Austragung eines Konflikts innerhalb der Linken zu benutzen, zeugt schon von einem großen Maß an Instinktlosigkeit. Eine der beiden Frauen, Kerstin Artus, ließ sich zusätzlich am Ostermontag vom NDR interviewen. Dort bekräftigte sie noch einmal ihre Kritik mit der Äußerung, die Position: Der Hauptfeind steht im eigenen Land, sei aktuell falsch. Soll wohl heißen, dass man mit der eigenen Bourgeoisie gegen den Hauptfeind Putin kämpfen müsse.

Der DGB, der auch zum Ostermarsch aufgerufen hatte, geriet nun auch in die Kritik und versuchte zurückzurudern. Man halte den Aufruf für falsch, rufe aber trotzdem mit eigener Begründung auf, wolle es nächstes Jahr aber besser machen. Entsprechend waren kaum Gewerkschaftsfahnen zu sehen.

Angesichts dieser massiven Kritik im Vorfeld und dem massiven Beschuss durch die Medien an den Ostermarschieren muss die Teilnehmerzahl als durchaus beachtlich eingestuft werden.

Interessant war das Gespräch, das ich mit einem Mann führte, der ein Schild trug, auf dem auf der einen Seite sinngemäß: Putin und NATO raus aus der Ukraine, stand, und auf der anderen Seite: Stopp den Völkermord in der Ukraine. Ich sprach ihn an und meinte, was gerade passiere, sei kein Völkermord, sondern eher eine „Völkergeburt“, da gerade durch den russischen Angriff aus der Ukraine ein antirussischer Nationalstaat entstehe. Wir diskutierten dann weiter, wobei der Mann durchaus einige Argumente mit mir teilte, z. B. die Rolle der NATO vor Beginn des Krieges. Aber andererseits verurteile er eben Putin und den Angriffskrieg aufs Schärfste. Er bezeichnete sich selbst als jemand, der zwischen den Fronten stehe. Besonders bemerkenswert fand ich, dass er sagte, es hätten sich schon mehrere Freunde von ihm abgewendet, weil er eben auch der NATO eine Mitschuld gebe. Es sieht also so aus, dass die Kriegsbefürworter nur eine Position akzeptieren können, nämlich die bedingungslose Unterstützung der ukrainischen Seite und die absolute Verurteilung Russlands und insbesondere Putins. Nachdenklichkeit und Differenzierung gelten da sofort als Verrat.

O.B. 20.4.2022


Kultur- und Redebeiträge sowie Impressionen des Ostermarsches in Hamburg finden sich im Video des Hamburger Forums.


 

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