Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg

Dokumentiert

Wie weiter nach der friedenspolitischen Gewerkschaftskonferenz
am 23./24.6.2023 in Hanau?

Im Folgenden dokumentieren wir ein Schluss- und Ausblickpapier von der Gewerkschaftlichen Friedenskonferenz in Hanau vom 23./24. Juni 2023. Sie wurde von der IG Metall Hanau/Fulda und der Rosa-Luxemburg-Stiftung gemeinsam mit bundesweitem Anspruch ausgerichtet. Das vorliegende Papier ist keine förmliche Abschlusserklärung, weil es nicht von der Konferenz verabschiedet, sondern von der Steuerungsgruppe verfasst wurde. Der Zweck ist laut Textvorgabe „Analyse und Arbeitsgrundlage der Steuerungsgruppe“. Es soll also weitergehen. Der Erste Bevollmächtige der IG Metall Hanau/Fulda, Robert Weißenbrunner, sprach in seinem Schlusswort von einem „überregionalen und einzelgewerkschaftsübergreifenden DGB-Friedensratschlag“, den man jetzt in weiterer Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung anstreben werde.

Als Zahl der Teilnehmenden wurden von der IG Metall Hanau/Fulda ca. 250 physisch Anwesende und über 200 Personen, die sich über Livestream zuschalteten, angegeben. Da es im Hanauer Gewerkschaftshaus keinen Raum gibt, der eine solche Personenzahl fassen kann, die Konferenz aber unbedingt dort stattfinden sollte, hat die IG Metall Hanau/Fulda ein großes Zelt im Hof aufgestellt. Die Teilnehmenden kamen aus vielen Regionen Deutschlands, aus dem Rhein-Main-Gebiet ebenso wie aus Köln, Düsseldorf, Hamburg, Berlin usw.

Der inhaltliche Ansatz und die Vorgehensweise von den beteiligten Gewerkschafterinnen ist der bisher erfolgversprechendste Versuch, die Diskussion auch in den Gewerkschaften zu führen.

Differenzen und Kritik muss Raum gegeben werden. Letztlich wird sich der Sinn eines solchen gewerkschaftlichen Bündnisses daran messen, ob es ihm gelingt, solidarisch zu gemeinsamen Aktionen gegen Krieg, Aufrüstung, Einkommensverlust und Sozialabbau zu finden.

Wir haben in der Arbeiterpolitik in den Ausgaben 1/2023 und 2/2023 über die Warnstreiks von IG Metall Hanau/Fulda vom 17. November 2022 und ver.di Main-Kinzig/Osthessen vom 23. März 2023 zusammen mit weiteren Aktionen dieser Zeit berichtet. Sie bilden die Vorgeschichte zu dieser Konferenz.

Ein weiterer Bericht in der Arbeiterpolitik wird folgen.


Den Frieden gewinnen nicht den Krieg

Wie weiter nach der friedenspolitischen Gewerkschaftskonferenz am 23./24.6.2023 in Hanau?
Analyse und weitere Arbeitsgrundlage der Steuerungsgruppe

Seit dem brutalen russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ist der Krieg nach dem Ende der Jugoslawienkriege 2001 wieder zurück
in Europa. Zigtausende Menschenleben hat dieser Krieg bereits gekostet. Menschen wurden ihrer Heimat beraubt und Städte und Leben nachhaltig zerstört. Dieser Krieg nimmt immer brutalere Ausmaße an. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine, für den es keine annehmbare Begründung gibt und unterstützen entschieden das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine.

In einer sicher sehr verkürzten Analyse zur vorhandenen Vorgeschichte des Krieges gehören eine verfehlte Politik der NATO-Osterweiterung und eine bedrängende EU-Nachbarschaftspolitik, die von der Friedensbewegung und den Gewerkschaften in den letzten Jahren auch immer zurecht und offensiv kritisiert wurde.

Zur Vorgeschichte des Krieges gehören aber auch die inneren Widersprüche und Entwicklung des russischen Staates, das Scheitern seiner ökonomischen Diversifizierung, die sich daraus ergebenden Sozialkürzungen und die Ablenkung von den inneren Widersprüchen durch eine nationalistische Außenpolitik.

Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat massive Auswirkungen. In erster Linie die Menschen in der Ukraine, die Soldaten an der Front und darüber hinaus für die abhängig Beschäftigten in Deutschland und weltweit. Lebensmittel und zahlreiche Konsumgüter, Mieten, Immobilien und vor allem die Energie werden teurer.

Die Tarifpolitik in den letzten Monaten hat gezeigt, wie schwierig betriebliche und tarifliche Umverteilungspolitik in Zeiten von Inflation und Energiekrise ist. Trotz Entgeltsteigerungen kommt es zu Reallohnverlusten. Die sozialpolitische Rahmung, die die Bundesregierung versucht hat vorzunehmen, entlastet nicht zielgerichtet diejenigen, die diese Entlastung am nötigsten brauchen, sondern führt zu weiteren sozialen Schieflagen.

Mit fortschreitender Dauer des Kriegs wird sich die Konkurrenz zwischen Ausgaben für Rüstung einerseits und für Soziales, Bildung und öffentliche Infrastruktur verschärfen und finanzielle Spielräume in Zeiten der Schuldenbremse einschränken. Die Länder des globalen Südens trifft dies alles noch stärker mit der Folge, dass mit erhöhten Fluchtbewegungen zu rechnen ist und es zu einem weiteren Aufschwung der radikalen Rechten in Europa kommen kann.

Die politischen Auseinandersetzungen um die richtige Antwort auf den russischen Angriffskrieg führen zu einer Beschleunigung einer seit Anfang der 2010er Jahre laufenden Aufrüstungsspirale, bei der heute noch niemand sagen kann, wo sie hinführt.

Darüber hinaus haben wir es mit geopolitischen Verschiebungen zu tun, sowohl mit Blick auf eine Militarisierung der Außenpolitik als auch sich entwickelnder bzw. bereits verhärteter wirtschaftlicher Konflikte zwischen (weiten Teilen) der EU und der USA einerseits und China andererseits. Weitere militärische Konflikte auch über die Ukraine hinaus können dabei die Folge sein.

Aus der Geschichte wissen wir, dass Kriege die Umverteilung von oben nach unten weiter erschweren und Gewerkschaften in weitere Widerspruchskonstellationen drängen. Im Spannungsverhältnis von betrieblicher und institutioneller Interessenvertretung sowie sozialer Bewegung, stehen die Gewerkschaften wieder einmal vor der Herausforderung, ihre Rolle als Friedensorganisation auszufüllen.

Wir sind dabei der Überzeugung, dass es zu einem friedlichen Zusammenleben, gegenseitigem Handel und vertrauensbildenden Maßnahmen Keine Alternative gibt. Die Gewerkschaften müssen sich jedoch dabei wieder als starke gesellschaftliche Stimme des Friedens klarer und eindeutiger positionieren, als dies seit Kriegsbeginn in der Ukraine der Fall ist.

Dazu braucht es breitere Diskussionen in den Gewerkschaften, die wir gemeinsam einfordern und vorantreiben wollen und schlagen einen bundesweiten gewerkschaftlichen Friedensratschlag vor, mit der Zielsetzung die gewerkschaftlichen Friedensaktivitäten wieder stärker zu vernetzen und würden es begrüßen, wenn sich hieraus ein gewerkschaftliches Koordinierungs- und Steuerungsgremium entwickeln würde.

Wir wollen mit unseren Aktivitäten auf die gewerkschaftliche Meinungsbildung Einfluss nehmen und uns dafür einsetzen, dass die Gewerkschaften deutlicher als bisher friedenspolitische Forderungen stellen nach mehr diplomatischen Initiativen, einem sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen unter Einbeziehung aller relevanten Akteure und dem Ruf nach Waffenlieferungen weiterhin eine Absage erteilen. Immer mehr Waffen werden nicht zu mehr Frieden führen.

Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Gewerkschaften sich wieder stärker als bisher öffentlich als Teil der Friedensbewegung positionieren und öffentlich Stellung beziehen gegen die Propagierung des Krieges als Mittel der Politik, der weiteren Militarisierung der Gesellschaft, die Reaktivierung alter Feindbilder und die faktısche Aufkündigung der mühsam erarbeiteten Friedensordnung in Europa nach dem zweiten Weltkrieg.

Wir stellen uns darüber hinaus weiterhin gegen jegliche Erhöhung der Rüstungsausgaben sowie der weiteren Aufrüstung und lehnen die Steigerung des Rüstungshaushalts auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab.

Darüber hinaus ist die Verbindung zwischen Krieg und Krisen gleichermaßen zu benennen und die Frage der Friedens- und Außenpolitik enger mit der Frage der Verteilungs-, Sozial- und Tarifpolitik zu denken.

Eine Einschränkung der gewerkschaftlichen Handlungsmacht durch konzertierte Aktionen lehnen wir daher ab, ebenso wie Tarifabschlüsse zu Lasten der Sozialversicherungen und setzen uns verstärkt für einen handlungsfähigen Sozialstaat und einer Steigerung der Reallöhne durch eine offensive interessengeleitete Tarifpolitik ein.

Weiterem Sozialabbau, insbesondere zugunsten der Steigerung der Rüstungsausgaben erteilen wir eine klare Absage und setzen uns aktiv für eine höhere Besteuerung von Kapitaleinkünften, großen Erbschaften und Vermögen sowie von Krisen- und Kriegsgewinnen ein.

Gemeinsam wollen wir uns in den gewerkschaftlichen Gremien dafür einsetzen, die Bündnisarbeit mit der Friedens-, sozialer und ökologischer Bewegung auf allen Ebenen zu intensivieren, um eine Spaltung zu Lasten wichtiger Zukunftsthemen und der abhängig Beschäftigten zu verhindern bzw. diese zusammenzuführen.

Bei diesen Bemühungen werden wir die Betriebe, Verwaltungen und auch die Straße nicht den rechten Hetzern überlassen und erteilen einer Vereinnahmung unserer Positionen durch rechtspopulistische Organisationen und Parteien eine klare Absage.

Wir lassen uns jedoch nicht durch deren vermeintliche Solidarisierung mit unseren Positionen in unseren eigenen Aktivitäten beschränken, sondern grenzen uns entschieden öffentlich und praktisch von ihnen ab.

Hanau, den 24.06.2023


 

6 Kommentare

  1. Ich greife folgenden Punkt für eine Anregung auf:

    „[…] setzen uns aktiv für eine höhere Besteuerung von Kapitaleinkünften, großen Erbschaften und Vermögen sowie von Krisen- und Kriegsgewinnen ein.“

    Vor einigen Tagen habe ich durch das Buch „Geld“ von Marlene Engelhorn von der Initiative „taxmenow“ erfahren. Diese „Initiative von Vermögenden im deutschsprachigen Raum“ fasst ihre Vision wie folgt zusammen:

    „Wir wollen Wohlstand, Teilhabe und soziale Sicherheit für alle. Die Voraussetzung dafür ist ein starkes und gerechtes Steuersystem, das auf demokratische und transparente Weise für Umverteilung sorgt und durch die Finanzierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen das Gemeinwohl stärkt.“

    Vl. wäre in Punkto „höhere Besteuerung von Kapitaleinkünften, großen Erbschaften und Vermögen sowie von Krisen- und Kriegsgewinnen“ eine Zusammenarbeit mit dieser Initiative denkbar und sinnvoll.

    Viele Grüße aus Siegen, Nicole

  2. Liebe Kolleg*innen,
    herzlichen Dank für euer Engagement! Es ist sehr wertvoll!
    Der Krieg spaltet uns, (ganz verkürzt ausgedrückt) in antinational-liberaldemokratische Antifaschist*innen („Nie wieder Faschismus“, Verteidigung der liberalen Demokratie gegen Rechts) und echte Pazifist*innen im Bündnis oft mit Antiimperialist*innen, die normal nicht pazifistisch sind und nur in Bezug auf die NATO Gewaltfreiheit verlangen („Nie wieder Krieg“, Antikapitalismus). Eure Erklärung kann in diesem Konflikt leider nicht gut vermitteln, weil sie sich auf die zweite Seite schlägt. Der Knackpunkt ist nämlich, ob sich die Ukraine mit EU- und NATO-Waffen gegen den autoritären (viele sagen:) faschistischen) Angriff Russlands verteidigen darf. Wer völlig gegen Waffenliferungen ist, ist gegen das militärische Selbstverteidigungsrecht der Ukraine, dass auch linke Kolleg*innen in der Ukraine deutlich vertreten. Bei diesem Kernpunkt müssen wir eine Lösung finden, welche Ethik wir als Gewerkschafter*inen vertreten. Mein Vorschlag wäre: Bewaffnete Gewalt zur Verteidigung von Menschenleben ist absolut legitim. Das Motto: Die Ukraine darf diesen Krieg nicht verlieren, weil damit ein noch größeres Elend für die Menschen dort entsteht (siehe Butscha und andere Orte)! Das Leben in den befreiten Gegenden ist besser als der Bürgerkrieg der droht, wenn der ukrainische Staat kollabiert und Russland versucht, wie in Tschetschenien über brutalste Gewalt die Bevölkerung und dann entstehende irreguläre paramilitärische ukrainische Verbände zu bekämpfen. Ob man den sich jetzt abzeichnenden blutigen Patt, durch verlustreiche Offensiven der Ukraine versuchen soll zu verschieben ist aus meiner Sicht wieder diskutierbar. Ziel müssen immer die Menschen sein: Wie verbessern wir ihre Situation. Und die militärische Verteidigung der Ukraine hat bisher Menschen vor blutigem Bürgerkrieg und russischer Willkürherrschaft a la Tschetschenien geschützt. Russland darf auch nicht gewinnen, weil es das Rolemodel der aufsteigenden faschistischen Internationale ist!
    LG

    • Warnstreiks der IG Metall (https://arbeiterpolitik.de/2022/12/was-zum-teufel-hat-der-krieg-in-der-ukraine-mit-dem-warnstreik-zu-tun/) und von ver.di (https://arbeiterpolitik.de/2023/04/die-richtung-bleibt-frieden-und-soziale-gerechtigkeit/) in Hanau haben gezeigt, dass die Kolleg:innen in den Betrieben und Dienststellen verstanden haben, dass der Krieg in der Ukraine die Lohnabhängigen dort, in Russland, hier bei uns (in Form von Reallohn- und Sozialabbau) und überall auf der Welt belasten. Die örtlichen Gewerkschaften in Hanau haben mit Erfolg die Verbindung zwischen friedens-, sozial- und tarifpolitischen Forderungen hergestellt. Der große Zuspruch bei den Kundgebungen hat das bewiesen. Die Vorstellungen, wie der Frieden zu erreichen sei, mögenda unterschiedlich sein, auch zwischen Kolleg:innen im selben Betrieb, in derselben Abteilung. In deinen Vorstellungen, Kollege Kaphegyi, schlägt aber offenbar die mediale Berichterstattung und Kommentierung im Einvernehmen mit Bundesregierung und Unionsparteien durch, die Russland allein für den Krieg und die Kriegsverbrechen verantwortlich machen. Deine einseitigen Schuldzuweisungen an die russische Kriegführung beruht jedoch auf Behauptungen in deinem Text, die jeglichen Beweis vermissen lassen und allen historischen Erfahrungen mit Kriegführung widersprechen. Mit Waffenlieferungen und ständiger Eskalation kann der Krieg nach Lage der Dinge nicht beendet werden. Die zentralen Forderungen in den Warnstreiks und der Konferenz in Hanau lauten deshalb: Stop der Waffenlieferungen, Waffenstillstand, Verhandlungen, Sicherheitsgarantien für alle beteiligten Seiten, vor allem Russland und die Ukraine. Mehr dazu findest du unter den o. a. Links.

      • Lieber Friedhelm,
        leider macht ihr euch etwas vor: Russland hat die Ukraine angegriffen nicht umgekehrt. Menschenrechtsverbrechen werden laut Menschenrechtsorganisationen in ihrer absoluten Mehrheit von Russland begangen. Das sieht man ja auch schon an den brutalen Bombardierungen rein ziviler Objekte. Die Vorgeschichte des Konflikts und das Vorgehen der NATO bezüglich Osterweiterung waren erstens kein Krieg und und kann zweitens auch politisch anders interpretiert werden als in der antiimperialistischen Linken mit ihrer gewollten Blindheit für den russischen Imperialismus (weil dann das große Feindbild USA differenzierter betrachtet werden müsste). Auch wenn mit der Dauer des Krieges auch die Ukrainer vermehrt verbrecherisch nachziehen wollen (siehe Streubomben). Hier müssten die kritischen Forderungen eben differenziert werden: Waffen nur für die Verteidigung und im Rahmen internationaler Abkommen. Keine Waffen für die Ukraine sind aber keine Lösung, sondern bedeuten das Ende der Ukraine und brutalste Menschenrechtsverletzungen + Bürgerkrieg im ganzen Land + Ausbreitung der faschistischen Internationalen. Wer die Argumente auch russischer Linker dafür, dass dieser Krieg in erster Linie aus der schon lange vor sich gehenden radikal-neoliberalen Verrohung (siehe z.B. hier https://www.vsa-verlag.de/uploads/media/www.vsa-verlag.de-Jaitner-Russlands-Kapitalismus.pdf) und anschließender Faschisierung der russischen Gesellschaft hervorgeht als Manipulierung durch die scheinbar regierungsdominierten Medien abtut, verbreitet eine Art Glauben, der sich leider auch bei Rechten und Verschwörungsgläubigen findet (Stichwort: Lügenpresse, Systempresse, Kartellparteien etc.). Wer hier einen Kollegen mit solchen Unterstellungen („die mediale Berichterstattung und Kommentierung im Einvernehmen mit Bundesregierung und Unionsparteien“ schlage bei mir durch) entkräften möchte, begibt sich argumentativ ein dubioses Feld, finde ich. Am Ende stärkt man den Hass auf die so wichtigen öffentlich-rechtlichen Medien. Ich habe keinen Bock auf eine privatisierte Medienwelt, in der dann Foxnews, BILD-TV oder Gestalten wie Berlusconi bestimmen was man erfahren darf.
        Trotzdem herzliche Grüße

        • Hallo Kollege Kaphegyi,
          ich habe keine sonderliche Lust auf eine Endlosauseinandersetzung zwischen uns beiden auf diesem Medium. Ich weise deshalb nur daraufhin, dass wir in Hanau diese einfache Geschichte, dass die schuld am Krieg einseitig bei Russland liegt und dass der Frieden ausbrechen würde, wenn nur Russland am Boden liegt, nicht für bare Münze nehmen. Dagegen spricht die ganze Vorgeschichte des Konflikts, die für dich offenbar keine Rolle spielt. „Russland hat die Ukraine überfallen“ ist daher nur ein Teil der Wahrheit. Der „Westen“ hat sie zum Kanonenfutter auserkoren, der andere Teil. Wir befassen uns gründlich mit diesem Thema und haben es auch mit Expert:innen auf der Konferenz gut besetzt. Ich mache es deshalb kurz und empfehle den Vortrag von Andreas Zumach:
          https://www.youtube.com/watch?v=UxxaPTEd7W0

        • Lieber Kollege Kaphegyi,
          was soll eigentlich der Hinweis auf einen russischen Angriffskrieg eigentlich aussagen? Wird Saddam Hussein posthum zum Helden, weil der Irak von den USA überfallen wurde? Wird der serbische Nationalismus gut, weil die BRD mit NATO Jugoslawien in einem Angriffskrieg zerbomt hat? Samt Schulen, Krankenhausern, Elekrizitätsversorgung, und einem Fernsehsendern, dessen Bilder die Lüge hinter der Propaganda von sauberen Krieg zeigten.
          Muss also ein Angriffskrieg zwangsläufig zur militärischen Unterstützung des Angegriffenen führen? Offenbar nicht, wenn ein NATO-Staat angreift.
          Der interessante Teil der Vorgeschichte ist denn auch der von faschistischen Milizen bewaffnete Putsch 2014 gegen eine gewählte Regierung. Der neue Bandera-Nationalismus in Kiew führte mit dem Verbot von russisch als Amtssprache und einer entsprechenden Ausgrenzung von 20 Prozent der Bevölkerung zu Autonomiebestrebungen im Donbas und dem Einsatz der Assow-Faschisten, die etwa in Mariupol Demonstrationen zusammenschossen. Wo dies nicht gelang entstand ein unabhängiger Donbas und acht Jahre Bürgerkrieg. Moskau hat sich da eher wenig engagiert und hauptsächlich die Basis seiner Scharzmeerflotte gesichert.
          Wenn Du, Kollege, von einem russischen Imperialismus redest, denkst du vermutlich eher an das Imperium Romanum. Zum Imperialismusbegriff, den Luxemburg, Lenin und Kautsky in der Arbeiterbewegung geprägt haben, gehört ja ein bestimmtes Entwicklungsstadium des Kapitalismus. Ob Russland Industrie dieses Stadium überhaupt erreicht hat, oder doch eher von Rohstoffen der eigenen gigantischen Landmasse profitiert, wird derzeit nur von der DKP ernsthaft diskutiert. Ein sozialdemokratischer DGB ist da einfach kein kompetenter Gesprächspartner.
          Kompetent sein sollte der DGB allerdings in den Standards der internationalen Rechte der Lohnabhängigen. Daher müßte der DGB eigentlich die Beschwerden des ETUC über den Abbau solcher Rechte und dem Kriegsrecht in der Ukraine unterstützen. Etwa Wiedereinführung des Streikrechts, Schutz der Beschäftigten, vom Arbeitplatz an die Front deportiert zu werden u.m. Auch für eine Aufhebung der Wehrpflicht in der Ukraine könnte der DGB sich stark machen. Lohnabhängige verschiedener Länder haben ja keinen Grund sich zu bekriegen und mit dem Kapital steht der Feind immer schon im eigenen Land. Ach nee, dass würde unser sozialpartnerschaftlicher DGB wohl nicht sagen.
          Interessant fand ich aber deine These, von der Faschisierung der Gesellschaften durch die neoliberale kapitalistische Transformation. Die SU ist ja nicht nur in Russland transformiert worden, sondern genauso in der Ukraine. Auch im Kiew-Gebiet waren kriminelle Banden und faschistischer Nationalismus Resultat der Verarmung. Nach 2014 wurde die Ukraine Trainingkamp für Faschos aus ganz Europa. Auch die NPD – heute zu Ehren von Horst Seehofer in Die Heimat umbenannt – steht deshalb heute anders als die AfD auf der Seite von Kiew.
          Volker Ritter, ver.di Senior*innen

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