Berliner Vorstand unterstützt die deutsche Staatsräson – Kritiker Ramsis Kilani aus der Linkspartei ausgeschlossen

Korrespondenz

Ramsis Kilani, 2021

Nüchtern vermerkt der Deutsche Bundestag: „Die Vorlage von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP trägt den Titel ‚Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken‘ und wurde im Anschluss an die rund eineinhalbstündige Aussprache mit den Stimmen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, CDU/CSU und AfD gegen die Stimmen der Gruppe BSW und bei Enthaltung der Gruppe Die Linke angenommen.“

Über die Funktion und Geschichte der deutschen Staatsräson (z.B.: Deutsch-israelische Beziehungen: Zur Entstehung der deutschen Staatsräson) haben wir vielfach berichtet. Zuletzt gingen wir in der Buchbesprechung „Michael Lüders – Krieg ohne Ende?“ auf dieses Thema ein. Deshalb nur einige kurze Bemerkungen zur verabschiedeten Resolution des Bundestages. Sie soll die öffentlichen Träger in Kommunen und Städten verpflichten, das Bekenntnis zur deutschen Staatsräson zum Kriterium zu machen für die Vergabe von Veranstaltungsräumen und für die finanzielle Unterstützung sozialer und kultureller Einrichtungen. So heißt es weiter in dem Beschluss: „Die Regierung müsse nun dafür sorgen, dass diese Definition auch in Ländern und Kommunen zur Grundlage für entsprechende Regelungen werde. Außerdem schlagen die Abgeordneten vor, ein Betätigungsverbot oder Organisationsverbot der BDS-Bewegung, die zum Boykott israelischer Produkte aufruft, in Deutschland zu prüfen.“

Die Enthaltung der Linkspartei, die nach dem Verlassen der innerparteilichen Opponenten um Sarah Wagenknecht den Fraktionsstatus verlor, verwundert nicht. Gehört doch der Berliner Landesvorstand zu den glühendsten Unterstützern der deutschen Staatsräson. Deutlich wurde dies in dem demonstrativen Verlassen des Landesparteitages durch führende Realpolitiker, weil sie ihre Auffassungen nicht zu hundert Prozent durchsetzen konnten. So erklärten beispielsweise der frühere Kultursenator Klaus Lederer und die ehemalige Senatorin Elke Breitenbach ihren Parteiaustritt und nutzten ihre Kontakte zu den Presseorganen in der Hauptstadt, um aus dem Parteitag publizistisch einen „antisemitischen Skandal“ machen zu lassen. Die Reaktion der verbliebenen Vorstands- und Fraktionsmitglieder bestand nicht etwa in der sonst üblichen Aufforderung, die Fraktion zu verlassen, sondern im Bedauern über den Parteiaustritt. Lederer und Breitenbach blieben Mitglieder der Fraktion, in der sie noch über erheblichen Einfluss verfügen. Sie waren und sind nicht die einzigen Befürworter der Staatsräson in den Reihen der Linkspartei. Und was tut eine Partei in solch einem Fall bei einer Abstimmung im Bundestag. Sie enthält sich der Stimme und bringt in der strittigen Debatte keine eigene Meinung zum Ausdruck.

Allerdings setzte der verbliebene Vorstand der Linkspartei diesem Verhalten noch die Krone auf und leitete ein Ausschlussverfahren gegen Ramsis Kilani wegen seiner angeblich antisemitischen Aussagen ein. Ramsis Kilani ist palästinensischer Herkunft und in der Neuköllner Bezirksgruppe der Partei aktiv. Er schrieb am 7. Dezember: „Heute hat mich die Landesschiedskommission der Linken Berlin auf Antrag von Katina Schubert und Martin Schirdewan mit sofortiger Wirkung aus der Partei ausgeschlossen.“

Das ‚Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin‘ kommentierte: „Manche hatten es erwartet, einige befürchtet, andere wollten es bis zum letzten Augenblick nicht wahrhaben. Ramsis Kilani wurde aus der Partei Die Linke ausgeschlossen. Obwohl die Schiedskommission (um kein juristisches Eigentor zu schießen) einräumen musste, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe des „Antisemitismus“ unhaltbar sind. Was Ramsis Kilani fordert, ist nichts anderes als die generelle Einhaltung von Menschenrecht und Völkerrecht. Das gilt für ihn eben nicht nur für Israel:innen und Jüd:innen, sondern in gleicher Weise auch für Palästinenser:innen und Muslim:innen. Und er nennt – vollkommen in Übereinstimmung mit den meisten internationalen Rechtsinstitutionen und Menschenrechtsorganisationen – das Vorgehen des israelischen Staates in Gaza Völkermord und im Westjordanland ein unrechtmäßiges Besatzungsregime. Wer Israels Regime rechtfertigt oder dazu auch nur schweigt und hierbei Unterschiede zwischen den Rechten von Israel:innen und Palästinser:innen konstruiert, ist diesbezüglich nichts anderes als ein Rassist, unterstützt neokoloniale Vorherrschaft und räumt linke Grundsatzpositionen.“

Diesem Kommentar haben wir nichts Wesentliches hinzuzufügen. Außer: Eine Partei, die sich in grundsätzlichen und praktischen Fragen von Krieg und Frieden der Stimme enthält, um die Vaterlandsverteidiger:innen in den eigenen Reihen nicht zu verprellen, wird neben ihrer Glaubwürdigkeit auch zahlreiche Wähler:innen verlieren. Denn die erwarten angesichts der immer näher rückenden Weltkriegsgefahr und wegen der auch durch die Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland schwächelnden deutschen Industrie klare Aussagen.

A.B., 15.12.2024


 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*