Ver.di-Vorsitzende des Hauptpersonalrates Berlin nach Absprachen mit dem Beamtenbund und den Unabhängigen gewählt

Korrespondenz

Der Hauptpersonalrat (HPR) der Berliner Verwaltung vertritt 144.000 Beschäftigte in Senats- und Bezirksverwaltungen, staatlichen Schulen und Kitas sowie Polizei gegenüber dem Arbeitgeber, dem Land Berlin.

Früher, als die Stadtreinigung und die städtischen Versorgungsbetriebe für Wasser, Strom und Gas noch Teil des Öffentlichen Dienstes waren, gehörte der überwiegende Teil der Mitglieder des HPR der ÖTV (Gewerkschaft Öffentliche Dienst Transport und Verkehr) und ab 2001 der aus mehreren Einzelgewerkschaften gebildeten ver.di (Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft) an.

Dies änderte sich mit der Privatisierung der o.g. Betriebe. Der HPR war nur noch für deutlich weniger Beschäftigte zuständig. Von ihnen arbeiteten 60.000 in den Verwaltungen, 55.000 im Schulbereich wie in den Kita-Eigenbetrieben, 30.000 bei der Polizei wie in den Ordnungsämtern sowie einige wenige in den Grünflächenämtern. Vertreten werden sie soweit es die DGB-Gewerkschaften[1] betrifft von ver.di, der GEW, der GdP und der IG BAU. Und daraus ist ein Problem entstanden.

Konflikte zwischen den DGB Gewerkschaften

Schon anlässlich der Personalratswahlen 2012 und 2016 vertraten die genannten drei kleineren DGB-Gewerkschaften die Auffassung, dass ihr Anteil an sicheren Plätzen auf der mit ver.di gemeinsam erstellten Liste erhöht werden müsste. Mehr Sitze fordern sie auch bei der Besetzung des HPR-Vorstandes.

Zum Maßstab nahmen sie die jeweilige Anzahl der in ihren Bereichen Beschäftigten. Auch vor der Personalratswahl 2020 vertraten sie diese Forderung. Ver.di weigerte sich jedoch, von der alten Sitzverteilung abzuweichen, beanspruchte 8 der 13 zu besetzenden Vorstandssitze und bot den anderen drei Gewerkschaften 5 Sitze an. Nach dem es zu keiner Einigkeit unter den DGB-Gewerkschaften kam, beschloss ver.di im Mai 2020 zu den kommenden HPR Wahlen mit einer eigenen Liste anzutreten. Den anderen Gewerkschaften blieb nichts anderes übrig, als auch eine eigenen Liste aufzustellen, die sie, angelehnt an die Abkürzung des Dachverbandes „DGB“, nun „DreiGemeinsamBesser“ nannten.

Damit nahm das Unheil seinen Lauf: Während sich die drei Gewerkschaften durchaus vorstellen konnten, in einem Kopf-an-Kopf-Rennen gegenüber ver.di die stärkere Fraktion im HPR stellen zu können, lief im  Wahlkampf einiges schief: Die GEW, die in ihrem Bereich in den vergangenen Jahren den Beamtenbund völlig an die Wand gespielt hatte, erlebte einen katastrophalen Einbruch der Wahlbeteiligung, sodass sich ihre Überlegenheit im Schulbereich nicht in Mandaten für den HPR ausdrückte. Außerdem klärte sie ihre Wählerschaft schlecht darüber auf, dass diese nicht wie gewohnt Liste 1, sondern nunmehr ‚Liste 3‘ wählen sollte. Weiterhin schwächelt die GdP. Seit jeher kommt sie in ihrem Bereich nicht gegen die Konkurrenten von Beamtenbund und der Liste der sog. Unabhängigen an, die noch weiter rechts stehen als jener.

HPR Wahlen 2020

Bei der Wahl im November 2020 errang die Liste „DreiGemeinsamBesser“ 6 der 18 Sitze für Arbeitnehmer*innen, ver.di erhielt 8 Sitze, der Beamtenbund 1 und die sog. Unabhängigen 3. Bei den Beamten bekam „DreiGemeinsamBesser“ 3 der 13 Sitze, ver.di gewann 4 Sitze, der Beamtenbund 3, die Unabhängigen 2 und auf den BdK[2] entfiel 1 Sitz. Die beiden Listen der DGB Gewerkschaften erreichten zusammen 21 der 31 Personalratssitze. Sie hätten also die Aufteilung der 15 Vorstandssitze bequem unter sich ausmachen können. Dazu kam es nicht.

In den drei Tagen zwischen Feststellung des Wahlergebnisses und der konstituierenden Sitzung des HPR gab es, moderiert von einem Mitglied des DGB-Bundesvorstandes, zwischen den Vertretern beiden Listen Gespräche. Ver.di bot den Schwestergewerkschaften schließlich 5 der 13 Vorstandssitze an. Überraschend verlangte ver.di dann aber noch in einer am Vorabend der konstituierenden Sitzung des HPR abgeschickten SMS(!) von den Schwestergewerkschaften, dass der Vorschlag nur umgesetzt werden könne, wenn ihr Listenführer auf einen Sitz im Vorstand verzichten werde.

Dies war für die drei Gewerkschaften unzumutbar. Sie zogen ihre Kandidaten für die Wahl zum Vorstand zurück. Ver.di ging ein Bündnis mit dem Beamtenbund (4 Sitze) ein. Da aber bei den der Gruppe der Tarifbeschäftigten, die ihre Vertreter im Vorstand eigenständig wählen müssen, beide keine Mehrheit haben (9 der 18 Sitze), ließen sie sich auf die Duldung ihres Vorschlages durch die Liste der „Unabhängigen“ (3 Sitze) ein.

Am 5. Januar 2021 wurden noch zwei Vorstandsplätze mit Vertretern der GdP besetzt. Sie erhielten die Stimmen von ver.di und dem Beamtenbund und setzen sich so von den bisherigen Absprachen des Dreierbündnisses ab. Damit ist der Vorstand komplett und das Debakel der vier DGB-Gewerkschaften perfekt.

GEW-Kollege aus Berlin, Januar 2021

Woher kommt der Streit zwischen der GEW-Berlin und dem Landesverband von ver.di?

Auf der Suche nach Ursachen für den Streit zwischen den beiden Gewerkschaften muss man bis in das Jahr 1989 zurückgehen. Damals begann die GEW offensiv unter den Erzieher*innen Mitglieder zu werben, was auch gelang, da viele Erzieher*innen unzufrieden mit der Interessenvertretung durch die ÖTV waren. Sie charakterisierten diese als wenig Basis nah war und warfen ihr vor, sie habe ein inniges Verhältnis zur Landespolitik. In den folgenden Jahren verlor die ÖTV, bzw. später ver.di, viele Personalrats- und Betriebsratssitze an die GEW. Aus Gründen, die aus ihrer Sicht nachvollziehbar waren, ist die GEW 2001 ver.di nicht beigetreten. Als Berlin 2003 „arm, aber sexy“ war, der damalige SPD/PDS-Senat aus der Tarifgemeinschaft der Länder austrat und den öffentlich Beschäftigten den sog. Solidarpakt, verbunden mit erheblichen Lohneinbußen aufzwang, waren die beiden Gewerkschaften uneins, wie weit man dem Senat entgegen kommen sollte. Ver.di ging weiter, als der GEW lieb war. Auch in den Folgejahren führten beiderseitige Verbandsegoismen immer wieder zu Konkurrenzstress, z. B. wenn die GEW Tarifverträge mit privaten Trägern abschloss. In der GEW hatte man den Eindruck, diese Kleinarbeit ist ver.di zu mühselig. Warum also sollte man sich mit der großen Schwester abstimmen?

R.B., 15.03.21

Zwist zwischen DGB-Gewerkschaften stärkt rechte Gruppierungen

Der Konflikt zwischen den DGB-Gewerkschaften blieb bei der Wahl der Vorsitzenden des HPR bestehen. Das Dreierbündnis „DGB“ erklärte:

„DIE Unabhängigen – jetzt reicht`s“ haben Mitglieder in ihren Reihen, die populistische, intolerante und antigewerkschaftliche Positionen vertreten sowie des Öfteren den DGB als Institution sowie einzelne Funktionäre in DGB-Gewerkschaften öffentlich verbal angegriffen haben. Die ver.di-Kollegin Daniela Ortmann hat sich heute von Akteur*innen zur Vorsitzenden wählen lassen, die eine klare Abgrenzung nach rechts vermissen lassen und mit rechten Positionen sympathisieren. Die ver.di-Kolleg*innen haben damit den Wertekonsens des Deutschen Gewerkschaftsbundes verlassen“.

Ver.di und der Beamtenbund hatten alleine genügend Mandate, um die Vorsitzende des HPR zu wählen, so dass sie auf die Stimmen der Unabhängigen nicht angewiesen waren. Aber diese haben offensichtlich, neben dem BdK, für Ortmann gestimmt und ihr so, wie ver.di stolz verkündete, eine „große Mehrheit“[3] verschafft[4].

Auch wenn Vertreter der GEW durch ein punktuell forderndes Auftreten eine Konfliktlösung zwischen den Gewerkschaften nicht erleichtert haben, ist das Verhalten von ver.di im Streit um die Zusammenarbeit schwer nachvollziehbar. Ver.di traf den Entschluss, mit einer eigenen Liste zum HPR ins Rennen zu gehen zu einem Zeitpunkt, zu dem noch weitere Verhandlungen möglich waren und stellte über Nacht eine vom DGB-Bundesvorstand ausgehandelte Vereinbarung zur Besetzung des HPR-Vorstandes in Frage, wohl wissend, dass sie dann mit dem sonst geschmähten Beamtenbund werde koalieren müssen und in der Gruppe der Tarifkräfte unter Umständen auf die Enthaltung der „Unabhängigen“ angewiesen sein würde.

Der DGB-Berlin-Brandenburg blieb bei den Auseinandersetzungen zwischen den Listen im Hintergrund. Er ließ nach den Abstimmungen im HPR lediglich verlauten, dass er „dieses Ergebnis [bedauert]. Hoßbach [Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg] hoffe, dass die Mitglieder der DGB-Einzelgewerkschaften bald wieder aufeinander zugehen werden“[5]. Bekannt ist, dass seit Januar Gespräche zwischen den beteiligten Gewerkschaften zur Beilegung des Konfliktes geführt werden. Ergebnisse sind bisher nicht bekannt.

H.B., 15.03.21

[1] Daneben gibt es noch die Mitgliedsverbände des Deutschen Beamtenbunds sowie unabhängige Verbände.

[2] Bund deutscher Kriminalbeamte

[3] Pressemitteilung ver.di, 14.12.2020

[4] Über das genaue Abstimmungsergebnis konnten wir nichts in Erfahrung bringen. Vielleicht haben auch Vertreter der GdP Ortmann gewählt.

[5] JW 15.12.2020


aus Arbeiterpolitik Nr. 3 / 2021

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