Zur Volksfrontpolitik in Spanien und Frankreich

Spanien, 1936

Aus: Internationaler Klassenkampf, April 1936

Im Februar 1936 gewann in Spanien die Volksfront, ein Bündnis von bürgerlichen und linken Parteien (einschließlich der Kommunistischen Partei) die Wahlen zum Parlament. Auch in Frankreich standen die Zeichen in Richtung Volksfront. Die Kommunistischen Parteien wollten durch eine Koalition mit bürgerlichen Parteien den Vormarsch des Faschismus in Europa stoppen. In beiden Ländern ordneten sich die Kommunistischen Parteien im Rahmen der Volksfrontpolitik den »links«-bürgerlichen Parteien unter. Dies führte schließlich zur Enttäuschung der Arbeiter- und Bauernmassen und trug zur 1939 zur Niederlage im Spanischen Bürgerkrieg bei. Der „Internationale Klassenkampf“ wurde herausgegeben von der Internationalen Vereinigung der Kommunistischen Opposition (IVKO) und erschien vierteljährlich in einer deutschsprachigen Ausgabe vom Februar 1936 bis zum Juni 1939. Der Artikel »Zur Volksfrontpolitik in Spanien und Frankreich« kritisiert das Verhalten der französischen und spanischen KPen. Wir dokumentieren den Abschnitt über die Entwicklung in Spanien.

I. Spanien

Nichts hat seinerzeit so sehr dem ultralinken Kurs in den Reihen der Kommunistischen Internationale das Leben verlängert, die Parteiführungen und einen erheblichen Teil der Mitglieder blind gemacht für die wirklichen Folgen dieses Kurses und für die Wirklichkeit überhaupt als die Scheinerfolge, die mit diesem Kurs in dem Lande erzielt wurden, das bei seiner Anwendung führend war und als internationales Vorbild dafür hingestellt wurde – in Deutschland. Die KPD nahm an Mitgliedern zu, sie erzielte große Stimmengewinne bei den parlamentarischen Wahlen. Was man nicht sah, war, dass infolge der Auswirkung der ultralinken Taktik die Partei fast allen Einfluss und fast alle organisatorischen Stützpunkte in den proletarischen Massenorganisationen, vor allem in den Gewerkschaften, verlor und so handlungsunfähig in den 20. Juli 1932 (Absetzung der sozialdemokratischen Regierung in Preußen) und in den 30. Januar 1933 hineinschlitterte.

Eine ähnliche Gefahr bringt der Wahlerfolg mit sich, der in Spanien auf Grund der Volksblocktaktik erzielt worden ist.

Der Volksblock hat gesiegt, er hat eine parlamentarische Mehrheit in den Cortes erzielt, er hat einen Sieg der Rechten verhindert. Also ist die Volksblocktaktik glänzend gerechtfertigt nicht nur in Spanien, sondern international: so wird gefolgert. Spanien ist durch diesen Sieg und die Weiterentwicklung. die daran anschließt, gegenwärtig geradezu zum hervorragendsten internationalen Probierfeld der Volksblocktaktik geworden. Umso notwendiger ist es, sich nicht mit dem oberflächlichen Schein zu begnügen, sondern den Dingen auf den Grund zu gehen. Das Bild wird dann ganz anders:

Erstaunlich kurze Zeit nach den Oktoberkämpfen 1934 in Katalonien, in Asturien und in anderen Teilen Spaniens erhob sich die Arbeiterklasse zu neuer Aktivität, zu neuem Selbstbewusstsein. Die linksrepublikanische Bourgeoisie, besonders in Katalonien, war durch ihre feige, verräterische Haltung bei den Oktober-Ereignissen in der Arbeiterklasse schwer diskreditiert. Der Abschluss des Volksblocks mit den Linksrepublikanern erlaubte diesen, aus den Mauselöchern, in die sie nach dem Oktober geschlüpft waren, wieder hervorzukriechen, einen Teil des verlorenen Kredits und Einflusses in den Massen zurückzugewinnen, sich künstlich eine Mehrheit von Parlamentssitzen gegenüber den Arbeiterparteien zu sichern, die sie aus eigener Kraft nie erlangt hatten, und ihnen eine Wahlplattform aufzuzwingen, die den ausdrücklichen Verzicht auf die grundlegenden und höchst aktuellen revolutionären Losungen sowie auch auf die elementarsten Reformforderungen der Arbeiterklasse enthielt (Ausdrücklicher Verzicht auf die revolutionäre Losung der Agrarfrage, der entschädigungslosen Übergabe des Großgrundbesitzerlandes an Landarbeiter und Bauern, Verzicht auf die Arbeiterkontrolle der Produktion, auf die Verstaatlichung der Bank von Spanien, sowie auf staatliche Arbeitslosenversicherung auf Kosten der Unternehmer).

Was wäre geschehen ohne diesen Block mit diesen Linksrepublikanern? Zweifellos ebenfalls ein Sieg der Linken, ein Sieg aber, bei dem die Arbeiterparteien auch parlamentarisch die Mehrheit in der Linken gehabt hätten, bei dem die bürgerliche Linke in der bedeutungslosen Minderheit geblieben wäre, die ihr zukam, bei dem die Arbeiterparteien nicht gehemmt oder gefesselt worden wären durch ein Volksblockprogramm, das den grundlegenden und nächstliegenden Klassenforderungen der Arbeiter und Bauern mit Rücksicht auf die »linke« Bourgeoisie ins Gesicht schlug. Man braucht sich nur die Frage zu stellen, ob die Arbeiterparteien geringere Wahlerfolge auf dem Lande unter Landarbeitern, Klein- und Mittelbauern erzielt hätten, wenn sie statt der kümmerlichen Agrar-Reformen der bürgerlichen Linken, die die eigentliche Ursache dafür gewesen waren, dass die Rechte auf dem Lande wieder hatte Fuß fassen können, die volle Agrarrevolution auf dem Lande propagiert hätten? Oder ob sie in der Arbeiterklasse geringere Wahlerfolge erzielt hätten mit einer Plattform der staatlichen Arbeitslosenversicherung auf Kosten der Unternehmer und der Arbeiterkontrolle der Produktion, das heißt praktisch der Wiederingangsetzung der Betriebe und ihrer Leitung durch die Arbeiter und Angestellten?

Die Ereignisse im Anschluss an die Wahlen haben bewiesen:

  1. Dass die energische außerparlamentarische Aktion der Massen die wahre vorwärtstreibende Kraft darstellte;
  2. dass die Linksrepublikaner nur unter dem Druck der selbständigen Aktion der Massen die Amnestie, die Wiedereinsetzung linker Gemeindeverwaltungen, die Wiedereröffnung der Volkshäuser, die Wiedereinstellung der nach dem Oktober entlassenen Arbeiter und Angestellten, neue Maßregeln der Agrarreform, die Auflösung der faschistischen Verbände zuließen;
  3. dass diese bürgerliche Linke nur ein Ziel hat: Die Aktion der Massen lahmzulegen, sie »von der Straße« wegzulocken und die Arbeiterparteien des Volksblocks zu missbrauchen als Hüter der »Ordnung« und als Bremsen für die Massenbewegung;
  4. dass das Volksblockprogramm und der Volksblock selbst bereits zu einem Hemmnis der Massenaktion geworden sind; dass sich kein Schritt vorwärts tun lässt ohne den Rahmen dieses Programms und damit den Volksblock zu sprengen. Die Frage steht: Entweder lassen sich die Arbeiterparteien und Organisationen von den Linksrepublikanern missbrauchen zur Fesselung der Aktion der Massen (das ist bereits geschehen durch die Absage der Massendemonstrationen der Bauern, die auf 15. März angesetzt waren, um für die Forderungen der Agrarrevolution zu demonstrieren – geschehen auf Drängen von Azana) oder sie sprengen die Ketten des Volksblocks.

Im Mittelpunkt der Weiterführung der revolutionären Aktion müssen stehen:

  1. Die Durchführung der Agrarrevolution (die Bauern haben bereits begonnen, Großgrundbesitzerland zu besetzen und anzubauen – die Regierung Azana schickte ihre bewaffneten Kräfte gegen sie und sucht sie zu überlisten) ;
  2. Die Brechung der Sabotage der Unternehmer bei der Wiedereinstellung der Arbeiter und der Wiederingangsetzung der Betriebe dadurch, dass die Arbeiter selbst durch ihre Organe die Betriebe wieder in Gang setzen und ihre Leitung übernehmen. (Arbeiterkontrolle der Produktion).
  3. Die Auflösung der Guardia Civil, die Gewinnung der Masse der Armee, der Mannschaften und der Unteroffiziere für die Arbeiterklasse durch die Agrarrevolution (die Armee besteht in der Mehrheit aus Bauern), durch die Propaganda und im geeigneten Augenblick die Schaffung von Soldatenräten, die Besetzung der Offiziersstellen von unten aus den Mannschaften und durch die organisierte Bewaffnung der Arbeiter (Arbeitermilizen oder Arbeiterwehren).
  4. Umwandlung der Arbeiter- und Bauernallianzen in wahre umfassende Klassenorgane der Arbeiter und Bauern, die jetzt schon trachten müssen, möglichst viele politische Macht lokal, bezirksweise und zentral in die eigenen Hände zu nehmen und der linksrepublikanischen Regierung zu entreißen (»Doppelregierung«) und nach dem Sieg sich in die Organe der proletarischen Staatsmacht zu verwandeln.
  5. Herbeiführung des Bruches mit den Linksrepublikanern, statt dessen Herstellung des Bündnisses mit der Masse der Landarbeiter, der werktätigen Bauern und dem städtischen Kleinbürgertum vermittels der Arbeiter- und Bauernallianzen und in der weiteren Entwicklung des Kampfes durch vollausgebaute Arbeiter-. Bauern- und Soldatenräte, die diesen revolutionären Klassenkampf bis zum Aufstand führen.

Die »Partido Obrero de Unificacion Marxista«, Kataloniens (Maurin) hat zuerst begriffen, dass die Fesseln des Bündnisses mit den Linksrepublikanern gesprengt werden müssen. Die KP Spaniens hat, nachträglich belehrt durch die Aktion der Massen, bereits verstanden, dass das Volksblockprogramm überholt ist, sie richtete an die Sozialdemokratische Partei ein Schreiben, in dem sie die gemeinsame Weiterführung des Kampfes im großen ganzen in der Richtung der oben angeführten Punkte fordert, – aber sie hält weiter fest an dem Block mit den Linksrepublikanern. Die verhängnisvolle Wirkung der Weiterführung dieses Blockes hat bereits der 15. März bewiesen – die Absage der revolutionären Massendemonstrationen der Bauern auf den Druck und die Versprechungen Azanas hin. Das Schicksal der Weiterführung der Revolution in Spanien über die Grenzen der bürgerlichen Revolution hinaus zur proletarischen oder sozialistischen Revolution, zur Errichtung der Rätemacht (damit zugleich aber auch der Sicherung der vollständigen Durchführung der bürgerlich-demokratischen Revolution und der Verteidigung ihrer bisherigen Errungenschaften für die werktätigen Klassen) hängt entscheidend davon ab, dass die Kommunistische Partei rasch den Bruch mit den Linksrepublikanern vollzieht und dadurch befähigt wird, an der Spitze der revolutionären Massenbewegung zu marschieren, ihr die Wege zu weisen, sie organisatorisch zu vereinheitlichen und zu zentralisieren, während die Weiterführung des Blockes bedeuten würde: Hemmung, Zersplitterung, Lahmlegung, Enttäuschung und Entmutigung der revolutionären Massenbewegung, eine Atempause, in der alle Kräfte der Konterrevolution, der Großbourgeoisie, des Großgrundbesitzes, des Klerus, der Offiziere usw. sich wieder sammeln, organisieren und vereinigen können, das heißt letzten Endes Sieg der Konterrevolution.

Es genügt, diese Alternative aufzuzeigen, um die gewaltige internationale Bedeutung der Ereignisse Spaniens im Allgemeinen und der Fortführung oder der Aufgabe der Volksfronttaktik im Besonderen in diesem Lande zu ermessen.


aus: Arbeiterpolitik Sondernummer 2020

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