Fortsetzung der Diskussion:
„Warum wir #ZeroCovid unterschrieben haben …“
„Warum wir #ZeroCovid nicht unterschrieben haben …“
„Wir stimmen in vielen Punkten der Kritik zu, die die BefürworterInnen der Iniative #ZeroCovid ausgeführt haben„, heißt es im Hamburger Papier. Anschließend zählt das Papier in 5 Thesen Punkte auf, die „fragwürdig“ sind. Soweit, so richtig. Ich habe deshalb zwar #ZeroCovid unterschrieben, bin aber völlig überzeugt davon, dass damit noch keine praktischen Konsequenzen verbunden sind.
I. Die Widersprüche, in denen wir uns bewegen, sind Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise. Im konkreten Fall der Bewältigung dieser Pandemie geht es darum, dass die Lohnabhängigen unter dieser Last den Verkauf ihrer Arbeitskraft und den Erlös existenzsichernder Einkommen realisieren müssen, d. h. einerseits am Arbeitsmarktgeschehen teilnehmen, andererseits die Reproduktion ihrer Arbeitskraft sichern müssen, was eben die Erhaltung ihrer Gesundheit einschließt. Aus diesem Dilemma erlöst uns kein moralischer Appell an abstrakte klassenübergreifende Vernunft, die von den Lohnabhängigen nur mit ihrer Klassenmacht (dem Entzug ihrer Arbeitskraft) zu verstärken wären.
II. Anzuknüpfen wäre also an unmittelbaren, d. h. direkt spürbaren und nachvollziehbaren Bedürfnissen in den Betrieben. Das drückt sich in den Hamburger Thesen in Punkt 7) aus („sich selbst in den Betrieben für Hygiene- und Abstandsregeln einzusetzen„). Das ist der zentrale Fokus, um den es gegenwärtig gehen muss. Es geht also um Klassenkampf. Es wäre die Aufgabe von Gewerkschaften, Betriebsräten und betrieblichen Aktiven. Aus den Kämpfen um die Bedingungen der betrieblichen Abläufe als Ausgangspositionen kann sich ggf. mehr entwickeln im Sinne einer politischen Bewegung, die Klasseninteressen aus Sicht der Lohnabhängigen wieder deutlicher und nachdrücklicher formuliert.
III. Ob es so kommt, darauf hat eine kleine Gruppe wie wir natürlich wenig Einfluss. Aber wir sollten in der Weise Stellung nehmen, dass „ein Schritt wirklicher Bewegung wichtiger ist als ein Dutzend Programme“ (Karl Marx, Brief an Wilhelm Brake im Zusammenhang der Kritik am Gothaer Programm, 1875).
IV. Folgende Forderungen müssen weiter festgehalten und ausgearbeitet werden:
a) Es muss um den Aufbau eines leistungsfähigeren öffentlichen Gesundheitswesens gekämpft werden, etwa unter den Stichworten der Rekommunalisierung der Krankenhäuser und der Wiederabschaffung der Fallpauschalen. Dies ist eine Sache, die „fachlich“ den Fachbereich 3 (Gesundheit) von ver.di angeht, aber der Solidarität aller Fachbereiche und aller Gewerkschaften bedarf.
b) Für die Folgekosten der Pandemie und ihrer Bewältigung sollten die Unternehmen und großen Vermögen herangezogen werden, nicht im Sinne klassenübergreifender „Verantwortung“, sondern im Sinne des Verursacherprinzips als Profiteure der kapitalistischen Produktionsweise.
V. In diesem Zusammenhang muss und wird auch über den Klimawandel zu reden sein, dessen Ursachen in unserer Zeit wesentlich menschengemacht sind und in der kapitalistischen Produktionsweise liegen.
F/HU, 27.2.2021
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