USA contra China – Mehr als nur ein Handelskrieg

Zur Diskussion

Vorbemerkung: Wir haben uns entschlossen, den folgenden Artikel unter der Rubrik »zur Diskussion« abzudrucken. Vor allem Aussagen über die positive Rolle Chinas für die »Entwicklungsländer« stießen bei der Mehrheit der Redaktion auf Kritik, wie beispielsweise: »Chinas Handelspolitik ist hier also eine Unterstützung zur Selbstbestimmung – auch wenn nicht alles ohne Probleme und fehlerfrei ist,«

Die Globalisierung der Wirtschaft und des Handels hat Gewinner und Verlierer hervorgebracht. Trumps Vorgehen gegen China und sein politisch-wirtschaftlicher Druck auf verbündete Industriestaaten sind unter diesem Gesichtspunkt zu sehen. Zum einen schrumpft der globale Handel, zum anderen führen der von den USA eingeleitete Zollkampf und die Blockade der WTO-Richterernennung die WTO in eine tiefe Krise. Hatten die führenden Industrieländer das Märchen vom gegenseitigen Nutzen des freien Handels benutzt um die eigene Dominanz bei den Ungleichgewichten der Staaten zu verschleiern, so demaskiert die Politik Trumps jetzt die Zielsetzung der Industriestaaten. Die politischen Vertreter der herrschenden Klasse der USA sehen die eigene technologische und militärische Vorherrschaft in Gefahr. Sie wollen nicht akzeptieren, dass China mit seiner rasanten Wirtschaftsentwicklung zu ihrem Konkurrenten wird.

2015 hatte der chinesische Präsident Xi die politische und wirtschaftliche Zielsetzung »Made in China 2025« verkündet, mit der das Land bei der Digitalisierung der Wirtschaft up to Date sein will. Trump stellt die US-Politik unter das Motto »Amerika first« und führt eine aggressive Außenpolitik gegenüber China und Russland: Die Aufkündigung des INF-Vertrages zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen durch die USA richtet sich nicht nur gegen Russland, sondern im Pazifik auch gegen China. Deutschland wird u. a. bedrängt, beim 5G-Netzausbau, dem neuen Mobilfunkstandard, keine Teile chinesischer Hersteller zu verwenden. Doch bei einem Ausschluss Chinas würde der Netzausbau teurer und China verprellt. Mit der Verhaftung der Huawei-Managerin Meng Wanzhou (Tochter des Gründers) am Flughafen von Vancouver (Kanada) wegen Verstoßes gegen die US-amerikanischen Iran-Sanktionen spitzten die USA die Lage auch politisch zu. Der Technologiekonzern Huawei ist die Verkörperung des industriellen Aufstiegs Chinas, er kann im Hightech-Bereich mit ausländischen Unternehmen konkurrieren. In der Verhaftung spiegelt sich die ganze Konkurrenzbreite und eine politische Grenze der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Westen. Während China in seinem Vorgehen den Deal Marktzugang gegen Zugang zur neuen Technologie sieht, klagen die USA und der Westen China u. a. wegen Copyright-Diebstahl an. Abgelenkt wird damit nicht nur von der weltweiten Ausbeutung der lohnabhängig Beschäftigten durch die Unternehmen der kapitalistischen Industriestaaten. Die USA warnen die Staaten der Welt davor, sich bei China zu verschulden und schüren prinzipielles Misstrauen gegen das Land. Trump kritisiert, dass China im Rahmen der Neuen Seidenstraße in 68 Staaten der Erde die Infrastruktur ausbaut: Häfen, Flughäfen, Straßen, Schienen werden verlegt, Stromnetze erweitert. China unterläuft so ökonomisch die militärische Vorherrschaft der USA in der Welt. Nützt der Bau dieser neuen Infrastruktur in den Entwicklungsländern auch China, so wird doch mit ihr darüber hinaus dafür gesorgt, dass diese Staaten durch die Infrastruktur eine eigene Wirtschaft entwickeln können: Bisher sind z. B. Nahrungsmittel oft nicht vom Erzeuger zum Verbraucher gelangt, weil sie nicht transportiert werden konnten. Chinas Handelspolitik ist hier also eine Unterstützung zur Selbstbestimmung – auch wenn nicht alles ohne Probleme und fehlerfrei ist, denn China ist angewiesen auf die Rohstoffe Afrikas und Südamerikas und die Voraussetzungen in den Ländern werden z. T. nicht genügend berücksichtigt. In Afrika werden mit der Digitalisierung, z. B. mit Smartphone oder Tablett, Entwicklungsschritte übersprungen.

Mit der Kritik an China wird auch von der Ausbeutung der Entwicklungsländer durch internationale Konzerne und ihren Auswirkungen abgelenkt: Ziel dieser Konzerne ist es, nach Möglichkeit mit uneingeschränkten Rechten zur Profitproduktion zu investieren. In vielen Ländern Afrikas und Südamerikas beuten die führenden Industriestaaten die Bodenschätze aus und die Ureinwohner verarmen dabei. Abgelenkt wird von der Ölverschmutzung von Nigerias Atlantikküste, der Rodung der Urwälder, der Perspektivlosigkeit für Afrikaner durch die Aneignung der besten landwirtschaftlichen Flächen, den katastrophalen Arbeitsbedingungen von Arbeiter(innen) bei der Billigproduktion für westliche Unternehmen in asiatischen Ländern. Darüber hinaus ist der IWF ein Werkzeug der Industriestaaten zur Einflussnahme über Kredite an Länder, die an geopolitischen Fronten liegen. Finanzielle Sanktionen werden von den USA zu politischer Einflussnahme genutzt, z. B. gegen Venezuela und zur Unterstützung des korrupten Regimes in der Ukraine.

Nicht nur Bundespräsident Steinmeier hat (bei seiner Chinareise) hervorgehoben, dass China innerhalb von 40 Jahren Hunderte Millionen Chinesen aus der Armut herausgeholt und Mittellose zu Dollarmillionären gemacht hat. Überwunden ist die restliche Armut noch nicht. Die Vielzahl der Universitäten und Forschungsstationen demonstriert das Anheben des Bildungsniveaus im Lande: China ist auf dem Wege, in der Schlüsseltechnologie künstliche Intelligenz (KI) eine bedeutende Rolle zu spielen. Als Ergebnis der Globalisierung zeigt die Entwicklung in vielen Industriestaaten – besonders auch in den USA – währenddessen ein anderes Bild: stagnierende Einkommen und die Vergrößerung der Kluft zwischen der kleinen Schicht der Reichen und der Masse der Bevölkerung. In den USA hat sich die Vermögensverteilung so drastisch zu Ungunsten der Lohnabhängigen verschoben wie in keinem anderen Industrieland.

Die wirtschaftliche und technologische Konkurrenz haben an Bedeutung gewonnen, und die Wirtschaft der USA und Chinas sind miteinander verflochten. Sollte die führende Weltmacht den Handelskrieg kulminieren lassen, so würde das nicht nur Chinas Ausfuhr, sondern auch den US-Kapitalmarkt schwer in Mitleidenschaft ziehen. Heute kann China nicht mehr wie im 19. Jahrhundert durch einen Krieg zur Öffnung seines Marktes gezwungen werden.

Zur Rolle der USA

In der Weltöffentlichkeit steht z. Zt. überwiegend im Vordergrund, dass der US-Präsident Trump lügt, hetzt und den Mob entfesselt. Doch er ist nur ein Symptom tieferliegender Probleme. Hinter ihm stehen mächtige Kapitalgruppen, wie die Wall Street, die Öl- und Gasindustrie. In ihrem Interesse hat Trump Schutzbestimmungen für die Umwelt und die Verbraucher abgebaut sowie Unternehmenssteuern gesenkt, wodurch dem Sozialbereich finanzielle Mittel entzogen werden. Innenpolitisch zerstört er alle staatlichen Bereiche, die nichts mit Rüstung, Militär oder den Geheimdienst zu tun haben.

Die USA waren aus dem 2. Weltkrieg als wirtschaftlich und militärisch stärkste Macht der Welt hervorgegangen und demonstrierten ihre Rolle sofort mit der Atombombe auf Hiroshima. Zur politischen Durchsetzung ihrer Interessen trieben sie die Gründung der UNO voran. Als globale Vormacht einer westlichen Ordnung mit den plakativen Merkmalen Liberalität und Freiheit, dient(e) diese Ordnung den USA zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen: Zugang zu Märkten, militärische Dominanz, politische Gefolgschaft. Das zeigte sich schon im Koreakrieg und bei der 1948 in Havana gegründeten Internationalen Handelsorganisation ITO, die schon 1950 scheiterte, weil die USA Eingriffe in die inneren Angelegenheiten Amerikas befürchteten: Denn die ITO sollte nicht nur Zölle abbauen, sondern sich auch gegen Subventionen und unfaire Geschäftspraktiken engagieren. Die Präsidenten Patrice Lumumba (Kongo) und Salvador Allende (Chile) mussten im Interesse der USA sterben; die US-Regierung stand hinter denen, die gegen sie putschten. Kriege gegen Vietnam, in Mittelamerika und den Irak dienten ihrer Vorherrschaft. Ihre verbündeten europäischen Staaten haben die Folgen des entstandenen Chaos im Vorderen Orient in Form von Flüchtlingsströmen auszubaden – nicht die geografisch entfernten USA. Heute sind die USA immer noch militärisch die Nummer eins – ihre Militärstützpunkte liegen auch vor China – und die Heimat von sieben der zehn größten Tech-Konzerne. Der Dollar als wichtigste Reservewährung der Welt dient ihnen als politische Waffe. Mit einem System von Handelsverboten wird seit Jahren massiver wirtschaftlicher Druck ausgeübt. Indem die USA heute mit ihrer Strafzollpolitik gegenüber China ökonomische Macht ausüben, machen sie so ihre konkrete Zielsetzung aller Welt deutlich: Chinas Aufstieg zu einer Hi-Tech-Macht soll verhindert werden. Die chinesische Zoll-Antwort darauf ist keine wirksame Waffe. Drei Jahrzehnte wachsender beidseitiger wirtschaftlicher Zusammenarbeit sind damit übergegangen in eine Konfrontation. (Wobei die US-Internetkonzerne nicht auf den riesigen Markt Chinas verzichten wollen und Kompromisse eingehen.) Im Zusammenhang mit ihrem Vorgehen gegen China erhöhen die USA auch die Militärausgaben, und Trump verschärft z. B. die Visaregeln für chinesische Studenten. Seine ökonomischen Forderungen an China lauten: Zusätzliche US-Importe, Zugang zum Dienstleitungsgeschäft für Banken, Versicherungen und Wertpapierhäuser.

Viele Industriestaaten haben gegenüber den USA einen Exportüberschuss. Wer trägt die Verantwortung für das von Trump beklagte hohe Ausfuhrdefizit der USA? Die Exportbilanz hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. China lieferte bisher viermal mehr Waren in die USA als umgekehrt. Und die Ausfuhr Chinas in die USA ist im November 2018 so hoch wie nie zuvor gewesen trotz Trumps Strafzöllen. Dabei muss man sehen, dass unzählige amerikanische Firmen ihre Fertigung ins langjährige Billiglohnland China ausgelagert haben und in die USA liefern. So konnten sie ihre Profite steigern.

Zur Rolle Chinas

Steinmeier sprach in China aus, was andere westliche Politiker ebenfalls gehofft hatten: China würde mit seinem Weg über das Privateigentum an Produktionsmitteln und der Profitproduktion den westlichen Staaten ähnlicher werden. Doch auch wenn für die KPCh der Kapitalismus – wie es Marx und Engels gesehen haben – nur der Motor der Entwicklung des Landes ist, die Gesetze des Weltmarktes wirken sich in China aus. Schrumpft der Export, so entstehen auch hier Überkapazitäten (siehe Schwerindustrie). Um die neuen Kapitalisten in die Entwicklung des Landes einzubinden, wurden so Unternehmer in die KPCh aufgenommen. Wirtschaftskreise in den USA streben nach einer Koalition großer Handelspartner gegen China. Sollte China dadurch isoliert werden, würde das wohl zwangsläufig zu einer vertieften Zusammenarbeit von Staatsunternehmen und dem Privatsektor führen.

Die Staats- und Parteibürokratie sind immer wieder in Widerspruch zur Bevölkerung geraten, weil sie aufgrund des niedrigen Ausgangspunktes (als Bauernland) nach der Revolution in China ersatzweise handeln. Dazu Friedrich Engels, der ausgehend von der industriellen Entwicklung der kapitalistischen Länder und ihrer Arbeiterklassen sah, dass die Abschaffung der gesellschaftlichen Klassen zur Voraussetzung einen Höhegrad der Entwicklung der Produktion hat, „auf dem Aneignung der Produktionsmittel und Produkte und damit der politischen Herrschaft, des Monopols der Bildung und der geistigen Leistung durch eine besondere Gesellschaftsklasse nicht nur überflüssig sondern auch ökonomisch, politisch und intellektuell ein Hindernis der Entwicklung geworden ist. “ (Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, MEW Bd. 19 ,S. 225.)

Wo ist der Humanismus, der für Steinmeier beim Chinabesuch Quelle des Denkens und Handelns von Marx war, in den ehemaligen Kolonien, den Entwicklungsländern, auf deren Ausbeutung die Standards in den kapitalistischen Industriestaaten mit beruhen? Steinmeiers Hinweis, die Geschichte des »ostdeutschen Überwachungsstaats« zeige die Notwendigkeit einer »Ethik der Digitalisierung« macht deutlich, dass er auf die Überwachung in den westlichen Staaten nicht eingehen möchte.

Chinas Bevölkerung ist viermal größer als die der USA. Heute ist das Land bereits in einigen Bereichen eine Ideenschmiede von Weltrang: Das betrifft die Raumfahrt, die die Elektromobilität, Hochgeschwindigkeitszüge, Halbleiter, Industrieroboter und medizinische Geräte. Und der chinesische Erfindergeist wächst weiter. Deutschlands großer Technologiekonzern Siemens ist dabei seine Forschung für autonome Robotik in China zu bündeln. Trotzdem braucht das Land für seine wirtschaftliche Entwicklung die Zusammenarbeit mit den westlichen Industriestaaten und will deshalb auch die Bedingungen für ausländische Unternehmen verbessern. Und europäische Konzerne brauchen China für ihr wirtschaftliches Wachstum. Sie wollen nicht auf die Profite auf dem chinesischen Markt verzichten, auch wenn sie sich über die Bedingungen dafür beklagen. Deshalb ist die chinesische Führung auf Kompromisse mit den Industriestaaten aus. Der Übergang zu einem nachhaltigeren Wachstum im Lande setzt allerdings auch den internationalen Konzernen Grenzen.

China – in seiner Geschichte selber Opfer von Kolonialherrschaft – baut seinen Kontakt zu allen Entwicklungsländern aus, lädt zur Weiterentwicklung des Handels die afrikanischen Präsidenten ein, investiert nicht nur (auch aufgrund seiner eigenen positiven Erfahrungen) in die Infrastruktur auf dem schwarzen Kontinent, sondern engagiert sich selbst im entlegensten Winkel Südostasiens. Insofern ist China für die Staaten Afrikas und Südamerikas, die Schwierigkeiten haben, ihre koloniale Vergangenheit zu überwinden, eine Stütze.

Auch in China selbst wird der politische Weg diskutiert. Das KP-Organ Volkszeitung wandte sich Anfang Juli 2018 in einem Artikel gegen eine gefährliche Angeberei im Lande, gegen Arroganz und Selbstüberschätzung. Im November kritisierte der ehemalige stellvertretende Außenhandelsminister Lon Yongtu die Zölle auf amerikanische Sojabohnen. Wer in China das sozialistische Ideal sucht, sucht vergebens. Wenn die Führung auch konsequent gegen Korruption vorgeht, die chinesische Kapitalismusphase mit ihrer bevormundenden Bürokratie muss letztendlich auch überwunden werden. Doch als isolierte Entwicklung in einer kapitalistischen Welt ist das nicht möglich. Chinas Entwicklung ist nicht eingebettet in eine internationale sozialistische Entwicklung, die hilfreich Stütze sein könnte. Im Gegenteil, Chinas Weg wird mitbestimmt durch die Stärke der industriell hoch entwickelten kapitalistischen Staaten.

Zur Entwicklung in China

Unter Deng Xiao-ping hatte vor 40 Jahren Chinas Industrialisierung begonnen – als Billiglohnland, Werkbank für Unternehmen der kapitalistischen Welt. Deng hatte erkannt, dass die Entwicklung schrittweise gegangen werden musste. 1978 griff das 3. Plenum des 11. ZK der KPCh den von Dorfgemeinschaften eigenständig gegangenen Weg auf, die über das Plansoll hinaus erzielten Erträge auf dem Markt frei zu verkaufen. Damit war der bisher fehlende Anreiz, die Produktion zu erhöhen, geschaffen; die Versorgung wieder gesichert. Privatinitiative und die Möglichkeit von Privateigentum an Produktionsmitteln wurden gefördert. Schritt für Schritt sollte dieser Weg in der ganzen Wirtschaft gegangen werden. Zum Bedauern westlicher Politiker allerdings nicht der Schritt in die allgemeine freie Marktwirtschaft. Ein Großteil der Wirtschaft ist staatlich geblieben. Der Dienstleistungssektor macht inzwischen einen großen Teil der Wirtschaft aus. Die Planwirtschaft geht nicht mehr bis ins Einzelne, ist aber eben nicht aufgegeben worden.

Unter den Bedingungen des kalten Krieges wurden die Beziehungen zu den USA mit der Ping – Pong -Politik verbessert. Die Einladung ausländischer Unternehmen, in China zu produzieren, war dann der Ansatzpunkt für die eigene industrielle Entwicklung, die Industriearbeiter hervorbrachte, und die Entwicklung eigener Initiativen in der Bevölkerung. Der Anfang damit wurde in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen gemacht. Sie wurde nach und nach zum Vorbild für ganz China. Ausländische Unternehmer, die in China produzieren wollten, mussten mit einem chinesischen Partner zusammenarbeiten. Deutsche Konzerne waren die ersten, die mit großen Investitionen darauf eingingen. Sie liefern z. Zt. genau das, was China braucht und führten differenzierte Löhne und Prämien ein. Die Gewinne wurden geteilt und größtenteils weiter investiert. Steigende Löhne schufen einen wachsenden Markt. Global produzierende Industrieunternehmen suchten in Konkurrenz zueinander diesen wachsenden Markt, so dass hochmoderne Werke im Joint-Venture im Lande errichtet werden konnten. Bis heute ist China d e r Markt für wachsende Profite, auf den kein global produzierendes Unternehmen der Welt verzichten möchte. Für die chinesische Bevölkerung zählt heute das Wachstum ihres Lebensstandards.

Welche Erfahrungen ließen Deng diesen Weg einschlagen?

Mit dem Sieg im revolutionären Befreiungskrieg waren in China die politischen Voraussetzungen für den Weg zum Sozialismus geschaffen. Doch was war mit den wirtschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen? Chinas Versuch, nach seinem revolutionären Befreiungskrieg aus eigener Kraft auf der Grundlage der Bauernwirtschaft eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, scheiterte: Die primitive Stahlproduktion erwies sich nicht als Richtung weisend; zwar konnte in den Volkskommunen kollektiv gearbeitet und die Städte konnten versorgt werden; doch die Initiativen der einzelnen Bauern erstickten nun, ihre Ernteergebnisse sanken. Mit all diesen Versuchen konnten die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine sozialistische Gesellschaft, die Industrialisierung, nicht geschaffen werden. Deshalb dieser neue Weg.

Deutschland und weitere Staaten in diesem Konflikt

Steinmeier warb in China für eine noch engere deutsch-chinesische Zusammenarbeit; wirtschaftlich seien beide Länder aufeinander angewiesen und »eng verbunden wie nie«. Deutschland ist inzwischen Chinas größter Handelspartner in Europa. Das deutsche Wirtschaftswachstum hängt also auch am Erfolg der chinesischen Wirtschaft. Deutschlands Machtstellung auf dem internationalen Markt ist besonders durch den Maschinenbau und die Chemieindustrie bestimmt. Nach 2008 einsetzenden Finanz- und Wirtschaftskrise wurde diese Entwicklung besonders deutlich. Die exportabhängige Bundesrepublik hat deshalb bei einem globalen Handelskrieg viel zu verlieren. Für Banken und Versicherungen haben beide Länder jeweils besseren Marktzugang vereinbart.

Auf diesem Hintergrund zeigt sich die deutsche Industrie in ihrem Vorgehen gespalten. Während China für 40% aller verkauften VW-Wagen steht und der VW-Konzern sein Schicksal mit China verbunden sieht, Deutschlands großer Technologiekonzern Siemens dabei ist, seine weltweite Forschung für autonome Robotik in China zu bündeln und der Deutsche Industrie- und Handelstag Chinas neue Rolle in der Welt sieht und die Chancen nutzen will, sieht der Bundesverband der Deutschen Industrie BDI einen »systemischen Wettbewerb“ zwischen liberalen, sozialen Marktwirtschaften und »Chinas staatlich geprägter Wirtschaft«. Viele Industrielle sehen sich heute mit chinesischen Konkurrenten konfrontiert. Siemens strebt deshalb die Zusammenarbeit seiner einzelnen Sparten mit internationalen Partnern an. Und der BDI stellt in der Vordergrund: Nötig sei es, die »gemeinsamen Interessen gegenüber China« zu wahren.

Im Wirtschaftskonflikt zwischen den USA und China sehen sich die anderen hochentwickelten Industriestaaten wie auch viele Staaten Süd- und Ostasiens wirtschaftlich beeinträchtigt und in der Zwickmühle. Die Industriekonzerne brauchen den wachsenden Absatzmarkt China, die westlichen Staaten sind aber politisch und militärisch mit den USA verbunden. Nicht nur die Asean-Staaten versuchen, eine Balance zwischen beiden Staaten zu halten. Vietnam hat schon früh gegenüber China seinen selbstbestimmten Weg durchgesetzt. Die Philippinen sehen wirtschaftliche Vorteile in einem Ausgleich mit China. Die japanische Regierung, die noch vor sechs Jahren den Ausschluss von China aus einem angestrebten transpazifischen Handelsbündnis mit betrieben hatte, sucht heute das Miteinander mit China. Zwischen beiden Staaten ist der Handel stark gewachsen. Japan sieht sich heute selbst vom US-Präsidenten Trump bedrängt: Es hat selbst einen erheblichen Handelsüberschuss gegenüber den USA. Außer mit 11 pazifischen Anrainern ohne die USA hat die japanische Regierung hat deshalb auch einen Freihandelsvertrag mit der EU abgeschlossen. Zusammen mit China soll für die gesamte pazifische Region ein Freihandelsvertrag vereinbart werden.

Im Gegensatz zu den Regierungen und den Unternehmern, die agieren, meldet sich die Klasse der Lohnabhängigen in den Industriestaaten kaum mit eigenen Zielsetzungen zu Wort. Z.Z. besteht in Deutschland noch ein großer Bedarf an Arbeitskräften. Doch die Digitalisierung von Produktion und Warenverkehr führt nach und nach zu einer Steigerung der Produktivität, die noch stärker zu Exporten auf den Weltmarkt drängt und dort den globalen Konkurrenzkampf weiter anheizt. Gleichzeitig werden dann fortlaufend Arbeitskräfte überflüssig, was nicht nur in den Industriestaaten soziale Probleme hervorruft. Dieser klassenspezifische Widerspruch ist antagonistisch, auch wenn die Gewerkschaften die Sozialpartnerschaft feiern. Daneben wachsen viele klassenunspezifische Widersprüche, wie der Klimawandel, die Vernachlässigung des Massenverkehrs, die Vermüllung der Wasserwege und der Meere – ohne dass die Profitproduktion von der Masse der Lohnabhängigen schon als Ursache erkannt wird. Der Stand der industriellen Entwicklung ist in den einzelnen Staaten nicht gleich hoch und ihre Entwicklung nicht gleich schnell. Für die Südhalbkugel gilt außerdem: Diese Staaten können nicht auf Dauer auf dem Status Rohstofflieferanten und Absatzmärkte gehalten werden.

Die Widersprüche in dieser Entwicklung verlangen nach einer Lösung, die letztlich eine bedarfsdeckende Wirtschaft, die von den Bedürfnissen der Menschen ausgeht und sich nicht am Profit orientiert, erfordert. Aufgrund seiner besonderen Ausgangslage als Agrarstaat kann China dabei nicht Vorbild für die Lohnabhängigen in Industriestaaten sein.

U.B., 12.02.2019


aus Arbeiterpolitik Nr. 1 / 2019

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