Die USA unter Trump – Wohin die Reise geht

Quelle: Wikipedia

Die Hegemonie des westlichen Bündnissystems unter Führung der USA, die sich am Ende des Kalten Krieges seit 1990 herausgebildet hat, kommt weltweit an ihre Grenzen:

  • Unter dem Deckmantel wertegeleiteter demokratischer politischer Ordnungen setzen sich immer weiter autoritäre, rechte Strukturen durch.
  • An die Stelle von Interessenausgleich und Diplomatie zwischen den Machtblöcken tritt eine Aufrüstungsspirale, die alles bisher Bekannte aus der Zeit des Kalten Krieges bei weitem in den Schatten stellt.
  • Es zeichnen sich keinerlei Auswege aus den regionalen Kriegen und Konflikten (Ukraine, Nahost, China/Taiwan) ab, im Gegenteil heizen sie sich immer mehr auf, drohen sich zu einem Weltbrand zu entwickeln.

Im Folgenden soll untersucht werden, welche Entwicklung das Machtsystem der USA unter der Präsidentschaft Trumps nehmen wird in dieser Phase weltweiter Umbrüche politischer Machtsysteme.)


Das erste halbe Jahr der Trumpschen Präsidentschaft zeigt, in welche Richtung die Reise geht. Einige Stichworte:

  • Rechtsradikal: Alles Linke oder Liberale wird zum Feind erklärt und als solcher behandelt. Am härtesten trifft es gerade die palästinasolidarische oder israelkritische Bewegung, sozusagen stellvertretend für alle, die sich der Regierungspolitik widersetzen.
  • Gewerkschaftsfeindlich: Unter der Parole der „Befreiung des amerikanischen Arbeiters“ werden lang erkämpfte Gewerkschafts- und Arbeitsrechte geschleift.
  • Ausländerfeindlich, rassistisch, nationalistisch: Migranten werden generell als Kriminelle dargestellt, entmenschlicht, insbesondere die aus Lateinamerika. Sie werden massenhaft aufgegriffen, inhaftiert, in andere Länder verfrachtet und dort eingesperrt.
  • Antidemokratisch: Der Kongress unterwirft sich der Regierung, statt sie zu kontrollieren und an einen gesetzlichen Rahmen zu binden. Ihrerseits setzt sich die Regierung über Gesetze und Gerichtsbeschlüsse hinweg und lässt vom Kongress ein Gesetz beschließen, das es Gerichten erschwert gegen Gesetzesvorstöße der Regierung vorzugehen. Der oberste Gerichtshof beschließt, dass ein Präsident für Amtshandlungen über dem Gesetz steht.
  • Staatsfeindlich: Staatliche Institutionen, die der Sicherheit der Bevölkerung dienen oder soziale Ungleichheiten abmildern sollen, werden aufgelöst, andere werden privatisiert, um privatem Kapital Profitmöglichkeiten zu eröffnen.
  • Plutokratisch: Steuern für die Reichen werden gesenkt, eine gewaltige Vermögensumverteilung von unten nach oben findet statt, Milliardäre sitzen in der Regierung oder nehmen entscheidenden Einfluss. Die Gesundheitsversorgung für Arme wird dagegen gekürzt.
  • Frauenfeindlich: Abtreibungsrechte werden eingeschränkt, Gleichstellung zurückgefahren.
  • Religiös-fundamentalistisch: Hinter der Trump-Regierung sammeln sich evangelikale Christen, konservative Katholiken und Zionisten.
  • Diskriminierend gegen Minderheiten wie Farbige, sexuelle Minderheiten.
  • Schutzzollpolitik um eine Reindustrialisierung in Gang zu setzen.
  • Weltklimafeindlich: Förderung von fossiler und Atomenergie, Kürzung oder Streichung von Subventionen für nachhaltige Energieträger.
  • Unverhüllte Machtpolitik nach außen: Wer nicht pariert, wird erpresst, sanktioniert oder militärisch angegriffen, das Völkerrecht offen geschreddert.

Diese Aufzählung ist sicher nicht vollständig, sie ergibt aber ein deutliches Bild. Sicher sind einige dieser aufgeführten Punkte in der einen oder anderen, abgeschwächten Form auch für bisherige Regierungen zutreffend, aber insgesamt zeigt sich doch eine neuartige Richtung. Woher kommt das? Welcher Prozess ist da im Gange? Wer den Prozess nicht versteht, muss im Anklagen stecken bleiben.

„The One Big Beautiful Bill“

Worüber sich die Bürgerlichen von links bis rechts in den USA einig sind, ist, die Vorherrschaft der USA in der Welt aufrechtzuerhalten. Vorherrschaft der USA heißt natürlich Vorherrschaft des US-Kapitals. Diese Vorherrschaft wird von zwei Seiten bedroht. Zum einen der ökonomische Aufstieg Chinas, zum anderen die Überdehnung der amerikanischen Macht. Diese Überdehnung zeigt sich im ausufernden Haushaltsdefizit, das sich alleine für den Bundeshaushalt auf fast 36 Billionen Dollar beläuft. Die Zinsen für dieses Defizit, die aus dem Haushalt beglichen werden müssen, nähern sich mittlerweile einer Billion Dollar (d.h. 1000 Milliarden Dollar).

Gibt es bei der Politik gegenüber China nur graduelle Unterschiede (unter Obama wurde schon „der Schwenk nach Asien“ verkündet), sieht es bei der Haushaltspolitik anders aus. Da das Militär von jedem Spargedanken ausgeklammert wird, gibt es zur Eindämmung des Defizits mehrere Möglichkeiten: Steuererhöhungen für die Wohlhabenden, Ausgabenkürzungen im Sozialen, (eher Zukunftsmusik wären mehr Steuereinnahmen durch Neuansiedlung von Fabriken) Abbau des Staatsapparats. Letzteres betrieb Musk mit seinem DOGE-Apparat, der binnen kürzester Zeit Abertausende von Regierungsmitarbeitern feuerte. Wenn überhaupt, lassen sich damit nur einige Milliarden einsparen. Bleiben also Steuerhöhungen für die Wohlhabenden, die sind aber in einer Plutokratenregierung nicht durchzusetzen, im Gegenteil, Steuern wurden noch weiter gesenkt. Bleibt das Soziale, vor allem die beiden großen Posten Alterssicherung (Social Security) und Medizinische Armenunterstützung (Medicaid und Medicare).

Das jetzt verabschiedete Haushaltsgesetz (in trumpscher Infantilsprache „Das eine große schöne Gesetz“ getauft – The One Big Beautiful Bill) stellt einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Flügeln des Trumplagers dar. Zwar konnten die Kapitalvertreter eine Kürzung von Medicaid und Medicare durchsetzen, aber der völkisch nationale MAGA-Flügel (MAGA- Make America Great Again) verhinderte weitere Kürzungen bei der Social Security, um die proletarische Wählerklientel Trumps nicht zu vergraulen. Im Ergebnis wird sich das Haushaltsdefizit in den nächsten Jahren nach allen seriösen Prognosen um mehrere Billionen vergrößern.

Die Staatsverschuldung

Das Schuldenproblem bleibt also ungelöst. Lange Zeit war es auch kein Problem, da die US-Regierung ihre Ausgaben mit der Ausgabe von Staatspapieren („Treasuries“ – Schatzpapiere) finanzieren konnte. 1944 fixierten die USA mit dem System von Bretton Woods den Dollar für das kapitalistische Weltsystem als Leitwährung. Nach dem Ende von Bretton Woods konnten sie den Dollar als Weltwährung etablieren, indem sie durchsetzten, dass Geschäfte mit dem wichtigsten Rohstoff Erdöl nur in Dollar abgewickelt wurden. Die weltweit erzielten Dollarüberschüsse mussten nun irgendwo angelegt werden und dafür eigneten sich als sichere Möglichkeit die amerikanischen Staatspapiere, die das Finanzministerium verkauft. Die USA konnten es sich über diesen Mechanismus auch leisten ihren Markt für Importe zu öffnen, da die Importeursländer ihre Dollarüberschüsse wiederum in US-Staatspapieren anlegten. Die Kehrseite war natürlich, dass viele Industrien aus den USA in Billiglohnländer verlegt wurden. Vom offenen US-Markt profitierte u.a. China, das auf diese Weise seine Industrie entwickeln konnte. Man geht davon aus, dass von den US-Staatsschulden von fast 36 Billionen Dollar etwa 20% von ausländischen Gläubigern gehalten werden, also etwa sieben Billionen. Die größten Gläubiger sind Japan und China. D.h. das Ausland finanziert das US-Defizit (und damit die Militärausgaben!) zu einem gewichtigen Teil.

In den letzten Jahren hat nun eine Entwicklung eingesetzt, die diese Schuldenpolitik fraglich werden ließ. Investoren fingen an, angesichts des immer steigenden US-Defizits an der Kreditwürdigkeit der US-Regierung zu zweifeln. Dies führte dazu, dass die Nachfrage nach Staatsanleihen sank, so dass das Finanzministerium höhere Zinsen bieten musste, was zu steigenden Zinsen und damit zu steigenden Kosten für die US-Regierung führt. „Ein Blick auf die Zinsen in den USA: Die haben zwischenzeitlich schon fast bedrohlich zugelegt. Ein Niveau von um fünf Prozent für die 10-jährigen US-Anleihen gilt als gefährlich für die Stabilität an den Finanzmärkten, weil schlicht und einfach die Kosten der Refinanzierung zu hoch sind. Nun wurde dieses Niveau nicht ganz erreicht, aber die Entwicklung zeigte doch ganz klar in diese Richtung.“ (Aus dem Bericht einer Vermögensverwaltung, Juli 2025)

Mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes und dem damit steigenden Defizit setzt die US-Regierung ganz offensichtlich darauf, dass die nationalen und internationalen Investoren weiterhin Staatspapiere in ausreichendem Maße kaufen werden. Internationale Ansätze wie etwa Gedankenspiele unter den BRICS+-Staaten eine eigene Reservewährung aufzubauen, sind daher eine direkte Bedrohung der US-Politik. Deshalb hat Trump schon angekündigt, diese Länder mit hohen Zöllen zu überziehen, sollten sie auch nur so etwas versuchen wollen. Die Erhöhung des Einfuhrzolles für brasilianische Exporte auf 50% ist als Warnschuss an ein führendes BRICS-Land zu verstehen. Das Beispiel Brasilien zeigt auch, dass die Drohung mit Zollerhöhungen auch auf die Innenpolitik anderer Länder wirken soll. So betrachtet die Trump-Regierung den Prozess gegen den Expräsidenten Bolsonaro wegen dessen Putschversuch als US-feindliche Politik.

Eine Umkehr ist der Trump-Regierung aber immerhin gelungen: Für die Waffenlieferungen der USA an die Ukraine werden zukünftig die Europäer bezahlen. Damit wird einerseits das Budget entlastet, andererseits der Konkurrent EU geschwächt. Der schwächt sich noch zusätzlich, indem er die Militärausgaben auf 5% des Bruttoinlandprodukts steigern will-

Wie drängend das Problem der Staatsschulden eingeschätzt wird, zeigen Gedankenspiele. Eines schlägt vor, die ausländischen Halter zu zwingen, von ihnen gehaltene US-Staatspapiere in zinslose 50-jährige Anleihen zu verwandeln. Auf gut Deutsch: wertlos zu machen. Ein anderes geht dahin, die US-amerikanischen Banken und Versicherungen gesetzlich zu verpflichten, US-Staatspapiere zu kaufen (ähnlich wie es in Japan geschehen ist).

Eine nahe liegende Möglichkeit bleibt natürlich: die Gelddruckmaschine anzuwerfen, wie es die Zentralbank in den letzten Jahren betrieben hat, das heißt, sie kauft direkt Staatsanleihen an, die sie mit frisch gedrucktem Geld bezahlt. Die hässliche Kehrseite ist allerdings die dann wieder anziehende Inflation und gerade die Inflation der letzten Jahre hat viele Wähler zu Trump getrieben.

Widersprüche

Mit den Zöllen auf Einfuhren will die Trump-Regierung mehrere Ziele erreichen. Zum einen steigen offensichtlich die Zolleinnahmen, tragen also dazu bei das Wachstum des Defizits einzudämmen. Zum anderen soll es dazu führen, dass Kapital in den USA in Industrieproduktion fließt, die bisher im Ausland erfolgte, so dass in den USA selbst Arbeitsplätze entstehen und damit Mehrwert produziert werden kann.

Wenn nun aber die Einfuhren durch die Zollpolitik sinken, was ja das offensichtliche Ziel ist, dann sinken aber logischerweise die ausländischen Dollarüberschüsse, die zur Finanzierung des Haushaltsdefizits benötigt werden.

Für eine Reindustrialisierung braucht es qualifizierte Arbeitskräfte, die es in der erforderlichen Anzahl in den USA gar nicht gibt. Die müssten also erst ausgebildet werden oder man müsste sie aus dem Ausland holen (Schätzungen sprechen von der Notwendigkeit von 1,1 Millionen Einwanderern pro Jahr). Dagegen wenden sich aber gerade die Angriffe auf die Universitäten und die massive Hetze und Vertreibung aller Zuwanderer. Unter anderem wegen letzterem stieg Musk als Regierungsberater aus und wendet sich jetzt gegen Trump.

Wenn das Kapital in den USA in neue Industrien investiert, wird es das in Produktionsanlagen auf dem neuesten Stand machen und nicht nach dem Stand von vor 40, 50 Jahren. D.h. diese Betriebe werden kapital- und nicht arbeitskräfteintensiv sein und gerade nicht die versprochenen Massenarbeitsplätze bringen. Ein Beispiel sind Anlagen von US-Steel in Pennsylvania, die hoffnungslos überaltert und nicht konkurrenzfähig sind. Selbst die Gewerkschaft will, dass Nippon-Steel die Anlagen kauft um das Werk zu modernisieren. Dann werden aber die meisten Arbeitsplätze weg sein.

Im Übrigen werden mögliche Gegenzölle gegen Trumps Zollpolitik auch Auswirkungen auf Unternehmen und Arbeitsplätze haben.

Die bürgerliche Demokratie als Auslaufmodell

Dass Trump die Wahl gewonnen hat, lag vor allem daran, dass große Teile der ärmeren Bevölkerung ihn wählten (siehe auch unseren Artikel zum Ausgang der US-Wahlen in Arbeiterpolitik 4/24). Die Unmöglichkeit, den eigenen Lebensstandard zu halten oder ihn vielleicht für die Kinder sogar verbessern zu können, ließ viele das Lager wechseln. Deswegen ist aber die republikanische Partei natürlich keine Arbeiterpartei geworden, sondern ist eine „für die USA spezifische Version des Rechtspopulismus“ (Arbeiterstimme, Nr. 228, 2025).

Gleichzeitig signalisierte die Wahl ein Ende des „Weiter so“. Die Botschaft, die das Trump-Lager verbreitet, lautet: Wir haben den Auftrag, das alte abgewirtschaftete System zu beenden. Für das Kapital geht es darum, Hindernisse für die Profitproduktion aus dem Weg zu räumen. Auch die Kriegsvorbereitung gegen den großen Konkurrenten China lässt sich autokratisch besser durchführen. Die Vorherrschaft des US-Kapitals wird durch hohe Schulden, durch den damit einher gehenden Vertrauensverlust in die Stabilität des Finanzsystems und nicht zuletzt durch die sinkende Konkurrenzfähigkeit der eigenen Wirtschaft gefährdet. Letzteres signalisieren die chronischen und gefährlich anschwellenden Handelsbilanzdefizite. Offen ausgetragene imperialistische Machtpolitik nach außen ist die eine, Repression nach innen ist die andere Seite der MAGA-Politik. Da ist schnelles Eingreifen zur Brechung des Widerstands erforderlich, ohne dass die Exekutive durch parlamentarische oder juristische Einwände gebremst wird. Gewaltenteilung stört da nur.

Das bisherige etablierte parlamentarische System als eine Form der bürgerlichen Herrschaft soll den unterschiedlichen Kapitalfraktionen und anderen Interessengruppen Raum geben, sich zu artikulieren und schließlich zu einem Kompromiss zu finden. Statt einer mühseligen Kompromissfindung über den Kongress soll jetzt der „CEO“ (Vorstandsvorsitzende) entscheiden, wie das in jedem Unternehmen auch ist. Und dieser „CEO“ ist jetzt Trump. Statt zu versuchen über Parteigruppen Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen, müssen die verschiedenen Kapitalfraktionen jetzt versuchen bei Trump und seinen direkten Beratern Einfluss zu gewinnen. Ein gutes Beispiel dafür ist Elon Musk, der erst Trumps Gehör hatte, dann mit ihm brach. Jetzt droht er mit der Gründung einer neuen Partei, was der Versuch ist, wieder Einfluss zu gewinnen.

Dieser Systemwandel verträgt sich schlecht mit Wahlen. Trump hatte im Wahlkampf schon angekündigt, die Leute sollten ihn diesmal unbedingt wählen, nächstes Mal sei das dann nicht mehr nötig. Verklausuliert heißt das, wir werden Mittel und Wege finden, dass wir die Wahlen gewinnen werden, auch wenn wir die nötigen Stimmen nicht bekommen sollten. Die Legende von der eigentlich gewonnenen Wahl 2020 kündigt das gewissermaßen an. Am 15 Juli berichtet die „Washington Post“, dass in verschiedenen US-Bundesstaaten Regierungsmitarbeiter aufgetaucht sind, die die Wahlauszählungsmaschinen und die Wählerlisten kontrollieren wollen, angeblich um nach dem Rechten zu sehen. Dabei ist die Durchführung der Wahl Sache der Bundesstaaten. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Viele gaben Trump letztes Jahr die Stimme, da es keine glaubwürdige Alternative von links gab, nach dem Motto: Soll er mal machen, vielleicht wird’s besser, wenn nicht, wählen wir ihn wieder ab. Mit der Abwahl ist es allerdings so eine Sache, denn dazu muss es eine Möglichkeit geben ihn abzuwählen.

Man könnte die Richtung, in die die Trump-Regierung geht, die zu einer offenen Diktatur der Milliardäre nennen. Das heißt, ein Teil der Bourgeoisie regiert direkt unter weitgehender Ausschaltung des Parlaments. Faschismus ist das nicht, denn dann hätte die Bourgeoisie die politische Macht an eine faschistische Partei abgetreten. Ob sie das noch einmal machen muss, ist nicht abzusehen. Einen faschistischen Flügel im MAGA-Lager gibt es jedenfalls. Aber die Zerstörung der bisherigen Form der bürgerlichen Demokratie ist in vollem Gange.

Widerstand

Mittlerweile wächst der Widerstand. Er reicht von Gewerkschaften über Black-Lives-Matter, Frauenbewegung, Anti-Diskriminierung, Immigranten bis zu „Unterstützt die Ukraine“-Gruppen. Überall ist die US-Flagge dabei. Er ist also sehr breit und sehr heterogen. Die bisher größten Demonstrationen gegen die Trump-Regierung fanden zum „No Kings“-Tag („Keine Könige“) am 14. Juni statt mit landesweit geschätzten vier bis sechs Millionen Teilnehmern. Manche Beobachter sprechen sogar von den größten Demonstrationen in der amerikanischen Geschichte. Anlass war der 250. Jahrestag der amerikanischen Streitkräfte. Da dieser Jahrestag mit Trumps Geburtstag zusammenfällt, ließ dieser den Tag mit einer riesigen Militärparade in Washington begehen. In einem Aufruf heißt es: „No Kings ist ein bundesweiter Tag der Missachtung. Von Großstadtvierteln zu Kleinstädten, von Gerichtstreppen zu Gemeindeparks – wir werden aktiv um den Autoritarismus zurückzuweisen – und um der Welt zu zeigen, wie Demokratie wirklich aussieht.“ (www.nokings.org, eigene Übersetzung)

Hier drückt sich die Kritik am Abbau der Demokratie aus wie auch der Wunsch nach der Rückkehr zur bisherigen Form der bürgerlichen Demokratie. An der amerikanischen Vorherrschaft wird noch nicht gezweifelt. Wie wir oben ausgeführt haben, ist Trump eine Folge des Scheiterns der bisherigen Herrschaftsform und dem Wunsch des Kapitals nach innen und außen durchzuregieren. Einen Weg zurück wird es wohl nicht geben. Die Repression ist massiv: Polizei, Nationalgarde, Marines, dazu die Abschiebungsdrohung gegen Nicht-US-Bürger und die Entlassungswelle im Staatsdienst. Es ist schwer vorstellbar, dass die Republikaner unter Trump sich einfach durch Wahlen von der Macht verdrängen lassen.

Die demokratische Partei im Ganzen ist in einem desolaten Zustand. Offen zum Widerstand aufrufen kann und will sie nicht. Der Vorstand hat die Marschroute, stillzuhalten bis zu den Zwischenwahlen im nächsten Jahr. Dann werde sich die Trump-Regierung in genügend Skandale verwickelt haben und die Leute würden wieder mehrheitlich die Demokraten wählen. Deshalb stürzen sie sich jetzt auch auf den Epstein-Skandal. Einige linke Persönlichkeiten treten schon anders auf: Bernie Sanders, Alexandra Ocasio-Cortez oder Zohran Mamdani, der sich in New York als Bürgermeisterkandidat der Demokraten durchsetzen konnte. Natürlich vertreten sie keinen klaren Klassenstandpunkt, aber sie mobilisieren mit einem gewissen Erfolg gegen Trump und sprechen dabei gewerkschaftliche und soziale Themen an. Entscheidend wird sein, ob sich in dem anwachsenden Widerstand unter Arbeitern und Gewerkschaften ein Kern herausbildet, der unabhängig von den großen Parteien ist.


 

4 Kommentare

  1. Liebe Genossen der „Arbeiterpolitik!

    Zu den zum Teil heftigen inhaltlichen Schwächen, Fehler und Widersprüche des Artikels für den Moment erst einmal „nur“ die Kritik an einem Kernpunkt des Textes:

    Es stellt sich die Frage: Wo ist eigentlich das Wissen um die Bonapartismustheorie von Karl Marx und die Faschismustheorie und August Thalheimer geblieben? Der zentralen staatstheoretischen Aussage des Artikels fehlten jene Erkenntnisse, die einmal zum Kernfundus der Gruppe Arbeiterpolitik gehörten, auf schmerzliche Weise. Die Rede ist hier von dieser grob falschen Behauptung:

    „Man könnte die Richtung, in die die Trump-Regierung geht, die zu einer offenen Diktatur der Milliardäre nennen. Das heißt, ein Teil der Bourgeoisie regiert direkt unter weitgehender Ausschaltung des Parlaments. Faschismus ist das nicht, denn dann hätte die Bourgeoisie die politische Macht an eine faschistische Partei abgetreten.“

    Sie steht übrigens in krassem Widerspruch zu der Aussage wenige Zeilen zuvor, dass (in den USA) das „bisherige etablierte parlamentarische System als eine Form der bürgerlichen Herrschaft“ beseitigt wird:

    „Statt zu versuchen über Parteigruppen Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen, müssen die verschiedenen Kapitalfraktionen jetzt versuchen bei Trump und seinen direkten Beratern Einfluss zu gewinnen.“

    Diese – zutreffende – Feststellung verträgt sich allerdings überhaupt nicht mit dem unmittelbar darauffolgenden Satz:

    „Ein gutes Beispiel dafür ist Elon Musk, der erst Trumps Gehör hatte, dann mit ihm brach. Jetzt droht er mit der Gründung einer neuen Partei, was der Versuch ist, wieder Einfluss zu gewinnen.“

    Wenn der Versuch „über Parteigruppen Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen“, in Trumps USA der Geschichte angehört (Stichwort: „Die bürgerliche Demokratie als Auslaufmodell“), macht die „Gründung einer neuen Partei“ zur Einflussnahme von Kapitalisten oder Kapitalgruppen logischerweise überhaupt keinen Sinn. Der ARPO-Artikel erweckt an dieser Stelle hingegen den Eindruck das ginge irgendwie doch noch oder doch wieder…

    Elon Musk ist da schon weiter. Er scheint sehr schnell gemerkt zu haben, das die Partei-Idee kein guter Einfall war. Von der Gründung einer „America Party“ oder etwas ähnlichem ist nämlich keine Rede mehr. Stattdessen spendet er wieder für republikanische Abgeordnete, die für ihn Lobbyarbeit machen. Ob das erfolgreich ist, bleibt offen – und ebenso der Widerspruch in besagtem „Arbeiterpolitik“-Artikel.

    Das große Problem der Autoren des Artikels ist, dass sie nur die – ziemlich krude – Alternative „einer offenen Diktatur der Milliardäre“ („Das heißt, ein Teil der Bourgeoisie regiert direkt unter weitgehender Ausschaltung des Parlaments“) oder dem „Faschismus“ sehen, bei dem „die Bourgeoisie die politische Macht an eine faschistische Partei abgetreten“ hätte. Völlig ignoriert wird die Möglichkeit einer bonapartistischen Diktatur!

    Dieser Typus von Verselbständigung der Exekutive gehört keineswegs der Vergangenheit an, wie der gescheiterte Versuch von Yoon Suk-yeol in Südkorea Anfang Dezember 2024 oder zum Beispiel die Regime von Wladimir Putin in Russland, von Recep Tayyip Erdogan in der Türkei, von Viktor Orban in Ungarn, von Kais Saied in Tunesien, von Nayib Bukele in El Salvador oder (in der Entstehung begriffen) von Javier Milei in Argentinien zeigen. Von dieser Art war auch die blutige Fujimori-Diktatur in Peru von 1990 bis 2000 und diverse andere…

    Manch einer ist jetzt vielleicht versucht empört einzuwerfen: „Aber auf dem sozio-ökonomischen Niveau der entwickelten kapitalistischen Staaten kann es gar keinen Bonapartismus mehr geben!“

    Das ist falsch. Wir dürften uns einig sein, dass die Gruppe der OECD-Mitglieder den entwickelten Kapitalismus repräsentiert und zumindest dem sozialen und wirtschaftlichen Niveau von 1922 in Italien und 1933 in Deutschland entspricht, also den Zeitpunkten als dort der Faschismus an die Macht kam und – einer mechanischen Sichtweise zufolge – Bonapartismus in solchen Ländern nicht mehr möglich war, sondern nur noch Faschismus. Zur Gruppe der OECD-Staaten gehören allerdings auch Südkorea, die Türkei und Ungarn (und natürlich die USA)!

    August Thalheimer hat diesbezüglich jedoch richtigerweise auf folgendes hingewiesen:

    „Formen der offenen Diktatur der Bourgeoisie sind also dem Wesen nach keine einmaligen Erscheinungen: sie sind an ein bestimmtes Gesamtverhältnis der Klassen gebunden und kehren periodisch wieder, sobald dies Verhältnis wiederkehrt – solange nicht der Zusammenbruch der oder jener Form der kapitalistischen Diktatur die Herrschaft der Arbeiterklasse dauernd macht, wodurch dieser Zyklus, wenigstens für das betreffende Land, abgeschlossen wird.“

    Das ist eine ganz wesentliche Festellung, auch wenn sich in den Jahren 1989 / 90 fortfolgende die Einschränkung des Genossen Thalheimer als zu geschichtsoptimistisch erwiesen hat („… solange nicht der Zusammenbruch der oder jener Form der kapitalistischen Diktatur die Herrschaft der Arbeiterklasse dauernd macht“). („siehe: „Der Faschismus in Deutschland“, Seite 39)

    Bezüglich der „wesentlichen Unterschiede (…) zwischen Bonapartismus und Faschismus“ stellte Thalheimer u.a. fest:

    „Die ‚Dezemberbande‘ von Louis Napoleon war das Gegenstück zu der kleinen revolutionären Geheimorganisation der damaligen französischen Arbeiterklasse. Die faschistische Partei ist das konterrevolutionäre Gegenstück zur Kommunistischen Partei Sowjetrusslands. Sie ist also, im Unterschied von der Louis Napoleons, von vornherein eine breite Massenorganisation.“ (ebenda, Seite 42)

    Unbedingt erwähnenswert ist auch, dass in der Weimarer Republik ein hoher sozialer und politischer Organisationsgrad herrschte. Das heißt es gab auch im Inland sozialdemokratische und kommunistische Massenparteien, Massengewerkschaften, umfangreiche Arbeitersport- und Arbeiterkulturvereine, eine weitverbreitete proletarische Presselandschaft und recht große proletarische Wehrorganisationen gegen die entsprechende reaktionäre und konterrevolutionäre Gegenstücke nötig und möglich waren (NSDAP, SA, DNVP, Stahlhelm, Burschenschaften, Bürgerwehren).

    Einen solchen internationalen revolutionären Widerpart der USA gibt es aktuell nicht, es sei denn man wollte die inzwischen 100 Millionen Mitglieder zählende, sich kommunistisch nennende ,Staatspartei der kapitalistischen und imperialistischen „Volksrepublik“ China irrigerweise als solche einstufen.

    Auch in den USA (oder in der BRD, Italien…) gibt es keine derartigen progressiven oder gar revolutionären Massenorganisationen. Die größte linke Kraft in den USA sind die 1982 gegründeten, linkssozialdemokratischen Democratic Socialists of America (DSA) mit derzeit gerade mal 80.000 Mitgliedern.

    Die Veranstalter der „No Kings“-Proteste sind lose Netzwerke lokaler Gruppen und Initiativen mit der einen oder anderen landesweiten Bürgerrechtsorganisation im Bündnis. Die Anhängerschaft von Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez auf ihrer „Fight Oligarchy“-Tour ist eine ähnlich lose Fangemeinde wie Trumps MAGA-Community. Daran ändern auch die zersplitterten diversen rechten Milizenverbände nichts.

    Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den USA stagniert. Zugelegt haben AFL-CIO und die übrigen Gewerkschaften vor allem in den Umfragewerten, also in der öffentlichen Meinung, nicht aber organisatorisch!

    Die gegenwärtige politische Organisierung läuft vor allem über „Influencer“ in den sog. Sozialen Medien. Gegenstück zu Louis Bonapartes Nationalgarde sind vor allem die paramilitärischen Schergen von Trumps Einwanderungspolizei Immigration and Customs Enforcement (ICE).

    Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass der Neoliberalismus, dessen Siegeszug mit den Regierungen von Margret Thatcher und Ronald Reagan 1979 / 80 begann (von einem kleinen Vorspiel in Chile unter Pinochet einmal abgesehen) und der sich nach 1989 global durchsetzte, für den Zerfall sozialer Zusammenhänge, gesellschaftliche Individualisierung und Atomisierung entscheidend war. Das führte zu massivem Mitgliederschwund in Parteien, Gewerkschaften etc. und zu einem massivem Rückgang kollektiven gesellschaftlichen Engagements.

    Das deckt sich mit Thalheimers Hinweis, dass sich „der Kapitalismus (…) im Frankreich Louis Bonapartes (…) im Stadium der freien Konkurrenz“ befand. Das tat der Kapitalismus nach 1980 bzw. insbesondere nach 1989 / 90 erneut. Bei Thalheimer hieß es „NOCH im Stadium der freien Konkurrenz“. „Seitdem“ habe „der Kapitalismus eine neue höhere Stufe erreicht, die des Monopols“.

    Das stimmt und dennoch schloß der Monopolkapitalismus eine neue Ära des Freihandels, des entfesselten Kapitalismus nach dem Zusammenbruch bzw. dem Umkippen der sozialistischen RGW-Staaten (bis auf Kuba) nicht aus, wie der Genosse Thalheimer nicht vorhersah.

    Die bonapartistische Herrschaftsform ist also auch im hochentwickelten Kapitalismus hochaktuell und erklärt das Phänomen des „Trumpismus“ sehr viel besser als die fragwürdige Alternative im ARPO-Artikel.

    Rote Grüße,

    Pietro

    • Lieber Genosse Pietro,

      Du teilst offensichtlich mit uns die Orientierung an August Thalheimer. Thalheimer hat allerdings immer davor gewarnt, aus geschichtlichen Entwicklungen ein Schema herauszuarbeiten und dieses auf neue Entwicklungen zu übertragen. Aufgabe sei immer die konkrete Analyse einer konkreten Situation.
      Zunächst einmal hängst Du deine Kritik an der Stelle mit Elon Musk auf. Im Artikel heißt es: „Jetzt droht er (Musk) mit der Gründung einer Partei, was der Versuch ist, wieder Einfluss zu gewinnen.“ Offensichtlich steht da, dass die Drohung mit der Gründung einer Partei der Versuch ist, Einfluss zu gewinnen. Es steht nicht da, dass Musk eine Partei gründet, um Einfluss zu gewinnen. Das liest du aber fälschlicherweise heraus. Im Folgenden beschreibst du dann ja auch, dass es Musk bei der Drohung belassen hat.
      Danach fährst du noch schwereres Geschütz auf, wenn du schreibst, wir würden völlig „die Möglichkeit einer bonapartistischen Diktatur“ ignorieren.
      Marx hat ja bekanntlich aus der Analyse des Bonapartismus in Frankreich nach 1851 die Möglichkeit einer bonapartistischen Regierungsform abgeleitet. Er beschreibt diesen Bonapartismus als Folge eines Patts zwischen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse. Die Bourgeoisie kann nicht mehr herrschen, das Proletariat noch nicht. In dieser Pattsituation übergibt die Bourgeoisie die politische Macht an Bonaparte und seine „Dezemberbande“, um ihre ökonomische Macht zu retten.
      Diese Pattsituation erkennt Thalheimer auch für Deutschland zu Beginn der 30er Jahre: Eine starke, aber fraktionierte Arbeiterbewegung und eine politisch schwache Bourgeoisie, die nicht mehr mit bürgerlich-demokratischen Mitteln ihre Herrschaft sichern kann. Sie übergibt deshalb der faschistischen Partei die politische Macht und sichert sich ihre ökonomische Macht, den Erhalt der Eigentumsordnung.
      Diesen Prozess des nicht mehr mit parlamentarischen Mitteln herrschen Könnens beschreibt Thalheimer als die Verselbständigung der Exekutive und die Auflösung der bürgerlich-demokratischen Regierungsform schon vor der Übergabe der Macht an die faschistische Partei. Eine solche Auflösung der parlamentarischen Herrschaftsform und eine Verselbstständigung der Exekutive beobachten wir jetzt in den USA. Folgt daraus aber eine bonapartistische Herrschaft, wie du schreibst?
      Dazu fehlt unseres Erachtens ein wesentliches Merkmal, das Thalheimer herausgearbeitet hat: die Pattsituation zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie. Davon kann nämlich nicht im Entferntesten die Rede sein. Die Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung ist – insbesondere in den USA – schwach, die Gewerkschaften haben z.B. in den letzten Jahrzehnten Millionen an Mitgliedern verloren. Also, warum sollte die Bourgeoisie ihre Macht abgeben?
      Es gibt offensichtlich andere Beweggründe, warum die parlamentarische Regierungsform für einen Teil der Bourgeoisie nicht mehr tragfähig ist. Der Artikel spricht zwei Punkte an: Die Aufrechterhaltung der Weltmachtrolle Nr.1 und die Überdehnung der amerikanischen Macht, die sich in einem ausufernden Staatsdefizit äußert. Beides hängt untrennbar zusammen und ist mit den bisherigen Mitteln nicht lösbar, wenn überhaupt. Der Artikel formuliert das so:
      „Die Vorherrschaft des US-Kapitals wird durch hohe Schulden, durch den damit einher gehenden Vertrauensverlust in die Stabilität des Finanzsystems und nicht zuletzt durch die sinkende Konkurrenzfähigkeit der eigenen Wirtschaft gefährdet. Letzteres signalisieren die chronischen und gefährlich anschwellenden Handelsbilanzdefizite. Offen ausgetragene imperialistische Machtpolitik nach außen ist die eine, Repression nach innen ist die andere Seite der MAGA-Politik. Da ist schnelles Eingreifen zur Brechung des Widerstands erforderlich, ohne dass die Exekutive durch parlamentarische oder juristische Einwände gebremst wird. Gewaltenteilung stört da nur.“
      Daraus entwickeln wir den Arbeitsbegriff: Entwicklung „zu einer offenen Diktatur der Milliardäre (…). Das heißt, ein Teil der Bourgeoisie regiert direkt unter weitgehender Ausschaltung des Parlaments.“ Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Sprechen die benannten Momente der aktuellen Lage für diese Entwicklung, so ergibt sich daraus noch kein Blick in die Zukunft.
      Eine Analyse kann durchaus Thalheimers Gedanken folgen, ohne dass Thalheimer schematisch angewendet wird.

      Rote Grüße,
      die Redaktion

      • Mit der Antwort der Redaktion auf den Leserbrief von Pietro bin ich grundsätzlich einverstanden mit einer aus meiner Sicht wesentlichen Ausnahme. Im vorletzten Absatz steht die Formulierung: „Daraus entwickeln wir den Arbeitsbegriff: ‚Entwicklung zu einer offenen Diktatur der Milliardäre‘.“ Das finde ich fragwürdig, weil damit keine soziale Basis außer einer zwar individuell mächtigen, aber zahlenmäßig winzigen Elite benannt wird.
        Es erinnert mich an die von Dimitroff auf dem VII. Weltkongress formulierte Definition des Faschismus der KI (Kommunistische Internationale). Diese lautet bekanntlich: „Der Faschismus an der Macht … ist … die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ Zugegeben: Das ist nicht wörtlich dasselbe wie die angegebene Formulierung aus der Antwort der Redaktion, und dort ist auch nicht die Rede davon, dass das Trump-Regime bereits der Faschismus sei. Aber wie weit ist man davon noch entfernt?
        Im Gegensatz zu dieser Verkürzung Dimitroffs auf den reaktionärsten Flügel des Finanzkapitals haben Thalheimer und in diesem Sinne die KPO und die Arbeiterpolitik auf die Massenbasis in deklassierten Teilen des Kleinbürgertums (und in geringerem Maße auch des „Lumpenproletariats“) hingewiesen, die notwendig war, um die gespaltene Arbeiterbewegung, insbesondere deren immer noch revolutionären Flügel in der krisenhaften Pattsituation zwischen Kapital und Arbeiterklasse zu zerschlagen. Damit verbunden war die relative Verselbständigung des Staates gegenüber den bestehenden Klassen, also auch der herrschenden Klasse selbst. Eine privilegierte Minderheit (z. B. im Sinne der „Milliardäre“) hätte nicht ausgereicht, um diese Machtergreifung bzw. -übertragung (je nach Blickwinkel) im totalen Sinne samt dem in Aussicht genommenen Programm zu erreichen.
        Natürlich muss man, wie das im Kommentar der Redaktion geschieht, darauf hinweisen, dass das Kapital/die Bourgeoisie trotz der globalen wie nationalen Krisen und auch Niedergangserscheinungen sich nicht in der für die dreißiger Jahre analysierten Situation befindet. Eine politische Subjektivität der Arbeiterklasse gibt es gegenwärtig und auf wohl längere Sicht nicht, deshalb ist die Frage im Kommentar richtig gestellt: „Warum sollte die Bourgeoisie ihre Macht abgeben?“
        Dennoch und gerade deswegen handelt es sich nicht um die „offene Diktatur der Milliardäre“, sondern um Interessenpolitik in deren Sinne und teilweise von ihnen selbst als Akteure. Aber es geht um weit mehr, nämlich eine grundsätzlich und hartnäckig verfolgte Machtverschiebung auf allen möglichen staatlichen Ebenen (Parlamentarismus, Föderalismus, Justiz, Sozialstaat etc.), kurz: die fortschreitende Verselbständigung der Exekutive. Das ist nach Thalheimer ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zum Faschismus, aber reicht für sich allein offensichtlich nicht aus.
        Der bürgerliche Historiker Wolfgang Merkel erklärt dazu in einem Interview der Frankfurter Rundschau vom 23.8.2025, dass Trump von einer „unheiligen Allianz“ unterstützt werde: „… zum einen von den Tech-Milliardären, zum anderen von einer Art Pöbel, wie ihn Marx in seiner brillanten Analyse der Anhängerschaft des Louis Napoleon Bonaparte 1852 beschrieben hat“. Da ist sie, die Analogie, die wir aus der Faschismustheorie von Thalheimer kennen. Ist das eine soziale Massenbasis? Zur Zeit müssen wir doch wohl davon ausgehen, dass das allenfalls und bis jetzt erst Ansätze sind.
        Wir müssen das diskutieren, egal, wie vernachlässigenswert unser eigener unmittelbarer Einfluss auf diese Vorgänge in der Führungsmacht des westlichen Imperialismus ist. Die Diskussion findet mitten im Fluss der Ereignisse statt. Die Geschichte bleibt nicht stehen. Ich bezweifele, dass wir in nächster Zeit zu so etwas wie einem brauchbaren „Arbeitsbegriff“ kommen.

  2. Liebe Redaktion, muß es nicht anstelle „Die USA konnten es sich über diesen Mechanismus auch leisten ihren Markt für Importe zu öffnen, da die Importeursländer ihre Dollarüberschüsse wiederum in US-Staatspapieren anlegten.“ heißten „Die USA konnten es sich über diesen Mechanismus auch leisten ihren Markt für Importe zu öffnen, da die Exporteursländer ihre Dollarüberschüsse wiederum in US-Staatspapieren anlegten.“?

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