»Programm Weltmacht« der EU – eine Rechnung ohne den Wirt

Am 18. Juni beklagt die FAZ in ihrem Leitartikel die fehlende »Weltmachtfähigkeit« der EU. Das zeige sich deutlich beim Bruch des Iran-Abkommens durch die USA, »wenn Washington den Stecker zieht und europäische Argumente dort nicht ernst genommen werden«. Europa sei »machtlos und getrieben«. Um nicht mehr weltpolitischer Spielball zu sein, sei ein »Programm Weltmacht« nötig, wirtschaftlich, militärisch, außenpolitisch.

Die am 16. Juli nach langem Postengezerre vom Parlament auf „Vorschlag“ des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs zur künftigen Kommissionspräsidentin gewählte ehemalige Verteidigungsministerin von der Leyen bestätigte umgehend diese Sichtweise, indem sie schnelle Fortschritte bei der militärischen Integration der EU-Staaten in Aussicht stellte. Mindestens eine „Generaldirektion für Verteidigung“ solle es geben, möglichst aber auch einen „EU-Kommissar für Verteidigung“. Damit würde zum ersten Mal in der Geschichte der EU das Militär der Zuständigkeit der Kommission zugewiesen, also „vergemeinschaftet“. Bisher wehren sich die Mitgliedstaaten energisch dagegen, diesen Zentralbereich ihrer „Souveränität“ zu opfern, und organisiern dies, wenn überhaupt, dann zwischenstaatlich oder gleich in der NATO.

Das Postengezerre zeigt die strukturellen Schwächen der EU

Die Entstehung der EU mit ihren Vorläufern EWG und EG nach dem 2. Weltkrieg erfolgte unter Führung und Duldung der westlichen Vormacht USA. Die USA hatten ein Interesse an einem stabilen Europa gegenüber dem sozialistischen Lager, weshalb sie die westeuropäischen Staaten mit Hilfe ihrer wirtschaftlichen und militärischen Mittel mehr oder weniger zwangen, sich zusammen zu schließen. Der Zusammenschluss entsprach grundsätzlich dem Interesse der kapitalistischen europäischen Staaten in ihrem desolaten Zustand nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: der Zerstörung durch die Weltkriege, dem Verlust der Kolonialreiche; vor allem der Bedrohung des westlichen Kapitalismus durch den Anteil der Sowjetunion am Sieg über den Faschismus, die Ausbreitung ihres Einflussgebietes, die gesellschaftlichen Umwälzungen in den eroberten Ländern sowie die Infrage­stellung des Kapitalismus durch politische Strömungen auch in Westeuropa.

Die USA waren 1945 der hegemoniale Faktor, der in der Situation des „Kalten Krieges“ durchsetzte, was als letzte Rettung des europäischen Kapitalismus notwendig schien. Aus den Bedürfnissen der Bevölkerung heraus entstand 1945 die Forderung, dass es keine Kriege mehr in Europa (mindestens, aber auch weltweit) mehr geben dürfe und dass eine europäische Integration, für viele auch verbunden mit der sozialistischen Umwälzung von Wirtschaft und Gesellschaft, umgesetzt werden müsse. Die herrschenden Klassen und ihre Regierungen nutzten diese weit verbreiteten Stimmungen aus, verdrehten sie aber in etwas ganz anderes. Die verschiedenen (west-) europäischen Einigungsverbünde der Nachkriegszeit (EWG/EG/EU, Europarat u. a.) waren und sind Projekte der herrschenden Klassen. Die EU mit ihrer komplizierten Institutionenstruktur ist weder ein Staat noch ein Nicht-Staat, sondern ein völkerrechtli­ches und realgeschichtliches Unikum, das jeder systematischen Einordnung spottet. Ihr gegenüber stehen wirkli­che Weltmächte (USA, Rußland, China), die ihre Zentralregierungen haben und vergleichsweise schnell und ver­bindlich Beschlüsse fassen und umsetzen können. Die föderale Gliederung der USA ist etwas fundamental anderes als der Staatenbund, den die EU darstellt. Neben den vielfach mit Einzelvetorechten belasteten Strukturen der „normalen“ EU (Rat, Kommission, Parlament) kommen noch Sonderstrukturen hinzu wie die Eurozone und PESCO (Permanent Structured Cooperation, militärische Zusammenarbeit von 25 Einzelstaaten, die z. B. ständige Erhöhung der nationalen Rüstungshaushalte vorschreibt).

Zentrale Schwäche der EU bis heute und auf absehbare Zeit ist, dass sie davon nicht loskommt und sich immer noch aus Nationalstaaten zu­sammensetzt, die die letzten Reste ihrer „Souveränität“ und ihre spezifischen Interessen (vgl. etwa den Umgang mit der Migration, mit Fragen militärischer Organisation und eben das Postengezerre) verteidigen und sich damit blockieren. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass die USA, China und auch Russland ihre Stärke nachhaltig aus dem eigenen riesigen Binnenmarkt ziehen, während zumindest einige der wichtig­sten EU-Staaten viel stärker auf den Weltmarkt angewiesen sind.

Geschichtliche Entwicklung mit veränderten Vorzeichen

Die Gründung und Erweiterung der EWG/EG/EU stand unter veränderten Vorzeichen: Die Ent­stehung der EG war noch in US-hegemoniale Strukturen eingebettet, während spätere Integrationsschritte darauf abzielten, diese herauszufordern.

Im antisozialistischen Militärbündnis NATO unter dem Kommando der USA durfte der ehemalige Kriegsgegner Deutschland teilnehmen und sich wieder bewaffnen. Der 2. Weltkrieg hatte mit dem Sieg und der Ausdehnung der Sowjetunion nach Mitteleuropa gezeigt, dass ein innerimperialistischer Krieg das Überleben des Kapitalismus als Ganzes gefährdet.

Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers schien diese Vormachtrolle der USA nicht mehr nötig. Fragen nach der weiteren Existenzberechtigung der NATO kamen auf, die EU dehnte sich nach Osteuropa aus, im Krieg gegen den Irak 2003 verweigerten Deutschland und Frankreich den USA die Gefolgschaft. Der Begriff von der »Multipolaren Weltordnung« kam auf. Der soll bedeuten, dass die zwei Machtpole des kalten Krieges, USA und Sowjetunion, durch mehrere Pole abgelöst wurden, wovon einer die EU sein soll.

Zumindest militärisch war dies aber weitestgehend Wunschdenken. Militärisch war die Welt nach 1990 zunächst unipolar, nämlich mit der dominierenden Rolle der US-Militärmacht. Für die EU und insbesondere Deutschland ist die US-Militärmacht geradezu die Voraussetzung für ihre ökonomische Ausbreitung und ihren Erfolg, nach dem Motto: Die USA machen die Drecksarbeit, sprich Krieg, wir machen Geschäfte.

Als 1989 das sozialistische Lager unter Führung der Sowjetunion kollabierte, verkündete der US-amerikanische Politikwissenschaftler Fukuyama »Das Ende der Geschichte«. Da der Kapitalismus unter Führung der USA den kalten Krieg gewonnen habe, gebe es keinen ebenbürtigen Gegner mehr und der Siegeszug der liberalen Demokratie sei nun unaufhaltsam.

Tatsächlich dehnte sich die kapitalistische Wirtschaftsordnung weltweit aus, »globalisierte« sich. Champions dieser Globalisierung waren zunächst vor allem große US- Konzerne, vor allem aus dem High-Tech-Sektor wie Microsoft, Google, Apple, Facebook, Amazon, die nahezu eine Monopolstellung in ihrem Markt erreichten.

Die EU, allen voran Deutschland, nutzte den Zusammenbruch des sozialistischen Lagers und breitete sich nach Osteuropa aus und gliederte diesen neuen Wirtschaftsraum in den Produktionskreislauf ihrer großen Industriekonzerne ein. Alle ehemaligen sozialistischen Länder Osteuropas außerhalb der Sowjetunion und die drei baltischen Staaten, früher Sowjetrepubliken, sind mittlerweile EU- und NATO-Mitglieder.

Die EU in der Weltpolitik

Die EU ist einerseits der weltgrößte Binnenmarkt, andererseits nimmt sie hinter China den zweiten Platz im Welthandel ein. Die zwei größten Exportländer für die EU sind die USA und China. Insbesondere der Handel mit China sorgte für die Verdoppelung des Außenhandels der EU in den elf Jahren von 1999 bis 2010. Es gibt mittlerweile wohl kein größeres Unternehmen mehr, das nicht eine Niederlassung in China hätte. Auf der anderen Seite nimmt die schon lange enge Verflechtung zwischen der europäischen und US- Wirtschaft weiter zu, siehe z.B. den Kauf des weltgrößten Saatgutherstellers Monsanto durch den Bayer-Konzern.

Die Konfrontationsstrategie der US-Regierung gegen China erwischt die EU sozusagen auf dem falschen Fuß. In dieser Situation tauchen jetzt die Stimmen auf, die nach einem stärkeren Europa rufen. Unter anderen stellten z.B. Anfang des Jahres die CDU-Vorsitzende Annegret Kamp- Karrenbauer, der bayrische Ministerpräsident Söder und der damalige EVP-Fraktionsvorsitzende Weber fest, »dass die EU die einzige Lebensversicherung für eine gute Zukunft Deutschlands ist.(…) Wer glaubt, dass Deutschland allein Handelsauseinandersetzungen mit China gewinnen oder gar gegen Asien unsere Sozialstandards behaupten kann? Wie soll Deutschland allein globalen Konzernen die Stirn bieten und auf faire Besteuerung dringen?« (Mit den letzteren sind natürlich Apple, Google & Co gemeint) (FAZ, 15.2.19)

Der französische Präsident Macron sagte in einer 2017 gehaltenen Rede, in der er eine »Initiative für Europa« vorschlug, dasselbe, er drückte es nur etwas wolkiger und pathetischer aus: »Was Europa darstellt, können wir nicht blind übertragen, weder auf die andere Seite des Atlantiks noch auf die Grenzen zu Asien. Es liegt an uns, es zu verteidigen, und es in der Globalisierung aufzubauen.« (1)

In diesen Zusammenhang gehören auch die Vorschläge von Wirtschaftsminister Altmaier, der die Schaffung von »europäischen Champions« fordert, also europäischen Monopolkonzernen, die mit den großen chinesischen und amerikanischen Konzernen konkurrieren sollen. Ihn stört, dass die EU-Kartellwächter eine Fusion der Bahnunternehmen von Siemens und Alstom untersagt hatten. Das neue Unternehmen sollte mit der chinesischen Bahngesellschaft China Railway mithalten können.

Dass Europa »unsere Zukunft« sei, sehen aber nicht alle so. Schon innerhalb der einzelnen Länder nehmen die EU-feindlichen Kräfte zu wie die AfD oder RN in Frankreich. Großbritannien will mit dem Brexit ganz aus der EU ausscheiden, womit diese auf einen Schlag ein Sechstel ihrer Wirtschaftsleistung verlieren wird. In anderen Ländern, zuallererst Italien, regt sich Widerstand gegen die dominierende Rolle Deutschlands in der EU, das mit seiner Wirtschaftskraft die südeuropäische Konkurrenz aussticht und für die entstehenden sozialen Folgen nicht aufkommen will. Diesen Kurs hat schon Griechenland zu spüren bekommen, das zunächst mit geliehenem Geld Waren importierte und dann, als es die Schulden nicht mehr bezahlen konnte, einem gnadenlosen Spardikat unterworfen und die Mehrheit seiner Bevölkerung innerhalb von wenigen Jahren in die Armut gestoßen wurde.

Die ehemaligen Ostblockstaaten wiederum sehen die EU vor allem als Rückversicherung gegen Russland und haben Regierungen, deren oberstes Anliegen die eigenen nationalen Interessen und nicht die Weltmarktambitionen deutscher oder französischer Konzerne sind. Konsequent blockieren sie eine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Während Deutschland auf der einen Seite mit Russland die Ostseepipeline Nordstream 2 zur Gasversorgung baut, versucht z.B. vor allem Polen diese zu verhindern, weil es darin eine Stärkung Russlands sieht und einen eigenen Bedeutungsverlust als Transitland für russisches Gas nach Westeuropa. Während die französische und die deutsche Regierung ein starkes Europa wollen, blockiert wiederum Berlin französische Vorschläge z.B. für einen eigenen Eurozonenhaushalt, der soziale Ungleichheiten zwischen EU-Ländern abmildern soll. Dafür revanchiert sich Macron wiederum, indem er androhte, seine Unterstützung für die Nordstream 2-Pipeline zurückzuziehen. Usw. usf.

Auf der einen Seite stehen also für die europäischen Regierungen Notwendigkeiten der europäischen Einigung und Vertiefung, auf der anderen Seite zunehmende Widersprüche und Konflikte, die genau diese Einigung und Vertiefung verhindern.

Russland ist weiterhin ein Gegner

Mit den vor allem von den USA massiv unterstützten Majdan-Unruhen in Kiew 2014 und dem nachfolgenden Putsch gelang es, eine Regierung in der Ukraine zu installieren, die offen den Anschluss an die EU und die NATO anstrebte. Für Russland kam dies einer Kriegserklärung gleich und es reagierte mit dem Anschluss der Krim mit dem Schwarzmeerhafen für seine Kriegsmarine und der Unterstützung der abtrünnigen Gebiete im Osten der Ukraine. Seither wird Russland vom Westen, d.h. den USA, der EU und der NATO, als Aggressor bezeichnet und mit Sanktionen überzogen. Ein nicht unbedeutender Teil der deutschen Wirtschaft büßte daraufhin unter Murren sein Russlandgeschäft weitgehend ein, unterwirft sich aber der Politik. Die NATO hat mittlerweile Truppen in den baltischen Staaten mit Grenzen zu Russland stationiert, wobei sich Deutschland führend beteiligt.

Die EU-Sanktionen sind jedoch von den führenden EU- Staaten auch aus eigenem Interesse durchgesetzt worden: Dass Moskau es wieder wagte, offensiv in andere Staaten einzudringen und Teile davon zu annektieren oder zumindest der eigenen Kommandogewalt unterzuordnen (Ost- Ukraine / Krim), war aus Sicht von Berlin, Brüssel, London und Paris ein ganz fundamentaler Bruch: Rückkehr zur Kriegspolitik, eine Zäsur, die man auf keinen Fall akzeptieren wollte.

Den USA ist es also gelungen, mit der Zuspitzung des Ukraine-Konflikts die EU in eine gemeinsame Frontstellung zu Russland zu bringen und deren Ostgeschäft stark zu beschneiden. Dass Deutschland die Gaspipeline Nordstream 2 mit Russland weiterbaut, ist mittlerweile ein Angriffsziel der US-Regierung, die damit droht, beteiligte Firmen auf ihre Sanktionsliste zu setzen.

Wie die Verflechtung der EU-Wirtschaft mit den USA funktioniert, wird auch deutlich an der Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die USA im Jahr 2018. Obwohl die USA nur einer von sechs Vertragspartnern sind (Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland, China sind die anderen), kündigten sie an, alle Unternehmen, die mit dem Iran weiterhin Handel treiben, auf ihre Sanktionsliste zu setzen und zu bestrafen. Obwohl die Europäer lauthals protestierten, brachen alle Firmen ihre Handelskontakte ab, um ihr US-Geschäft nicht zu gefährden.

Der Aufstieg Chinas verändert das weltpolitische Gleichgewicht

Die drei Staaten Asiens, die ihren gesellschaftlichen Aufbau auf sozialistischer Grundlage organisiert hatten, China, Vietnam und Nordkorea, kollabierten -anders als die osteuropäischen- 1990 nicht. In China und Vietnam änderten die herrschenden kommunistischen Parteien allerdings ihren Kurs: Um technologisch zum Westen aufschließen zu können, ließen sie eine kapitalistische Wirtschaft zu. Damit wurden sie auch Teil der Globalisierung, zunächst vor allem als Billiglohnstandorte für westliche Konzerne.

Insbesondere der riesige chinesische Markt, der sich nun öffnete und mit der industriellen Entwicklung aufnahmefähiger wurde, bot den westlichen Konzernen Anlagemöglichkeiten für ihr Kapital und Absatzmöglichkeiten für ihre Industrieprodukte.

Die USA waren 1990 als westliche Führungsmacht der große Sieger des Systemwettkampfs. Mit China ist ihnen nun ein weltpolitischer Gegner erwachsen, der ihre weltweite Führungsrolle bedroht. Ein zentraler Wendepunkt im globalen Machtverhältnis war die Weltfinanzkrise 2007/8. Während die Staaten in den Regionen Nordamerika, Westeuropa, Japan damit beschäftigt waren, ihre Banken durch umfang­reiche „Ret­t ungsprogramme“ zu stabilisieren, steckte China sein Konjunkturprogramm weder in den Finanz- noch den Produktionssektor, sondern v. a. in die Infrastruktur (Verkehr, Wohnungsbau), stabilisierte damit die Nachfrage und die gesellschaftliche Stimmungslage und vermied das weitere Anhei­zen der Überakkumulation.

Mittlerweile ist es China gelungen, aus einem abhängigen Billiglohnland zu einer aufstrebenden Industrienation zu werden; es ist mittlerweile die zweitgrößte Volkswirtschaft. Aus dem »Ende der Geschichte« Fukuyamas ist der Aufstieg Chinas geworden. Chinesische Konzerne wie Alibaba, Tencent mit Wechat, Huawei, Lenovo können sich an Größe und Innovationskraft mit den amerikanischen Riesen messen. Der chinesische Automarkt ist mit Abstand der größte der Welt. VW, als größter Autoproduzent, will bis 2028 die Hälfte seiner Autos in China produzieren lassen. Mit dem Seidenstraßenprojekt versucht China, offensiv seinen globalen Einfluß aus­z udehnen. Es greift damit bereits in die EU-Sphäre (Griechenland, Italien) ein.

Spätestens mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas droht für die USA nun tatsächlich die Multipolarität Wirklichkeit zu werden. Schon unter der Obama-Regierung wurden Stimmen laut, die verlangten, dass die Europäer, insbesondere Deutschland, militärisch mehr tun müssten, um die USA zu entlasten. Die republikanische Trump-Regierung versucht nun zusammen mit den oppositionellen Demokraten Chinas Aufstieg zu stoppen. Mittel der Wahl sind bislang Strafzölle auf chinesische Importe und der Boykott des führenden Netzausrüsters Huawei und weiterer IT-Firmen. Dem Boykott sollen sich die EU und die anderen westlichen Staaten anschließen. Trump hat das mit seiner »America first«-Kampagne zur offiziellen Politik gemacht: China ist der Rivale und die EU und besonders ihr stärkstes Mitglied Deutschland sind auch Gegner, wenn sie die US-Politik nicht mitmachen und ihre Militärausgaben nicht erhöhen.

Die EU zwischen den Weltmächten

Diese Beispiele zeigen, dass die Vorstellungen absurd sind, die EU könnte sich in dem weltpolitischen Konflikt zwischen den USA und China mit einem »Programm Weltmacht« zur Großmacht entwickeln und eine eigenständige Rolle spielen. Dafür sind einmal die Verflechtungen mit den USA zu dicht und zum anderen die militärischen Möglichkeiten viel zu bescheiden.

Im Gegenteil, die inneren Widersprüche der EU treiben geradezu dazu, mit einem äußeren Feind diese Widersprüche zu übertünchen und die EU zu vereinen. Der äußere Feind ist erst einmal Russland. Dafür sprechen zwei Gründe: Der erste ist die militärische Kraft Russlands als einziger Staat, der den USA als Atommacht auf Augenhöhe gegenübertritt und damit auch die EU bedroht; der zweite ist die geografische Nähe. Aber eben deswegen und wegen ökonomischer Interessen (z. B. Gasimport für Deutschland, landwirtschaftlicher Export für Griechenland) sind die EU-Staaten auch gezwungen, mit Russland immer wieder den Kompromiss zu suchen (z. B. im Ukraine-Konflikt).

Als zweiter äußerer Feind tritt mehr und mehr China auf den Plan. Dafür spricht die ökonomische Stärke der neuen Weltmacht. Für US-Präsident Trump ist offensichtlich China, das wirtschaftlich sehr viel stärker als Russland ist und mit dem Seidenstraßenprojekt offensiv auftritt, der Hauptgegner. In diesem globalen Konflikt muss die EU sich positionieren, weil auch ihre Interessen betroffen sind, nicht zuletzt wegen ihrer Abhängigkeit von einer stabilen Weltwirtschaft, aber auch weil China zunehmend als Konkurrent auch in den Territorien der EU-Staaten selbst auftritt.

Diese gemeinsamen Feindschaften sind jedoch nicht allein die Gründe, die die EU an der Seite der USA halten, der sie sich machtpolitisch unterordnen muss. Viel schwerer wiegt die seit dem Zweiten Weltkrieg anhaltende Erfahrung, dass sich die USA in der Sicht der herrschenden Klassen und breiten Bevölkerungsmehrheiten in den kapitalistischen europäischen Staaten als „Weltpolizist“, d. h. als Garant der kapitalistischen Weltordnung und der bürgerlichen Demokratie „bewährt“ haben. Das galt zu Zeiten des Systemgegensatzes gegen die Sowjetunion und ihre Verbündeten. Es setzte sich fort in der gewollten Durchsetzung einer ökonomisch („Washington-Konsens“) und militärisch (Kriege gegen Irak, Jugoslawien, Afghanistan, noch einmal Irak, „Krieg gegen den Terror“ etc.) gesicherten Weltordnung. Nur die USA sind in der Lage, diese Rolle auszufüllen.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Macrons_Initiative_für_Europa


aus: Arbeiterpolitik Nr. 3/4 2019

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